Call for Papers der DGPuK-Tagung 2025 am 19. bis 21. März 2025 in Berlin

Öffentlichkeit(en) und ihre Werte

Ereignisse der letzten Jahre wie die Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und der Krieg im Nahen Osten sowie die globale Klimakrise haben die Dringlichkeit vor Augen geführt, sich über Werte wie Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit, Sicherheit, Solidarität und Wahrheit zu verständigen, sie auch in globaler Perspektive kritisch zu prüfen. Die DGPuK-Tagung 2025 ist dem Thema „Werte“ gewidmet, die das gesellschaftliche Zusammenleben und den öffentlichen Diskurs bestimmen. Öffentlichkeit und Medien spielen dabei eine doppelte Rolle: Sie sind Ort der Aushandlung von Werten und zugleich Ort ihrer Verwirklichung. Insbesondere mit der Digitalisierung haben sich allerdings Zweifel verstärkt, dass Öffentlichkeit und Medien diese Aufgaben im Sinne demokratischer Willensbildung erfüllen können: Desinformation und Hasskommentare, digitale Spaltung und Freiheitsbeschränkungen, Polarisierung und Diskriminierung – dies sind nur einige Phänomene, die zeigen, wie dringlich die Analyse von kommunikativen Aushandlungsprozessen gesellschaftlicher Werte ist. Transnationale und globale Kommunikationsflüsse fordern dabei die Vorstellung geteilter Werte heraus. Der Einsatz automatisierter Kommunikation und Künstlicher Intelligenz wirft neue Fragen der Zuschreibung von Verantwortung auf.

An diese Ausgangsbeobachtungen schließt eine Vielzahl von Fragen an, die auf der Tagung in drei Feldern behandelt werden sollen: (1) Welche Werte sind für Öffentlichkeit und Medien relevant? (2) Wie ändern sich ihre Aushandlung und Umsetzung unter digitalen Bedingungen? (3) Was kann die (Kommunikations-)Wissenschaft für die Analyse von Wertfragen und die Gestaltung der Kommunikationsverhältnisse leisten? Welche Werte treiben die Kommunikationswissenschaft selbst an?

(1) Welche Werte sind für Öffentlichkeit und Medien relevant?

In diesem Feld sind Beiträge erwünscht, die sich mit der Relevanz und/oder Strittigkeit ausgewählter Werte für die öffentliche Kommunikation befassen. Beiträge können bspw. mit empirischen, aber auch theoretisch-reflexiven Ansätzen die Spannungsverhältnisse zwischen Werten adressieren.

  • Wie lassen sich Werte theoretisch begründen, die für Öffentlichkeit und Medien relevant sind, z. B. durch normative Demokratie- und Öffentlichkeitstheorien oder aus Sicht der Medienethik? Wie lässt sich damit der öffentliche Auftrag (Public Value) der Medien präzisieren und prüfen, z. B. jener des öffentlich-rechtlichen Rundfunks?
  • Wie unterscheiden sich Werte verschiedener Gruppen innerhalb einer Gesellschaft und im interkulturellen Vergleich? Wie universell oder partikular sind Werte? Wie werden Grenzen des Tolerierbaren ausgehandelt und legitimiert?
  • Welche Faktoren begünstigen die Verwirklichung von Werten in der Öffentlichkeit, welche behindern sie? Wie tragen z. B. Regulierung, professionelle Selbstkontrolle und Medienkritik dazu bei?
  • Welche Spannungsverhältnisse bestehen zwischen Werten in der Öffentlichkeit, etwa zwischen Freiheit und Sicherheit oder zwischen Vielfalt und Relevanz? Wie werden Werte priorisiert?
  • Wie werden abstrakte Werte durch konkrete professionelle und rechtliche Normen operationalisiert, etwa im Journalismus, in der Organisations- oder Gesundheitskommunikation? Wo werden Werte für partikulare Interessen instrumentalisiert?
  • Welches subjektive Verständnis von Werten und Normen haben die an der öffentlichen Kommunikation Beteiligten? 
  • Welche Werte werden in öffentlichen Debatten betont? Welche historischen Veränderungen lassen sich dabei beobachten?
  • Wie kann die Aushandlung von Werten in Öffentlichkeit und Medien empirisch beobachtet und in welcher Weise der Grad ihrer Erfüllung gemessen werden? Welche Methoden und Indikatoren sind dafür geeignet?
  • Existiert ein Common Ground für die Aushandlung öffentlicher Wertkonflikte?
  • Wie werden Themen wertbezogen gerahmt? Wie konkurrieren Werte-Frames?

(2) Wie ändern sich Aushandlung und Umsetzung von Werten unter digitalen Bedingungen?

In digitalen Netzwerken löst die Teilhabe Vieler an öffentlicher Kommunikation normative Ansprüche an Partizipation ein. Zugleich werden neue Probleme sichtbar: Zivilität der Kommunikation, Ungleichheiten bei der Teilhabe, ökonomisch potente Plattformen sowie fehlerhafte und gefälschte Informationen.

