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Die schwierige Suche nach dem geeigneten Endpunkt

Mit der Chronologie der Ereignisse in der Ukraine – ob in Kiew, auf der Krim oder im Donbass – haben wir uns bereits in einem früheren Blogpost auseinandergesetzt. Nun möchten wir einen Blick auf die Relevanz der Thematik in der wissenschaftlichen Forschung werfen. Von wann bis wann spielte die Ukraine-Krise eine verstärkte Rolle in den Fachdebatten? Die Betrachtung der wissenschaftlichen Analyse soll uns, zusätzlich zu unserem Zeitstrahl der reinen Ereignisse, helfen, den Zeitraum abzustecken, den wir im Zuge unseres Forschungsprojekts betrachten.

Ein Startzeitpunkt für unsere Analyse lässt sich gut definieren. Die Verkettung der Ereignisse in der Ukraine begann mit dem sogenannten Euromaidan in Kiew, der durch die Nicht-Unterzeichnung des bereits ausgehandelten Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union am 21. November 2013 in Gang gesetzt wurde. Zuvor hatte sich die Ukraine der EU zunehmend angenähert, was sich beispielsweise in der Ausrichtung der Fußball-Europameisterschaft 2012 zusammen mit Polen zeigte. Das Assoziierungsabkommen schien die logische Konsequenz, sein Scheitern auf russischen Druck hin wurde als überraschend wahrgenommen und trieb vor allem junge Ukrainer:innen auf die Straße, die sich einer freieren Zukunft mit besseren Chancen und Möglichkeiten beraubt sahen.

Einen Schlusspunkt zu definieren erscheint ungleich schwieriger. Zunächst betrachten wir hierfür die Veröffentlichungen der Ukraine-Analysen. Die Ukraine-Analysen werden – wie auch die Länder-Analysen weiterer osteuropäischer Länder – seit 2006 von internationalen Fachwissenschaftler:innen herausgegeben. In Deutschland sind hierfür die Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen, das Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien, die Deutsche Gesellschaft für Osteuropakunde, das Deutsche Polen-Institut, das Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien und das Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung zuständig. Wann befand sich der Diskurs zur Ukraine auf dem Höhepunkt, wann flaute er wieder ab? Die Anzahl der Veröffentlichungen der Ukraine-Analysen kann hier möglicherweise Aufschluss geben:

2011: 14 Veröffentlichungen                 2012: 12                          

2013: 15                                                     2014: 18                          

2015: 18                                                     2016: 16

2017: 16                                                     2018: 17

2019: 17                                                     2020: 17

Zwar kam es bereits 2013 zu einer Zunahme der Veröffentlichungen und in den Jahren 2014 und 2015 gipfelten diese mit jeweils 18 Veröffentlichungen, ein deutliches Bild sieht jedoch anders aus. Gerade in den Folgejahren 2016 bis 2020 nahm die Anzahl der publizierten Ukraine-Analysen nur leicht ab. In Anbetracht der Tatsache, dass die Konflikte innerhalb des Landes sowie mit Russland, insbesondere in der Ostukraine, weiterhin andauern, ist dies nicht überraschend.

Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) berät, basierend auf der fundierten Forschung ihrer eigenen Mitarbeiter:innen, politische Entscheidungsträger:innen zu Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik sowie der internationalen Politik. Beraten werden in erster Linie der Bundestag und die Bundesregierung sowie für Deutschland wichtige internationale Organisationen wie die EU, die NATO und die Vereinten Nationen. Sucht man innerhalb der Publikationen der Stiftung nach dem Stichwort „Ukraine“, fällt ebenfalls ein Höchststand an Veröffentlichungen in den Jahren 2014 und 2015 auf:

2011: 43 Veröffentlichungen                 2012: 32

2013: 28                                                     2014: 115

2015: 113                                                  2016: 84

2017: 48                                                     2018: 56

2019: 53                                                     2020: 60

Gerade im Vergleich zu den Vorjahren 2012 und 2013 steigt die Anzahl an Veröffentlichungen in den folgenden beiden Jahren, in denen sich die Ukraine-Krise auf ihrem Höhepunkt befand, signifikant an. Ab 2016 nimmt sie langsam wieder ab, erreicht jedoch nie wieder das niedrige Level von vor den Eskalationen in dem osteuropäischen Land. Bei den Publikationen des Jahres 2015 lässt sich darüber hinaus ein höheres Aufkommen an Veröffentlichungen in der ersten Jahreshälfte (im Vergleich zur zweiten) erkennen. Eine Stichprobe hat allerdings gezeigt, dass in den Suchergebnissen auch Publikationen mit anderen Themenschwerpunkten mit aufgelistet werden. Für eine Konkretisierung der zeitlichen Eingrenzung unseres Forschungsprojekts können (und müssen) wir diese Erkenntnisse nun in einem nächsten Schritt mit den tatsächlichen Geschehnissen in der Ukraine abgleichen.

Insgesamt muss festgehalten werden, dass eine zeitliche Ab- und Eingrenzung anhand wissenschaftlicher Publikationen nicht so eindeutig möglich ist, wie wir uns dies vielleicht gewünscht hätten. Nicht nur sind die Anzahl und vor allem die Zeitpunkte von Veröffentlichungen von den Erscheinungsdaten der Zeitschriften oder anderen Publikationen abhängig, auch dauert der Krieg in der Ostukraine nun einmal immer noch an und das Land kommt weiterhin nicht zur Ruhe. Genau dasselbe lässt sich im Übrigen auch über Deutschlands Beziehungen zu Russland sagen. Auch diese scheinen seit Jahren nicht zur Entspannung zu kommen, und mit Blick auf die Vergiftung des Oppositionspolitikers und Bloggers Alexej Nawalny, dessen Festnahme nach seiner Rückkehr nach Russland (im Anschluss an seine Behandlung und Rehabilitation in Deutschland) sowie das harte Vorgehen gegen dessen protestierende Anhänger erscheinen sie so schlecht und belastet wie wahrscheinlich seit Beginn der Ukraine-Krise nicht mehr. Aus diesen beiden letztgenannten Aspekten lässt sich jedoch zumindest eine gewisse Relevanz unseres Forschungsthemas ableiten.

Referenzen

Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen: Ukraine-Analysen. Bremen. Online verfügbar unter https://www.laender-analysen.de/ukraine-analysen/

Stiftung Wissenschaft und Politik. Berlin. Online verfügbar unter https://www.swp-berlin.org/

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