Business Trip

Liebe Freunde,

dieses Wochenende (16.-17. April) habe ich wirklich etwas sehr denkwürdiges erlebt – und dabei 800 Kuai verdient. Ich bemühe mich, alles anschaulich und ausführlich zu schildern, obwohl es so viel war. Fangen wir also an.

Vor einer Woche schreibt mir Tomo eine SMS, ob ich am Wochenende Zeit hätte, um Geld zu verdienen auf einem sog. Anzug-Trip. Dabei handelt es sich um Veranstaltungen, zu denen man als Ausländer geht und fürs Nichtstun oder rumlaufen bezahlt wird. R. war zum Beispiel mal auf einer Seidenmesse und sollte dort eben rumlaufen, im Anzug, als Ausländer. Auch N. war mal in solch sonderbarer Mission unterwegs. Nun schrieb mir also Tomo. Ich dachte mir, eigentlich wollte ich ja nach Jingdezhen und mir das Porzellanmuseum anschauen, aber wegfahren und 800 Kuai ausgeben oder wegfahren und 800 Kuai verdienen? Fragen wir mal nach Details.

Doch auch Tomo wusste nicht so genau, was uns erwartet, wann es anfängt, wie lange es dauert und wo es ist. Nach und nach setzte sich aus einigen Puzzleteilen folgendes Bild zusammen: Wir müssten am Freitag gegen elf Uhr den Zug nach Hefei, Hauptstadt der Nachbarprovinz Anhui, nehmen, würden dort in eine andere Stadt fahren, abends mit hot girls Party machen, am nächsten Tag früh aufstehen und irgend etwas arbeiten, dann gegen Mittag nach Hause fahren. Etwas ängstlich, wie ich eben bin, machte ich mir vor allem um den Teil Sorgen, der die hot girls umfasste. Ich hatte partout keine Lust, so meine Vorstellung, mit leicht bekleideten Mädchen auf dem Schoß in chinesischen Diskos Würfelspielchen zu spielen… Ui ui ui!

So war ich also knapp davor, abzusagen, die Sache erschien mir doch zu schlüpfrig. Doch mit A. telefonierend entschied ich dann spontan, zuzusagen und mein Mut blieb nicht ungelohnt. Denn unser aller lieber F. konnte auch für unser Unterfangen gewonnen werden und so fühlte ich mich gleich erleichtert, einen bekannteren Freund an meiner Seite zu haben. Bevor es aber Freitag losging, mussten wir noch Foto und Maße einreichen, wozu wohl…?

10:37 Uhr, Schnellzug nach Hefei. Reisedauer: 1 Stunde, 9 Minuten. Das Skurrile an chinesischen Städten ist ja, dass eigentlich jeder Name eine Bedeutung hat. Hefei beispielsweise kann auch mit Zusammen Fett übersetzt werden. Dies war mir schon bewusst. Auch, dass es eine Stadt gibt, die Zehn Familien Marktflecken genannt wird. Aber als dann die Ansage kam, wir würden demnächst in Quanjiao, Gesamt Paprika Halt machen, war ich doch wieder überrascht.

Am Bahnhof angelangt wurden wir von unserem Kontaktmann abgeholt und es klärten sich gleich einige Dinge. Zum Beispiel, dass die Veranstaltung in Lu’an, einer unbedeutenden Stadt (rund 6 Millionen Einwohner) eine halbe Schnellzugstunde von Hefei entfernt stattfinden sollte, sie doch den ganzen Samstag beanspruchen würde und wir 700 RMB bekommen sollten.

Zunächst wurden wir aber zu den Büros der Event-Organisations-Firma gekarrt, in einer Art Gated Community in Hefei selbst. Kleine hässliche Plastikhäuschen im europäisch-amerikanischen Vorort-Style empfingen uns inklusive Bachlandschaft und Frau, die den Dreck aus derselben fischte.

Es wurde nun ein wenig verhandelt, wir erhielten unsere Kleidung – zwei Smokings aus dem Kostümverleih und vertrieben uns die Stunde, oder zwei bis zur gemeinsamen Busfahrt nach Lu’an. Nach und nach trudelten auch die anderen Promoterinnen auf, die seither unter der Bezeichnung hot girls liefen. Als dann Sack und Pack gepackt waren, fuhren wir, eingepfercht in chinesische Minibusse bei Technoremixen von allerelei schlechter Musik bei offenem Fenster auf der Autobahn nach Lu’an, gefühlte drei Stunden. Wie im Film, sag ich euch!

Jetzt stellte sich auch heraus, was wir machen sollten und wo und wieso: Bei der ganzen Sache handelte es sich um die Eröffnung der Ausstellungshalle für ein noch nicht gebautes Wohngebiet in Lu’an. Ein Palast mit großem Modell der zukünftigen Wohnsiedlung. Im Hintergrund Dreckberge und Kräne, die das alles errichten sollten. Doch selbst der Werbepalast war noch nicht fertig, so trafen wir auf eine Horde chinesischer Ameisen, die hier noch strichen, dort noch Brunnen installierten, hier eine Einfahrt von Hand (!!!) teerten und denselben von Hand (!!!) mit einem Holzhammer (!!!!!!) ebneten.

Zwischen all dem Dreck also wir und die hot girls. „Setzt euch mal da hin“. Vier, fünf Stunden warten. Dann Abendessen. Dann warten. Eine kleine Probe, wir zwei langen Kerls an der Tür, das sollten wir nämlich machen, während der ganzen Veranstaltung im Frack an der Tür stehen und nichts tun. Tomo hingegen musste die Eröffnungsrede halten (O-Ton: „…das Besondere an dieser Siedlung, die mich, diesen Ausländer, kommen ließ…“)

Die Müllkippe gleich nebenan. Allen Baumüll kurz und gut über die Mauer geworfen. Friedrich und ich wurden beim Anblick der rötlichen Verfärbung nicht den Verdacht los, dass es sich dabei nicht unbedingt um Chemikalien handeln könnte. Eine Leiche konnten wir jedoch nicht finden.

Der nächste Tag fing mit Frühstück, Frisur und Frack an. Frisch gepudert und zurechtgemacht begaben wir uns zum Schauplatz der Satire, der mittlerweile recht weit zurechtgemacht wurde. Die Brunnen funktionierten weitestgehend, fast alles war gestrichen und vieles hübsch herausgeputzt.

(Work in Progress)

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