Der Strukturplan schmeckt uns nicht!

Es gibt Dinge, die lassen sich gut vermengen, ja, die soll mensch sogar vermengen: Wasser, Hartweizengrieß und Ei beispielsweise ergeben leckeren Nudelteig. Bei anderen Sachen ist eine Vermengung hingegen weniger zu empfehlen. In die Reihe dieser Dinge reiht sich neben Essig und Backpulver, Materie und Antimaterie und einigen anderen ungesunden Dingen nun die Vermengung von Struktur- und Personalentscheidungen am OSI ein. Zu diesem Ergebnis kommt zumindest ein Rechtsgutachten, welches der AStA der FU in Auftrag gegeben hatte, um die Strukturplanänderung (s. hier) am OSI überprüfen zu lassen. In diesem Gutachten wird klipp und klar festgestellt, dass die Entscheidungsfindung bei der Änderung des Strukturplans am OSI – und damit auch der neu beschlossen Strukturplan – nicht rechtmäßig war. Nur mal kurz zur Erinnerung: Entscheidungen, die die Struktur eines Instituts betreffen, müssen öffentlich diskutiert werden – das sieht das Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) vor. Bei Personalfragen wird hingegen unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert. Da der vor kurzem verabschiedete neue Strukturplan des OSI recht konkret auf zwei Personen zugeschnitten ist, wurde der Plan in einer Institutsratssitzung Ende Mai im nichtöffentlichen Teil besprochen, mit Verweis darauf, dass dies eine Personalangelegenheit sei. Der einzige anwesende Student wurde aus dem Raum geschickt, da er kein stimmberechtigtes Mitglied des IR ist. Eben dieses Vorgehen, so der Anwalt des AStA, sei aber nicht rechtmäßig.
Doch damit nicht genug der Kritik: auch das „verschlankte“ Berufungsverfahren, bei dem eine Kommission lediglich über die „fachliche Eignung“ der Bewerber entscheidet (anstatt unter einer Vielzahl an BewerberInnen die/den GeeignetsteN herauszufinden), sei in einem Fall nicht möglich. Einer der beiden Kandidaten sitzt auf einer befristeten W2-Professur, die nicht einfach so entfristet werden dürfe. Der in Art. 33 Grundgesetz vorgeschriebenen öffentlichen Ausschreibung öffentlicher Ämter wird nämlich im „verschlankten Verfahren“ keine Rechnung getragen. Als weiteren Punkt führt das Gutachten aus, dass die konkurrenzlose Einstellung zweier weißer Männer sowohl gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz als auch gegen die Frauenförderrichtlinie der FU Berlin verstößt. Doch wenn jetzt alle FreundInnen der Ideengeschichte aufatmen: übertriebener Grund zur Freude ist dieses Gutachten nicht. Das FU-Rechtsamt wird sowohl das Gutachten als auch dessen Gegenstand – die Strukturplanänderung – erneut prüfen; da das Rechtsamt in der Vergangenheit häufig „FU-freundlich“ entschieden hat, kann es durchaus sein, dass Lenzens Justiziare zu einem anderen Ergebnis kommen. In der Zwischenzeit nahen die Semesterferien, in der es die Studierenden erfahrungsgemäß schwer haben, sich zu organisieren und „am Ball zu bleiben“.

Wie geht es weiter?

Davon abgesehen, haben sich die Verantwortlichen an Institut und Fachbereich in eine ziemliche Sackgasse manövriert: sie müssen die Besetzung der neu geschaffenen Stellen schnell durchziehen, wenn sie die beiden fraglichen Personen nicht doch noch „verlieren“ wollen. Dies zuzugeben, stellt andererseits aber eine offensichtliche Bestätigung des Vorwurfs dar, dass der Strukturplan von Beginn an mit Personalfragen verknüpft wurde – was, wie oben ausgeführt, unrechtmäßig ist. Im Extremfall könnte dies zu einer Klage und einer Rückgängigmachung der Strukturplanänderung führen – dann aber vermutlich zu einer Zeit, in der beide Lehrstühle (und die Juniorprofessur Ideengeschichte!) schon besetzt wären. Was mit Sicherheit weder der Atmosphäre am noch dem Ruf des OSI gut tun würde. Doch auch für die Studierenden ist die Situation nicht unproblematisch: schließlich gibt es zumindest im Fall einer der zwei Personen auch eine große studentische Initiative, ihn zu halten. Zudem begrüßen wir natürlich grundsätzlich (nicht in der konkreten Ausgestaltung!) die Aufstockung der Lehrstühle am OSI. Allerdings sollte eines klar sein: falls es zu einer juristischen Auseinandersetzung und einer Rückgängigmachung des Strukturplans oder anderen negativen Folgen kommen, so ist dies nicht unsere Schuld! Die liegt vielmehr bei jenen, die trotz jahrelanger studentischer Forderungen nach Einbindung in Entscheidungsprozesse immer noch der Meinung waren, mittels formalrechtlicher Winkelzüge die Studierenden von solch weitreichenden Entscheidungen ausschließen zu können!
Doch eventuell könnte ein Kompromiss gefunden werden: nämlich im Erhalt der Ideengeschichte als Vollprofessur. Ein Weg dazu wäre die von Brose ins Gespräch gebrachte, angeblich mögliche Aufstockung der Juniorprofessur (W1) zu einer W2-Professur. Ein anderer wäre, das offensichtlich vorhandene Interesse des Präsidiums und des Sonderforschungsbereichs am Verbleiben der zwei umworbenen Dozenten auszunutzen. Dazu müsste (am besten mit den Buchstaben des Gesetzes im Rücken) den Verantwortlichen klargemacht werden, dass wir den Strukturplan nur dann akzeptieren, wenn das OSI noch eine halbe Stelle mehr kriegt und somit die Ideengeschichte wieder zu einem vollwertigen Lehrstuhl wird.
Der Kampf um den Erhalt der Ideengeschichte geht also weiter, schon nächsten Mittwoch (16.7.) im Fachbereichsrat. Um 9 Uhr s.t. im Hörsaal B der Ihnestr. 21. Je mehr Menschen wir dabei sind, desto besser!

