Institutsrat am 7.12. – das FANE-Prinzip am OSI

FANE (Abk.): Für Argumente nicht empfänglich. Beschreibt die Neigung, sich Argumente und Widerreden mehr oder weniger geduldig, v.a. aber folgenlos, anzuhören, weil mensch sich genau bewusst ist, dass die Entscheidung schon feststeht.

Am Mittwochmorgen traf sich der Institutsrat (IR) des OSI zu seiner vorletzten Sitzung im Jahr 2011. Es sollte eine kontroverse Sitzung werden, und letztendlich auch eine frustrierende. Angesichts der Bedeutung der anstehenden Themen – besonders der BA-Reform und der Zukunft der Ideengeschichte als eigenständiges Modul – war die Beteiligung von IR-Mitgliedern geradezu enttäuschend: mit Müh und Not ging das Gremium als beschlussfähig durch. Dafür füllten ca. 30-40 interessierte Studierende den Saal; ihnen bot sich ein Schauspiel, das auch noch dem/der Letzten klar gemacht haben dürfte, wie es um Demokratie und Mitbestimmung am OSI und der FU bestellt ist.

Von Anfang an gab es Streit an diesem Mittwoch: etwa als die Studierendenvertreter wissen wollten, was es mit dem von Thomas Risse mitverfassten Gutachten über die Ben-Gurion-Universität in Tel Aviv auf sich hat. Darin, so das Gerücht (über das bspw. die OSI-Zeitung berichtet), soll die von Risse geleitete Kommission die Schließung des Instituts auf Grund – vereinfacht gesagt – allzu „linker“ Positionen gefordert haben. Risse reagierte geradezu aggressiv auf die Anfrage, behauptete, das habe die Presse erfunden und rief immer wieder „lesen Sie doch den Bericht!“. Erst viel gutes Zureden durch Sitzungsleiterin Tanja Börzel konnte ihn schließlich dazu bewegen, wenigstens kurz die Position des Berichts zusammenzufassen.
Des Weiteren wurde auf Anfrage der studentischen Vertreter bestätigt, dass Susanne Lütz nicht ihrem Ruf nach Freiburg gefolgt ist und dem OSI erhalten bleibt. Unklar ist, ob sie in ihren Bleibeverhandlungen zusätzliches Personal und Gelder aushandeln konnte, was letztendlich auf Kosten der prekarisierten Bereiche am OSI ginge.
Der einzige konfliktfreie Punkt war ein Antrag auf Institutsgeld, um einen pensionierten Methoden-Professor der Bundeswehruni München zu einem Vortrag einzuladen. Diesem stimmte der IR ohne Gegenstimme bei zwei Enthaltungen zu.

Anschließend kam dann der Punkt, auf den v.a. die Studierenden gewartet hatten: Ingo Peters, Studiendekan am Fachbereich PolSoz, stellte den Vorschlag der Studienreformkommission (SRK) zur Überarbeitung der BA-Studienordnung vor. Warum Peters diese Aufgabe übernahm, ist unklar: er war nicht mal Kommissionsmitglied. Vielleicht hatte der Vorsitzende der SRK, Thomas Risse, keinen Bock – seine „Performance“ in der späteren Diskussion lässt darauf schließen.

Ingo Peters rief zunächst allen Anwesenden noch mal die Notwendigkeit einer Studienreform in Erinnerung: der BA-Studiengang wurde bei einer internen Begutachtung mit dem Prädikat „überarbeitungswürdig“ versehen (s. auch Institutsratbericht vom 11.5.2011), auch das Peer-Review-Gutachten einer FU-fremden Kommission (über deren Ortstermin wir hier berichtet haben) kam zu dem Schluss, dass der Bachelor reformiert werden müsste. Und schließlich zwingen die drohenden Unpäßlichkeiten in der Lehre durch die Reform des Berliner Hochschulgesetzes (wir berichteten) das OSI dazu, sein Lehrangebot stärker an den bestehenden Kapazitäten auszurichten. Vor allem der letzte Punkt macht das ganze Konfliktpotenzial deutlich: sind doch die Mittel und Stellen am OSI äußerst ungleich verteilt. So verfügt etwa der Bereich Internationale Beziehungen über ca. die Hälfte der etwas über 100 Stellen (WiMis, studentische Hilfskräfte etc.) am OSI, während sich der Bereich Theoretische Grundlagen der Politik mit weniger als einem halben Dutzend zufrieden geben muss. Eine Änderung der Studienordnung anhand bestehender Kapazitäten muss also fast automatisch zu einer Abwertung der politischen Theorie führen.

