Praktikum in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie: Ein Erfahrungsbericht

(Ein Beitrag von Anonym)

Für das dritte Fachsemester war das obligatorische Berufspraktikum vorgesehen. Die Möglichkeit im Rahmen des Studiums ein Praktikum zu absolvieren war ehrlich gesagt einer der Gründe, weswegen ich mich für den Bachelorstudiengang in Bildung- und Erziehungswissenschaft an der FU entschieden habe. Die Möglichkeit einen praktischen Einblick neben der theoretischen Grundlage zu bekommen, war mich sehr interessiert hat. Ich hatte schon seit ein paar Jahren den Gedanken, dass ich gerne eine Ausbildung zur Kinder- und Jugendpsychotherapeutin machen würde und meine Erfahrungen über das erste Studienjahr haben dies nur bestärkt. Das Berufspraktikum bot da die perfekte Gelegenheit, um meine theoretische Vorstellung vom Bereich der Kinder- und Jugendpsychotherapie erstmal in der Praxis zu erproben und Anhaltspunkte zu finden, ob das wirklich das richtige für mich ist.

Vor dem Gedanken nach Praktikumsstellen zu suchen, mich zu bewerben, geschweige den das Praktikum anzutreten hatte ich allerdings auch ordentlich Respekt. Ich habe gleich nach dem Abitur mit dem Studium begonnen und hatte nur ein kleines Praktikum von zwei Wochen in der 8ten Klasse gemacht. Meine berufliche Erfahrung war somit gleich Null und neben meinen Kommiliton*innen, die beispielsweise bereits eine Berufsausbildung, ein FSJ oder anderweitige berufliche Erfahrungen gesammelt hatten, fühlte ich mich unerfahren und jung und hatte kein großes Vertrauen überhaupt eine Stelle in dem Bereich zu bekommen, den ich mir wünschte.

Im Endeffekt habe ich mich dann am in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Ernst-von-Bergmann-Klinikums in Potsdam beworben und hatte das große Glück hier einen Praktikumsplatz zu bekommen. Ich wurde bei meinem Bewerbungsgespräch gefragt, ob ich mir auch vorstellen könnte länger als drei Monate (mit 400 Stunden der reguläre Zeitumfang des Berufspraktikums) da zu sein, da sie häufiger Praktikant*innen haben die nur 6 bis 12 Wochen da sind und hier die Erfahrungen gemacht haben, dass „man sie gerade eingearbeitet hat und sie gerade eine gute Unterstützung werden und schon sind sie wieder weg“. Deshalb boten sie mir ein Praktikum von 6 Monaten an, dass ich annahm, da ich mir dachte: „Je mehr Erfahrung, desto besser.“

An meinem ersten Tag wurde ich der Akut- und Jugendlichen-Station zugeteilt, wo ich auch bis auf ein paar Ausnahmen die gesamten 6 Monate war. Hier wurden 14 bis 18-jährige in einem geschlossenen psychotherapeutischen Angebot behandelt. Ich habe mich über diese Entscheidung am Anfang ziemlich gewundert. Ich hatte erwartet der Kinder- oder Intermediär-Station zugeteilt zu werden. Wie sollte ich mit meinen 19 Jahren denn bitte von jemandem, der kaum ein paar Jahre jünger ist als ich, als Autoritätsperson wahrgenommen werden?