Ach ja, und wir sind mal so frei, folgenden Text von Dr. Rauschenbach zu veröffentlichen:

Das war schon immer so?

Über Demokratie, Macht und Strukturentscheidungen am OSI

Wie funktioniert Herrschaft? Das ist eine Grundfrage von Politikwissenschaft, mit der sich Studierende dieses Fachs während ihres Studiums auseinandersetzen. Aber Herrschaft ist nicht gleich Herrschaft. Eine besondere Herrschaftsform ist die Volksherrschaft oder Demokratie, deren Charakteristika geregelte und damit transparente Verfahren der Entscheidungsfindung durch alle Mitglieder eines Gemeinwesens (Staatswesen, Institutionen, Unternehmen) sind. Demokratie ist der Grundwert, von dem aus eine politikwissenschaftlich fundierte Herrschaftskritik geschieht. Nun sind seit geraumer Zeit diskursive Verschiebungen bemerkbar. Von postdemokratischen Verhältnissen ist die Rede und man weiß nicht genau, inwieweit sich in dieser Rede empirische Elemente mit normativen vermischen. Demokratie, das ist sicher, macht Umstände, die manch eine Unternehmensführung schon aus Gründen der Effizienz gerne vermiede. Das Unternehmen Universität ist von diesen Gelüsten, zumal in Zeiten der Elitenbildung und des Sparzwangs, wo es so oder so ums Geld geht, nicht ausgenommen. Jedenfalls drängt sich der Eindruck auf, dass gerade „Eliteuniversitäten“ sich die Zeit für ordentliche demokratische Entscheidungsverfahren nicht mehr leisten können/wollen, wenn sie auf die Einhaltung bestimmter Verfahrenregeln bei der Berufung verzichten.

Man sagt uns: Was regt ihr euch auf. Das war doch schon immer so.

Natürlich weiß jeder und jede, die in Berufungsverfahren saßen, dass jenseits und unterhalb der formellen Verfahrensebene informelle Absprachen stattgefunden haben – bis hin zu dem Punkt, wo das formelle Verfahren durch Eingriffe von oben im Nachhinein zunichte gemacht wurde. Das führt zu Frust und Unlust bei der Mitwirkung an derartigen Verfahren. Nichtsdestotrotz ist die Einhaltung der Verfahren mit klaren demokratischen Regeln (auch wenn diese mit Gruppenprivilegien ausgestattet sind) die einzige Methode, Prinzipien einer Hochschule in der Demokratie mit einer pluralistisch durch die verschiedenen universitären Gruppen definierten Qualitätssicherung aufrecht zu erhalten. Wir haben große Sorge, dass diese Prinzipien aktuell in Gefahr sind. Man sagt uns: Was regt ihr euch auf. Das war doch schon immer so. Aber dieses Argument ist aus drei Gründen unaufrichtig und falsch.

1. Das Argument stimmt empirisch nicht. Richtig ist, dass mehrere Verfahren am Fachbereich hochproblematisch gelaufen sind. Aber eben diese Probleme entstanden nicht durch Verfahren, sondern durch spätere Intervention.
2. Das Argument ist wissenschaftspolitisch falsch. Niemand wird behaupten, dass es rein objektive Maßstäbe zur Auswahl der besten KandidatInnen unabhängig von gleichzeitig vorhandenen wissenschaftstheoretischen und -politischen Grundsätzen und Orientierungen gibt, auch wenn im Einzelfall klare Übereinstimmungen auch in heterogen zusammengesetzten Kommissionen möglich sind. Gerade die Garantie dieser Heterogenität und die damit zugestandene demokratische Entscheidungsfindung ist allerdings die Basis von Wissenschaft in der Demokratie. Alles andere führt zu Klientelismus und dient implizit der Herabsetzung der wissenschaftlichen Leistungs- und Kritikfähigkeit.
3. Das Argument ist demokratietheoretisch hochproblematisch. Demokratie zielt in ihrem Grundsatz auf mehr und nicht weniger Beteiligung. Eine Hochschule in der Demokratie kann sich von diesem Grundsatz nicht verabschieden, ohne ihre eigenen Voraussetzungen zu gefährden.