Entsprechend sah auch der Vorschlag aus, den Peters präsentierte: aus fünf Pflichtmodulen (Ideengeschichte, Moderne Politische Theorie, System der BRD, Vergleichende Analyse und IB) sollen vier werden. Ideengeschichte und Moderne Politische Theorie werden zum Modul „Politische Theorie“ verschmolzen, dieses schlägt mit 15 LP zu Buche und beinhaltet zwei Vorlesungen und ein Proseminar. Die Einführungsvorlesung samt Tutorium wird von 5 auf 10 LP aufgestockt, das (bisherige Wahlpflicht-) Modul „Rechtliche Grundlagen der Politik“ entfällt ganz. Auch die BA-Arbeit wird ein wenig aufgewertet: von 10 auf 12 LP; unterm Strich bleiben nun 3 LP übrig, die noch irgendwo „untergebracht“ werden müssen. Klausuren in Vorlesungen sollen künftig nur noch 120 Minuten lang sein, das Präsidium wünscht sich überdies in den Wahlpflichtmodulen verpflichtende Vorlesungen. Bisher können die Studis zwischen Vorlesung + Proseminar oder zwei Proseminaren wählen. Dies soll auch nach dem Willen des IR so bleiben, hier wird noch nachverhandelt.
Für den Master-Studiengang, der ebenfalls überarbeitet werden müsste, gibt es noch keinen Vorschlag.

Nachdem Peters geendet hatte, begann die Diskussion: die Studierenden verwiesen auf §4, Abs. 1 der geltenden Studienordnung, der in gleicher Form auch im Entwurf für die neue enthalten ist, und in dem es unter „Qualifikationsziele“ heißt:

„Die Absolventen und Absolventinnen dieses Bachelor-Studiengangs verfügen über grundlegende theoretische, methodische und empirische Kenntnisse zu den ideellen und normativen Grundlagen von Politik, einschließlich philosophisch-ideengeschichtlicher Ansätze, politikwissenschaftlicher Theorien, in historischer, soziologischer oder ökonomischen Tradition.“

Wie das denn vereinbar sei mit der Abschaffung des Moduls Ideengeschichte, wurde beispielsweise gefragt. Warum das Defizit an Lehrkapazität im Bereich Ideengeschichte für so gravierend gehalten wird, dass gleich das ganze Modul abgeschafft werden muss, wo doch etwa der Bereich „System der BRD“ ein ähnlich großes Defizit aufweist. Warum die Rechtlichen Grundlagen komplett gestrichen werden, obwohl nach wie vor eine W3-Professur im Strukturplan des OSI steht (Antwort Frau Börzel: „Im Strukturplan steht so vieles, das hat doch nix zu bedeuten!“). Und, die wohl wichtigste Frage: wie es überhaupt zu einem Verfahren kommen konnte, bei dem zuerst strukturelle Fakten geschaffen werden – die Streichung der Ideengeschichts-Vollprofessur beispielsweise – und dann überlegt wird, welche Studienordnung sich daraus ergeben kann.
Auf keine dieser Fragen gab es eine befriedigende Antwort. Die professorale Mehrheit der IR-Mitglieder gab sich stattdessen redliche Mühe mit Scheindiskussionen über die Benennung des Aufbaumoduls „Politische Theorie und Grundlagen der Politik“, die aus einem einfachen Druckfehler entstanden war. Bei zahlreichen genaueren Nachfragen etwa über die Höhe des Defizits an Lehre in einzelnen Bereichen glänzte v.a. der SRK-Vorsitzende Thomas Risse mit geradezu schockierender Ahungslosigkeit – hier konnten immerhin die studentischen Mitglieder der Kommission etwas Aufklärung leisten. Stellte sich in solchen Fällen heraus, dass die von Risse genannten Zahlen falsch waren, wiederholte er immer wieder den lapidaren Kommentar „wir können das auch komplett streichen, wenn das so ist“.