Meine Hauptbetreuerin im Praktikum war eine Sozialarbeiterin und war gerade in der Anfangsphase eine große Unterstützung darin meine Rolle und meinen Handlungsspielraum (Was ist meine Aufgabe? Wie will ich von den Patient*innen gesehen werden?) aufzuarbeiten. Mit der Zeit habe ich mich dann zunehmend wohler gefühlt, konnte gut eine professionelle Dynamik mit den Patient*innen etablieren und habe sogar die Erfahrung gemacht, dass mein Alter teilweise auch ein Vorteil sein konnte, da mich bestimmte Jugendlichen eher als Vertrauensperson sahen. Für mein Berufspraktikum, wo häufig auch sehr sensible Thematiken behandelt wurden, war besonders ein Seminar, das ich im Rahmen des Moduls 6 besucht habe, eine große Hilfestellung. Hier haben wir Spannungsfelder behandelt und besonders das Wissen zum Spannungsfeld von „Nähe und Distanz“ konnte ich sehr gut auf meine aktuelle Situation übertragen. Emotionale Nähe aufbauen, damit Vertrauen entsteht und man besser unterstützen und Unterstützungsangebote angenommen werden, aber gleichzeitig die Distanz zu wahren, damit keine Grenzen überschritten werden und man in eine Abhängigkeit gerät. Diesen Grat zu wandern war nicht immer einfach und ich muss zugeben, dass ich natürlich im Laufe der 6 Monate ein paar Patient*innen hatte die mir – ob ich wollte oder nicht – ans Herz gewachsen sind und deren Therapieerfolge oder auch Misserfolge mich bewegt haben. Meine Anleiterin hatte mir diesbezüglich einen sehr guten Rat gegeben, auf den ich auch auf anderen Kontexten bezogen immer noch gerne stütze: „Am Ende kannst du nur alle Hilfestellungen geben und hoffen das sie angenommen werden. Die Patient*innen müssen selbst den Weg antreten und laufen. Das kannst nicht du für sie übernehmen. Und ob sie das tun oder nicht hat nichts mit dir oder der Wertigkeit deiner Hilfestellung zu tun.“

Im alltäglichen Arbeiten war ich direkt auf der Station und habe in den Tätigkeiten des Pflege- und Erziehungsdienstes unterstützt (z.B. Unterstützung bei der Reintegration in den Alltag, Dokumentation von Verhalten oder Planung von Aktivitäten). Ich konnte auch bei diversen Fachtherapien (z.B. Ergo-, Musik- oder Sporttherapie) sowie in der Klinikschule hospitieren. Ich war auch sehr froh, dass ich mich dazu entschieden hatte mein Praktikum über 6 Monate zu machen, da ich hierdurch einige Patient*innen von Anfang bis Ende ihres Aufenthaltes begleiten konnte und solche Entwicklungsschritte mitzubekommen wäre in drei Monaten glaube ich nicht möglich gewesen. Nach meinem Praktikum wurde mir eine studentische Aushilfsstelle angeboten und ich habe die Station noch für 1 Jahr neben dem Studium unterstützt.

Ich habe in dieser Zeit unglaublich viele wertvolle Erfahrungen für mich gemacht und konnte erste praktische Anhaltspunkte dafür bekommen, ob ich mir in diesem Bereich zu arbeiten wirklich vorstellen könnte. Für mich hat sich diese Frage zu diesem Zeitpunkt erst einmal mit einem „Ja“ beantworten lassen, ich kannte aber auch Kommiliton*innen von mir, bei denen das Berufspraktikum genau das Gegenteil bewirkt hat und das ist auch ok. Das Berufspraktikum ist dafür da Erfahrungen zu sammeln und ich würde euch allen raten es auch genau dafür zu nutzen. Und rauszufinden, dass eben genau dieses Feld nicht zu euch passt, ist eine ebenso wichtige Erfahrung. Fragt euch: Welcher Bereich hat mich schon immer interessiert? So lange es einen erziehungswissenschaftlichen Bezug hat, sollte das eigentlich nie ein Problem darstellen. Und habt keine Angst und traut euch! Ich bin sehr froh, dass ich mich getraut habe mein Praktikum in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu machen, obwohl ich dachte ich wäre zu jung und unerfahren. Denn wie soll man sonst Erfahrungen sammeln.

Viel Erfolg allen, die nach einem Praktikum suchen oder gerade eins antreten. Ihr schafft das!

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