Das Prinzip der freiwilligen Knechtschaft

Warum ist das Argument gleichwohl im Umlauf? Eine Antwort könnte sein, dass es schon immer gut gewirkt hat. Étienne de la Boëtie, Autor der kleinen Schrift Von der freiwilligen Knechtschaft sorgte bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts für entsprechende Aufregung, als er in einer leidenschaftlichen Untersuchung der Frage, warum und wie Herrschaft funktioniert, eine entsprechende Antwort gab. Gewiss ist in seiner Schrift einerseits vom Tyrannen die Rede und damit von undemokratischen Herrschaftssystemen. Andererseits, und darin liegt die Modernität der Analyse, funktioniert gerade die Tyrannei durch Systeme der Komplizenschaft. Tyrannen sind auf Menschen angewiesen, die freiwillig Knechte sind.
Betrachten wir uns doch einmal versuchsweise im Spiegel dieser humanistischen Herrschaftskritik. Als ersten Grund für die freiwillige Knechtschaft nennt La Boëtie die Gewohnheit. „Das war schon immer so“, ist die prototypische Antwort von Untertanen. Der zweite Grund ist der „Köder der Knechtschaft“, so wie er in kleinen Schnittchen am Buffet der Großen ausgelegt wird. Den wichtigsten Grund, gleichsam „das Geheimnis und die Erklärung der Herrschaft“, sah La Boëtie schließlich in einem perfekten System der Günstlingswirtschaft: Einer hat fünf oder sechs Vertraute, die wiederum halten sich „sechshundert, die unter ihnen schmarotzen“, die schließlich verleihen weiteren sechstausend unter ihnen irgendeinen Rang usf.

Der Endeffekt ist ein System, in dem jeder glaubt, durch ein bisschen Buckeln Karriere zu machen und damit am Reichtum und der Macht partizipieren zu können. Sagte vor knapp 500 Jahren La Boëtie.

Muss man sich noch fragen, warum die Ideengeschichte am OSI keine Zukunft mehr hat?

Prof. Dr. Brigitte Rauschenbach in Zusammenarbeit mit der studentischen Initiative für Politische Theorie am OSI

Offener Brief für den Erhalt der Ideengeschichts-Vollprofessur am OSI

Das FUWatch-Blog berichtet über einen Offenen Brief an Dieter Lenzen, Barbara Riedmüller und Peter Massing, in dem zum Erhalt der Ideengeschichts-Professur am OSI aufgerufen wird. Wir veröffentlichen ihn hier vollständig mit der Absicht, die Debatte auch nach dem Beschluss des FBR nicht einschlafen zu lassen und um weiter Druck auf die Verantwortlichen zu erzeugen.
Ach ja, sorry wegen der Formatierung…

Sektion für Politische Theorie und Ideengeschichte
Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft
Universität Greifswald
Institut für Politikwissenschaft
Baderstrasse 6/7
17489 Greifswald

An den Präsidenten der Freien Universität Berlin
Herrn Prof. Dr. Dieter Lenzen
Kaiserswerther Str. 16-18
14195 Berlin

An die Dekanin des Fachbereichs Politik- und Sozialwissenschaften
Frau Prof. Dr. Barbara Riedmüller
Ihnestraße 21
14195 Berlin
Mit der Bitte um Weiterleitung an die Mitglieder des Fachbereichsrats

An den geschäftsführenden Direktor
des Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft
Herrn Prof. Dr. Peter Massing
Freie Universität Berlin
Ihnestraße 21
14195 Berlin
Mit der Bitte um Weiterleitung an die Mitglieder des Institutsrats

12.6.08

Offener Brief

Sehr geehrte Frau Kollegin Riedmüller, sehr geehrte Kollegen Lenzen und Massing,
die Sektion für Politische Theorie und Ideengeschichte in der Deutschen Vereinigung für
Politische Wissenschaft verfolgt mit Sorge die Entwicklung des Strukturplans am Otto-Suhr-
Institut, einem der wesentlichen Lehr- und Forschungszentren der Politikwissenschaft in
Deutschland. Die seit langem vakante Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte
(Lehstuhlinhaber in der Vergangenheit u.a. von der Gablentz, C.P. Ludz, Alexander Schwan,
Axel Honneth) soll zu einer Juniorprofessur heruntergestuft werden, um andere Bereiche der
Politikwissenschaft zu stärken.

Diese Entwicklung steht nicht nur im Gegensatz zum traditionellen, grundlagenorientierten
Verständnis der Politikwissenschaft am Otto-Suhr-Institut. Sie gefährdet die Vollständigkeit
und Qualität der politikwissenschaftlichen Ausbildung und die Qualität der
Grundlagenforschung an der FU. Sie trägt zudem zu einer Marginalisierung der Politischen
Theorie und Ideengeschichte bei, die die Politikwissenschaft insgesamt schwächt.
Mit der Abwertung der Stelle zur Juniorprofessur wird die ideengeschichtliche
Grundlagenforschung, von der die Teilgebiete in ihrer Produktivität zehren, von einer
zentralen und identitätsprägenden zu einer Randdisziplin der Politikwissenschaft
heruntergestuft. Solche Richtungsentscheidungen betreffen das Selbstverständnis der
Politikwissenschaft bundesweit und betreffen daher alle Fachkolleginnen und –kollegen.
Die bahnbrechenden Neuorientierungen, die in der Politikwissenschaft in den vergangenen
Jahren angesichts neuer, unter anderem transnationaler Herausforderungen vorgenommen
wurden, waren nur möglich auf der Basis einer erneuten Hinwendung zu klassischen
Grundlagentexten, ihrer ideenhistorischen Aufarbeitung und auf der Basis eines erneuerten
Bezugs der Teildisziplinen auf die politische Theorie. Ein stark im Bereich der Governanceund
der Globalisierungs-Forschung engagiertes Institut läuft Gefahr, sich mit dem Verzicht
auf selbständige ideengeschichtliche Forschung auch in Bezug auf kosmopolitische und
interkulturell vergleichende Ansätze eines kritischen Potentials zu berauben. In den führenden
britischen und U.S.-amerikanischen Departments für Politikwissenschaft ist die
Notwendigkeit einer starken Repräsentation der Politischen Theorie und Ideengeschichte
längst anerkannt; sie sollte hierzulande eine Selbstverständlichkeit sein.