Besonders frustrierend, gerade für viele IR-Neulinge, dürfte dabei die völlige Beratungsresistenz der professoralen Mehrheit gewesen sein. Die Studierenden zeigten immer wieder mögliche Lösungen auf (manche davon zugegebenermaßen ad hoc entstanden und folglich nicht zu 100% ausgereift), die schlicht ignoriert wurden. Zu einer vorgeschlagenen Umwidmung der W3-Professur „Rechtliche Grundlagen“ in eine Professur für „Ideengeschichtliche und Staatsrechtliche Grundlagen der Politik“, die auch dem Bereich System der BRD hätte unter die Arme greifen können, meinte Börzel: „Das dauert dann wieder 3-4 Jahre, das Präsidium will aber jetzt Ergebnisse sehen!“ Zur Erinnerung: Umbenennung und Neubesetzung der ehemaligen Professur für Ideengeschichte schaffte das OSI in weniger als einem Jahr.
Die von Thomas Eimer in der OSI-Zeitung vorgeschlagene Idee, Ideengeschichte und Politische Theorie durch Lehrveranstaltungen anderer Bereiche zu unterstützen – etwa mittels Co-Ankündigungen – wurde mit Verweis auf die (angeblichen) riesigen Defizite in Punkto Lehrkapazität für unpraktikabel erklärt. Ob diese Defizite dabei wirklich so hoch sind, darf getrost bezweifelt werden – immerhin lag Thomas Risse mit keiner einzigen (!) konkreten Zahl, die er nannte, richtig.

Allen Argumenten und allem Protest zum Trotz schritt der IR letztlich zur Abstimmung. Die weitere Arbeit der SRK, so Tanja Börzel, sei sinnlos, wenn nicht die Frage des Fortbestehens der Ideengeschichte geklärt sei. Da in der vorherigen Diskussion dieser Punkt nur am Rande angesprochen wurde, verlangten die studentischen Vertreter eine weitere Aussprache. Hier wurden abermals Vorschläge und Alternativen eingebracht, denen die Professor_innen erneut mit Sachzwängen und Sturheit entgegentraten. Es kam letztendlich zu einer Abstimmung über die Reduzierung der politischen Theorie von 20 auf 15 LP. Hier zeigte sich eindrucksvoll wie demokratisch Gremien an der Universität sind. Die professorale Mehrheit stimmte unisono für die Reduzierung. Von den anwesenden Student_innen durften nur zwei – die studentischen Vertreter – Abstimmen, konnten aber mit einem Gruppenveto die Entscheidung auf nächste Woche verschieben. Mensch muss sich hier die Frage stellen warum an einem Institut mit ca. 3500 Student_innen und nur einem Dutzend Professor_innen letztere die Stimmmehrheit haben können.

Durch das studentische Gruppenveto muss der Institutsrat in der nächsten Woche (14.12. um 8 Uhr im Hörsaal 21/B) erneut über diese Entscheidung abstimmen. Laut Tanja Börzel soll Ende Januar die fertige Studienordnung im Fachbereichsrat durchgestimmt werden und dann für die neuen Student_innen im Wintersemester 2012/13 gelten. Anfang Januar wird ein Institutstag stattfinden, welcher vor allem die Problematik dieser Entscheidung und mögliche Alternativen ausführlich diskutieren wird. Genaueres findet ihr bald auf unserem Blog.

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