In diesem Feld sind Einreichungen willkommen, die sich mit den Veränderungen der Debatten um Werte in digitalen Kommunikationsstrukturen befassen und diese untersuchen.

  • Wo bestehen Defizite bei der Werteverwirklichung in der digitalen Öffentlichkeit, z. B. beim Wert „Gleichheit“ („digitale Spaltung“)? Treffen gängige Diagnosen zu (z. B. Polarisierung)? Wie lassen sich Defizite wirksam beheben?
  • Wie wird die Bedeutung einzelner Werte (u.a. Wahrheit, Solidarität, Freiheit) in digitaler Kommunikation (bspw. im Kontext globaler Migration) herausgefordert?
  • Wie müssen unter den Bedingungen von digitalen Öffentlichkeiten Diskursräume gestaltet werden, in denen respektvoll und unter breiter Beteiligung aller Gruppen der Bevölkerung Themen von öffentlichem Interesse – besonders auch Wertkonflikte – verhandelt werden?
  • Wie beeinflussen Akteur:innen wie Influencer:innen und alternative Medien den Wertediskurs und die Werteverwirklichung? 
  • Wie verändern sich die Modi der öffentlichen Kommunikation auf digitalen Plattformen (z.B. Visualität, Affektivität, Kollaborativität), und welche Folgen hat das für die Aushandlung von Werten?
  • Können gemeinwohlorientierte Plattformen eine Alternative zu den derzeit dominanten Plattformen bieten, die ökonomischen Imperativen und/oder staatlichen Interessen folgen?
  • Wie muss sich Regulierung anpassen, um zielgenau und effektiv ihre Ziele zu erreichen? Welche Herausforderungen stellen sich bei transnational agierenden Akteuren?
  • Welche Formen der Selbstregulierung durch Nutzer:innen sind erfolgversprechend?
  • Wie müssen sich die traditionellen Intermediäre der Öffentlichkeit umorientieren? Wie findet der Journalismus seine neue Rolle als Kurator und Moderator? Wie lässt sich der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in die digitale Welt übersetzen?
  • Wem ist bei automatisierten Prozessen der Kommunikation (KI) Verantwortung zuzuschreiben? Wie wird dies öffentlich verhandelt? Wie lassen sich Werte algorithmisch umsetzen und wie lässt sich dies transparent machen?
  • Wie kann im Kleinen durch eine Netiquette der zivile Umgang in sozialen Medien verbessert werden?

(3) Was kann die (Kommunikations-)Wissenschaft für die Analyse von Wertfragen und die Gestaltung der Kommunikationsverhältnisse leisten? Welche Werte treiben die Kommunikationswissenschaft selbst an?

Von Wertfreiheitspostulat bis zur Standpunkttheorie reichen die Auffassungen in der Wissenschaft bezüglich ihres normativen Gehalts. Dies gilt es, auch für die Kommunikationswissenschaft genauer zu beleuchten. In diesem Feld werden Einreichungen begrüßt, die sich mit dem normativen Potenzial des Fachs auseinandersetzen.

  • Welchen Status haben Wertfragen in der Kommunikationswissenschaft? Wie normativ ist kommunikationswissenschaftliche Forschung? Sollten Forschende auf einen Wertstandpunkt verzichten – oder wäre dies unverantwortlich gegenüber der Gesellschaft?
  • Welchen Beitrag kann das Fach bei der Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart leisten? Wie geeignet sind dafür Konzepte wie „Transdisziplinarität“, „transformative Wissenschaft“, „Transfer-Wissen“, „Third Mission“ und „Public Engagement“?
  • Wie ist das Verhältnis zwischen (Kommunikations-)Wissenschaft und Gesellschaft zu bestimmen? Wo kann, will und soll die Kommunikationswissenschaft gesellschaftlich intervenieren? Wie entgeht das Fach einerseits einer Politisierung oder Instrumentalisierung durch gesellschaftliche Kräfte? Und wo liegen andererseits die Grenzen der wissenschaftlichen Einflussnahme auf die Politik („Expertokratie“)? Welche Rolle spielt dabei open science?
  • Welche Bedeutung hat Wahrheit als wissenschaftlicher Leitwert? Wo ist er für kommunikationswissenschaftliche Forschung leitend? Und wo nicht?  Wie wird er interpretiert und in der empirischen Forschung umgesetzt?
  • Wie kann sich die Kommunikationswissenschaft am öffentlichen Diskurs über wertbezogene Medienfragen beteiligen, z. B. bei Themen wie der Legitimationskrise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der Kritik am Journalismus („Lügenpresse“) oder Forderungen nach mehr Diversität? Wie kann das Fach Handlungsoptionen für eine bessere öffentliche Aushandlung von Werten aufzeigen und vermitteln? Wie sichtbar und erfolgreich ist das Fach in diesem Diskurs?