Daneben ist zu bedenken, dass eine hochwertige Ausbildung in der Ideengeschichte, einem
von zwei theoretischen BA-Pflichtmodulen im Studiengang Politikwissenschaft, durch eine
Juniorprofessur mit 4 Wochenstunden Deputat (ein Drittel des Deputats einer minimal
ausgestatteten W3) wohl nicht sicherzustellen ist. Auch sind die Disponibilität und die Gefahr
von Umwidmungen beim Auslaufen von Juniorprofessuren nicht zu unterschätzen; die
Risiken sind dort aller Erfahrung nach höher als bei sogenannten Eckprofessuren. Die
Theoriesektion fordert daher die FU, den Fachbereich und das Otto-Suhr-Institut auf, die W3-
Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte in vollem Umfang zu erhalten.

Mit freundlichen Grüßen

Der Vorstand der Sektion für Politische Theorie und Ideengeschichte

gez. Prof. Dr. Harald Bluhm
Dr. habil. André Brodocz
Prof. Dr. Hubertus Buchstein
Prof. Dr. Peter Niesen
PD Dr. Tine Stein

Änderung des Strukturplans beschlossen: Ideengeschichte demnächst nur noch als Juniorprofessur

Der Fachbereichsrat PolSoz hat heute morgen einen neuen Strukturplan beschlossen. Im Gegensatz zum bisherigen Strukturplan sieht dieser statt einer vollen Ideengeschichtsprofessur nur noch eine Juniorprofessur im Bereich Ideengeschichte vor. Gleichzeitig wird Sven Chojnackis Juniorprofessur in eine reguläre Professur umgewandelt, Christoph Zürchers befristete Professur wird zu einer unbefristeten. Der Beschluss bedeutet eine weitere Stärkung des IB-Bereichs auf Kosten der Theorie.

Rund 25 Studierende waren am Mittwochmorgen in den Hörsaal A gekommen, um sich an der Diskussion über die zukünftige Struktur des OSI zu beteiligen. Schon diese Möglichkeit ist keine Selbstverständlichkeit: Als das Thema vor rund drei Wochen zum ersten Mal im Institutsrat behandelt wurde, geschah dies unter Ausschluss der Öffentlichkeit, der einzige anwesende Student wurde aus dem Raum geschickt. Die Diskussion im Fachbereichsrat eine Woche darauf hatte man ebenfalls unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt.

Auch wenn heute morgen keine Studierenden aus dem Saal geschmissen wurden, mussten sie sich die Möglichkeit einer offenen Diskussion erst erstreiten. So wollte Dekanin Riedmüller zunächst den Studierenden das Wort verbieten. Zudem drängte die Sitzungsleitung immer wieder darauf, den Tagesordnungspunkt möglichst schnell abzuschließen.

Dabei war der Diskussionsbedarf groß: Die Argumentation des Dekanats, mit der Strukturänderung entstehe unterm Strich eine neue Professur am OSI, wurde von den Studierenden immer wieder heftig kritisiert. Es sei falsch, wenn die Stärkung der Friedens- und Konfliktforschung auf Kosten der politischen Ideengeschichte geschehe. Im Vergleich zu regulären Professuren sehen Juniorprofessuren ein verringertes Lehrdeputat vor. Zudem ist an Juniorprofessuren kein eigenes Lehrpersonal gebunden. Hajo Funke sprach dementsprechend von einer „erheblichen Verringerung des Theorieanteils“. Schon seit Jahren sei es aber Ziel des Instituts, den Anteil der IB und der international ausgerichteten Forschung auszubauen.

Studierende, die diese Schwerpunktverlagerung kritisierten und auf die hohe Nachfrage nach Lehrveranstaltungen im Bereich Ideengeschichte hinwiesen, begegneten die ProfessorInnen mit zweifelhaften Argumenten. So wies Marianne Braig darauf hin, dass Theorien ja sowieso in allen Bereichen der Politikwissenschaft verwendet würden, was Hajo Funke bekräftigte, indem er Braig unterstellte, „auch Habermas gelesen“ zu haben. Barbara Riedmüller behauptete schlicht, es gebe keine geeigneten BewerberInnen für eine Ideengeschichtsprofessur. Kompromissbereit zeigte sich lediglich Verwaltungsleiter Detlef Brose, der sagte, eine reguläre Ideengeschichtsprofessur zusätzlich zu der beschlossenen Strukturänderung sei „bezahlbar“.

Allen Bedenken der Studierenden zum Trotz wurde der neue Strukturplan beschlossen, nachdem die Sitzungsleitung die Diskussion trotz weiterer Wortmeldungen abgebrochen hatte. Auch der Antrag der Studierenden, das Thema noch einmal ausführlich im Institutsrat zu behandeln, wurde abgelehnt. Es bestehe Zeitdruck, weil Chojnacki und Zürcher sonst nicht am OSI gehalten werden könnten.

Stattgegeben wurde lediglich einem Antrag der Studierenden, eine Kommission zu gründen, die die Zukunft des OSI-Strukturplans erarbeiten soll. Um die Besetzung und die Arbeitsweise dieser Kommission sowie das weitere Vorgehen zu besprechen, treffen sich alle interessierten Studierenden morgen (Donnerstag) um 12 Uhr vor dem Roten Café.

(Fabian)

OSI-Diplom vor dem Aus? Fragwürdige „Rettungsaktion“ durch den Fachbereichsrat

Die Zukunft des Diplomstudiengangs Politikwissenschaft ist weiterhin ungewiss. Nachdem bereits am Dienstag in der Kommission für Lehre bekannt geworden war, dass im kommenden Semester keine Studierenden für den Diplomstudiengang am OSI zugelassen werden sollen, lehnte heute der Fachbereichsrat PolSoz einen Gegenantrag von Studierenden ab. Diese hatten den Fachbereich aufgefordert, sich im Akademischen Senat, wo die Entscheidung über die Zulassungszahlen gefällt wird, für die Zulassung neuer Studierender auch im kommenden Semester einzusetzen.

Das Skurrile: Sowohl die Dekanin Barbara Riedmüller als auch der Geschäftsführende Direktor der OSI, Peter Massing, sprachen sich für den Erhalt des Diplomstudiengangs aus. Sie wollen ihren Beschluss, die Zulassungszahl für das kommende Semester auf Null zu senken, als Rettungsaktion für das Diplom verstanden sehen. Mehrfach verwies Riedmüller dabei auf politischen Druck seitens des Präsidium und der Landesregierung, den Diplomstudiengang abzuschaffen. Nur wenn man die Zulassung ein Semester lang aussetze und die Zeit nutze, um „neue empirische Daten“ über die Akzeptanz der Master-Studiengänge zu sammeln, könne man sich diesem Druck entgegenstellen und den Diplom-Studiengang im WiSe 09/10 wie gewohnt fortsetzen, so die Dekanin.

Unklar blieben allerdings die Vorteile dieses Plans, denn empirische Daten über die Akzeptanz der einzelnen Studiengänge gibt es zuhauf. So sollte aus den Bewerbungszahlen für den Diplom-Studiengang und aus der Zahl derer, die in den ersten vier Semestern ihres Studiums vom Bachelor- in den Diplomstudiengang wechseln, deutlich hervorgehen, dass die Nachfrage nach dem Diplom immer noch groß ist. Und selbst wenn die Erhebung weiterer Daten sinnvoll ist: Dies könnte ebenso gut geschehen, ohne die Zulassung auszusetzen.

Nahe liegt daher die Annahme, dass es mit dem Rettungseifer von Dekanat und Institutsleitung so weit nicht her ist. Die Aussetzung der Zulassungen für ein Jahr erscheint als geeignetes Mittel, Fakten für kommende Diskussionen über die Zukunft des Diploms am OSI zu schaffen.

Neben der Aussetzung der Zulassungen für den Diplomstudiengang verhandelte der Fachbereichsrat auch die Zukunft der im bisherigen Strukturplan vorgesehenen Ideengeschichtsprofessur. Diese soll nach Willen der Institutsleitung und nach Beschluss des Institutsrates zugunsten eines auf Sven Chojnacki maßgeschneiderten Lehrstuhls wegfallen und durch eine Juniorprofessur ersetzt werden. Die StudierendenvertreterInnen verhinderten diesen Beschluss mit einem Veto, das Thema wurde auf die nächste Sitzung des Fachbereichsrats vertagt. Mehr dazu bald an dieser Stelle.

Männertag und Hegemonie

(th) Am 1. Mai ist Männertag, er fällt traditionell mit Christi-Himmelfahrt zusammen, in diesem Jahr gesellt sich der Kampftag der Arbeiterklasse dazu. Wir sind gespannt, was uns erwartet. Finden die männlichen Werktätigen zu sich, entwickeln sie ein Klassenbewusstsein oder dürfen wir doch nur sexistische Übergriffe erwarten?
Fakt ist, dass der Männertag ein ungeheures Maß an Popularität genießt, dies erklärt der Bonner Kulturanthropologe Gunther Hirschfelder folgendermaßen: „Der Aufstieg des Vatertags fällt zusammen mit der Entstehung der Kneipenkultur, einem romantischen Naturbild und größerer Kaufkraft durch die Industrialisierung.“ Der Männertag als eine Antwort der Moderne auf die Industrialisierung, verbunden mit Naturkult und einer gastronomischen Revolution.
Klingt einleuchtend, hielt uns aber nicht davon ab, ihn aus einem gender-Blickwinkel zu analysieren, was liegt näher, wenn das Geschlecht schon im Namen steckt:
Der Männertag – bereits die Begrifflichkeit wird problematisch. Bezeichnungen gibt es viele – Männertag, Herrentag, Vatertag. Wem ist dieser Glückstag gewidmet, den Herren, den ordinären Männern, oder nur denjenigen, die schon etwas in ihrem Leben geleistet und ein Kind gezeugt haben? Ist der Männertag das maskuline Pendant zum Mutter- oder Frauentag? Geht es lediglich um Zeugungsakte oder um Emanzipation? Wir werden sehen, schauen wir uns die mythischen Riten an, die diesen Tag umgeben. Als erstes fällt auf, dass der Männertag regional sehr verschieden begangen wird. Im Westen handelt es sich vorwiegend um den Vatertag, spießige Familienausflüge stehen auf dem Programm. Im Osten hingegen, ist er durch und durch Herrentag. Ich kann leider nur von meinen eigenen Beobachtungen berichten, die ich jedes Jahr mache. Kolonnen von Männern, hauptsächlich im Alter zwischen 15 und 50 streifen durch die märkische Wildnis, schwer beladen mit allerlei alkoholischen Getränken, die sie in einem Boller- oder Einkaufswagen hinter sich herziehen, hört man sie schon von weitem. Mit Saufgesängen, Rumgegröle und Tröten kündigen sie sich an. Erst später erfuhr ich, dass es sich bei diesen archaischen Ritualen um „heidnische Flurbegehungen“ handelt, die tief in die dunkle Vergangenheit reichen. Es ginge darum jüngere Stammesgenossen in die Männerwelt zu entlassen. Heute stehen Zeremonien wie Rauchen, Trinken und, jetzt weniger verbeitet, das Besuchen von Bordellen im Vordergrund. In Gera ist es Brauch den Frauen, die mann trifft, Bier ins Gesicht zu spucken. Die Männer dürfen einmal richtet die Sau rauslassen.
Stammesgenossen werden jetzt in die raue Maennerwelt entlassen
Klar, warum auch nicht, möchten einige Menschen meinen. An einem Tag im Jahr darf sich der Mann ja schließlich mal gehen lassen. Es gibt aber bereits 363 Männertage im Jahr, an denen der Mann sich frei entfalten kann, die fette Kohle verdient, während die Frau das Erziehungsjahr ableistet, osteuropäische Zwangsprostituierte vergewaltigt, die eigene Frau „züchtigt“ oder einfach nur Normen aufstellt, die festlegen, was männlich ist.
Der Männertag zeigt par excellence, was Mann sein ist und wer sich des ehrenhaften Titels rühmen darf. Die hegemoniale Männlichkeit wird demaskiert. Die hegemoniale Männlichkeit ist die vorherrschende Männlichkeit, die Art von Männlichkeit, die zur verbindlichen Norm erklärt wird. Wer bestimmten Kriterien nicht entspricht, wird wahlweise als Schwächling, Brillenschlange, Schlappschwanz, Feigling, Streber oder Schwuchtel bezeichnet. Heterosexuelle, weiße, mächtige und erfolgreiche Männer verkörpern hingegen das Ideal. Diese Spezies verkauft sich an diesem Tag sehr gut. Sie aber schließt alternative Männlichkeitskonzepte systematisch aus, sie werden marginalisiert. Einen schwarzen Mann können wir uns sehr gut als Boxer vorstellen, doch die wenigsten als Manager bei BASF. Stellen wir uns vor, ein junger Mann outet sich am Männertag in einer Gruppe sturzbesoffener grölender Männer. Würden sie dann immer noch mit nacktem Oberkörper durch die Gegend laufen? Doch seien wir ehrlich, wieviel Männer erfüllen das Kriterium ‚mächtig‘ und ‚erfolgreich‘. In einer Gegend, in der die Arbeitslosigkeit grassiert, kommt die hegemoniale Männlichkeit ins Wanken. Kann ein Familienvater seiner Rolle als Ernährer nicht mehr gerecht werden, tritt dieser Widerspruch offen auf. Der Macht-Mann steht der subjektiven Machtlosigkeit fassungslos gegenüber, was in eine Form fragiler Männlichkeit mündet. Der Mann muss sich seiner Männlichkeit versichern. Vehikel dieser Demonstration der eigenen Männlichkeit kann übermäßiger Alkoholkonsum oder zunehmende Gewalt gegenüber Männern und Frauen sein. Gewalt ist also nicht nur Ausdruck der patriarchalen Herrschaft, sondern beweist zugleich ihre Krisentendenz.
Zurück zum Männertag: Die Polizei vermerkt, dass am Männertag die Zahl von Schlägereien signifikant steigt, die Häufigkeit alkoholbedingter Autounfälle verdreifacht sich. q.e.d. – hier finden wir eine Konsequenz der hegemonialen Männlichkeit Was kann man nun diesem Männertag entgegensetzen? Der Männertag sollte ähnlich dem Frauentag ein Tag der Emanzipation sein. Kein bourgeoiser Familienausflug, kein proletarisches Saufgelage, sondern der Versuch sich aus sozialen Korsetten zu befreien, sich Zwängen, die Männlichkeit festlegen, zu widersetzen. Klar, die meisten Männer sind absolut schwer in Ordnung, gestehen der Frau Erwerbsarbeit zu, sie helfen im Haushalt und haben ihre Gattin noch nie geschlagen, doch sie sind stille Profiteure des Patriarchats. Während Vergewaltiger, Filmschauspieler, Generäle und andere die patriarchale Front halten, gegen Feminismus wettern, das Feindbild der lila Latzhosentragenden Emanze mit Kastrationsängsten verbinden, genießen die ganz „normalen“ Männer die Früchte. Soziolog_innen bezeichnen dieses Phänomen als „Komplizenschaft“, um einen Teil der „patriarchalen Dividende“ zu ergattern.
Wir sollten uns darüber im Klaren werden, inwiefern wir die hegemoniale Männlichkeit stützen oder davon profitieren. Es ist Zeit sich von spätpubertären Pseudo-Steinzeit-Männlichkeitsentwürfen à la Mario Barth zu verabschieden und sich zu emanzipieren.

Start ins Protestsemester

Wie der Aktionstagsblog vermeldet, ist pünktlich zum Start des Protest-Sommersemesters 2008 eine neue Homepage online gegangen. Inhaltlich ist zwar noch wenig drauf, das wird sich aber vermutlich bald ändern.
A propos Protestsemester: Das OSI startet, zusammen mit den Publizistik- und KommunikationswissenschaftlerInnen, am 22.4. mit einer VV unserer beiden Institute in das Protestgeschehen.
Wann: Dienstag, 22.4., 12 – 14 Uhr
Wo: Voraussichtlich (sofern wir den Raum kriegen) im Hörsaal A des OEI, Garystraße 55.
Und weil’s so schön ist, noch das Plakat fürs Protestsemester: asfasfa

L o o k i s m – was „Schönheit“ mit Herrschaft zu tun hat

(th) Wenn wir an den Begriff „Herrschaft“ denken, dann assoziieren wir ihn oftmals mit unterdrückten Massen. Der Klassenwiderspruch fällt uns ein, vielleicht die Sklaverei oder andere Geißeln der Menschheit.
Die Wenigsten würden das Gesicht eines „hübschen“ Models mit Herrschaft in Verbindung bringen. Das ginge ja auch gar nicht, denn diejenigen, die herrschen sind immer böse und damit auch „hässlich“. Ob das nun der fette Kapitalist mit Zigarre, Zylinder, Hakennase, schwulstigen Lippen und fliehender Stirn ist oder Märchenfiguren wie die Pechmarie, die Hexe, die böse/hässliche Stiefmutter und Rumpelstielzchen.

Zwerge im Kampf gegen lookism

Die Einheit vom „Schönen“ und Guten, bzw. vom „Hässlichen“ und Bösen, die wir schon im Kleinkindalter lernen, steckt in uns drin und ist eine Brille, durch die wir andere Menschen beobachten und klassifizieren.
Lookism bezeichnet dieses Herrschaftsverhältnis, welches sich über das Äußere von Menschen konstituiert. Diese Herrschaftsverhältnis steht aber nicht für sich, sondern steht mit anderen in Zusammenhang, z.B. mit Sexismus, Rassismus, Ableism (Diskriminierung von Behinderten), Ageism (Diskriminierung nach dem Alter), Seizism (Diskriminierung von „dicken“ Menschen).
Diesem Herrschaftsverhältnis kann sich niemand entziehen. Jede_r ist Teil dessen, denn wir sind alle Profis, wenn es darum geht Menschen innerhalb von Millisekunden zu mustern und uns ein Bild von ihnen zu machen. Dieses Bild bleibt nicht folgenlos, denn ob es „schön“ oder „hässlich“ ist, entscheidet darüber, ob wir diesem Menschen begegnen (wollen), und wenn ja, wie. Lehrer_innen geben „hübschen“ Kindern bessere Noten, Arbeitgeber_innen ihren „gutaussehenden“ Angestellten im Schnitt 10% mehr Lohn, Richter_innen sind milder im Umgang mit „schönen“ Verbrecher_innen. Das heißt im Umkehrsschluss, dass „hässliche“ oder „durchschnittliche“ Menschen systematisch diskriminiert werden.
Schönheit ist ein knappes Gut und jede_r will es haben oder selbst sein. Deswegen gehen wir zum Friseur, rasieren uns, schminken uns, kaufen uns schöne Sachen, lassen uns Muskelimplantate einsetzen oder das Fett absaugen.
„Schönheitshandeln“ bezeichnet die Soziologin Nina Degele diese Tätigkeiten, die dazu geeignet sind den eigenen Marktwert zu erhöhen. Schönheitshandeln ist ein „Medium der Kommunikation, das der Inszenierung der eigenen Außenwirkung zum Zweck der Erlangung von Aufmerksamkeit und Sicherung der eigenen Identität dient. […] Schönheitshandeln ist ein Versuch zur Teilhabe an sozialer Macht.“ Daneben lässt sich der eigene Marktwert auch damit erhöhen, dass der_die Partner_in/die Menschen, die eine_n umgeben zumindest nicht „hässlicher“, besser aber „schöner“ ist/sind. Wer diese Qualitäten nicht hat, kann versuchen sein eigenes Geld in die Waagschale zu werfen und damit mangelnde „Schönheit“ zu kompensieren versuchen.
In gewisser Hinsicht wird das funktionieren, denn Schönheitshandeln kostet Geld. Es fängt bei Kleidung und Kosmetika an und gipfelt bei teuren Schönheitsoperationen.
Doch was heißt das „Hässliche“oder „Schöne“. Fehlende Gliedmaßen verfehlen die Norm aufs Schärfste, wer zu „dick“ ist, wird gehänselt. Unregelmäßigkeiten in der Symmetrie des eigenen Gesichts bringen das Etikett „hässlich“ mit sich. Jedes Kind weiß, dass Menschen, die so aussehen eben nicht „schön“ sind. Was aber hat es mit einem behaarten Bein auf sich? Ist ein behaartes Bein „schön“ oder „hässlich“. Bevor wir das feststellen können, steht die Frage nach dem Geschlecht, an dem das Bein hängt. Bei Männern sind haarige Beine in Ordnung, bei Frauen wird das gesellschaftlich geächtet. Schönheitsnormen sind also geschlechtsspezifisch, was wiederum ein Ausdruck von Heteronormativität ist. Frauen müssten Männern gefallen, und andersherum. Homosexualität wird vollkommen ausgeblendet, oder dient dazu Menschen, die nicht der Norm entsprechen zu stigmatisieren. Rasiert sich ein Mann Achseln und Beine, wird er als „Schwuchtel“ gebranntmarkt, Frauen mit behaarten Beinen als „Mannsweiber“.
Viel zu oft wird behauptet, dass Schönheitsnormen doch einen Zweck erfüllten und natürlich seien. Diese „Natürlichkeit“ hält einen Blick in die Menschheitsgeschichte auf die damals gängigen Schönheitsnormen nicht Stand. Im Barock galten „dicke“ Menschen als „schön“, heute werden sie nur noch bemitleidet. Blasse Haut galt im Mittelalter als Luxus und war somit „hübsch“. Wer es sich also leisten konnte nicht auf dem Feld arbeiten zu müssen und für dessen leibliches Wohl gesorgt war, der_die galt als die Norm. Wer heute das Geld hat auf gesunde Ernährung zu achten und wer sich Reisen in die Süden leisten kann, besitzt die Definitionsmacht über das, was als „schön“ gilt.
Im Weltmaßstab gilt europäisches Aussehen als das Maß aller Dinge. Schlanke weiße Körper sind das Ziel. Die Folgen sind nicht verwunderlich. Hautausbleichende Kosmetika und Augenlidoperationen haben in Asien Hochkonjunktur.
Schönheitsnormen haben also vielmehr sozioökonomische Hintergründe und sind sozial konstruiert. Die Rede von der „Natürlichkeit“ soll diesen Herrschaftsmechanismus unsichtbar und nicht angreifbar machen. Wir müssen diese Mechanismen aufdecken und benennen, aber auch selbstkritisch an die Thematik herangehen und unsere eigene Position in diesem System überdenken. Inwieweit tragen wir zu lookism bei?

Weitere Informationen: www.lookism.info

Kritisches zum Aktionstag

Heute fand der erste uniweite Aktionstag in diesem Semester statt. Gegen die Verschulung der Uni, Studiengebuehren, fuer eine demokratischere Universitaet, in der studentische Interessen wirklich beruecksichtigt werden, wir wissen, worum es geht. Es fing alles sehr lustig mit einer bunten Luftballonaktion an und endete meiner Meinung nach etwas befremdlich bei der Abschlussdemonstration.
Ich bin mir darueber im Klaren, dass solche Aktionen nur von einem breiten Buendnis getragen werden koennen, welches sich aus sehr verschiedenen Gruppen zusammensetzt. Dort gibt es dann viele Leute von FSIs, ein paar Autonome, Orthodoxe von Revolutionaeren Listen, andere Linke, etc. Der kleinste gemeinsame Nenner ist klar, Dieter Lenzen muesse irgendwie im Klo runtergespuelt und die Uni demokratisiert werden. Der Weg dorthin ist wieder ein anderer. Einige moechten das gerne Hand in Hand mit den deutschen Werktaetigen aus Bochum erreichen, welche, von einem schweren Schicksal getroffen, ihre Arbeitsplaetze verlieren, weil der boese raffgierige NOKIA-Konzern deutsche Wertarbeit an Rumaenien ausverkaufe. Der VV-Beschluss zu dieser eher peinlichen Solidaritaetserklaerung blieb zwar aus, was diverse Leute aber nicht darin hinderte das nationale Anliegen trotzdem in die Demonstration hineinzutragen. Universitaets- und Wissenschaftskritik kommt nicht ohne Kapitalismuskritik aus. Dass diese aber nicht regressiv und latent voelkisch sein sollte, ist leider aber kein Konsens unter den linken Studierenden an der FU.
Aehnlich wie die Kapitalismus- wurde auch die Universitaetskritik gepflegt. Personifizieung schien hier das Schlagwort zu sein, wenn das ganze Boese, Unmenschliche und der Leistungsdruck auf die Person Dieter Lenzen projiziert wird, wird die Kritik doch arg vereinfacht. Abstrakte Mechanismen, die Sachzwaenge entstehen lassen, weil das System sie erfordert, werden einer Person zugeschrieben, welche sie selbstverstaendlich auszufuehren hat. Kapitalismus kann kein moralisches Verhalten produzieren, weswegen es eigentlich sinnlos ist, sich ueber amoralisches zu echauffieren.
Die Demonstration selbst fand ich aeusserst seltsam, bisweilen auch etwas peinlich. Ich kann mir vorstellen, dass sie auf viele Studierende, die die ganze Sache beobachtet haben eher abschreckend wirkte. Ein Haufen zum Teil groelender Studierender, mit einem stellenweise sehr ausgepraegten Maennlichkeitsgehabe und Prolloverhalten, die dort ueber den Campus zogen, bestimmten das Bild. Militaristische Durchhalteparolen wie “Solidarisieren, Mitmarschieren!” droehnten aus der solid-Feuerwehr. Und dann zaehlten nicht wenige von 10 runter bis 0, um dann loszurennen. Dass das im Allgemeinen eigentlich nicht so cool ist, wie es scheinbar aussieht, beschrieb Jan Ploeger in der 3. Ausgabe der mondkalb:
“Bei der allgemein erreichten Geschwindigkeit konnte ich nicht mithalten. […] Naja, wenigstens bestand nicht die Gefahr, über den Haufen gerannt zu werden. Denn das ist oft genug der Fall, wenn von 3 bis 1 runtergezählt wird und plötzlich die gesamte Demo losläuft. Sollte ich mich da einmal nicht rechtzeitig retten können… Nicht nur, dass ich diese Situationen regelmäßig als äußerst bedrohlich empfinde. Die Frage ist doch auch, was mit diesem Verhalten ausgedrückt werden soll und wozu es dient. Der Vergewisserung der eigenen Fitness ungeachtet all der Personen, die nicht mitmachen können oder wollen? Schließlich bin ich mir durchaus im Klaren darüber, dass die ausgrenzende Wirkung nicht nur mich trifft.“
Viele Dinge, die wir bewusst oder unbewusst machen, widersprechen offensichtlich einem linken aufgeklaerten Selbstverstaendnis. Vielleicht bekommen wir es ja das naechste Mal hin regressiven Antikapitalismus, Macho-Gehabe und Ableism zu vermeiden.

Mathias

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