Kritisches zum Aktionstag

Heute fand der erste uniweite Aktionstag in diesem Semester statt. Gegen die Verschulung der Uni, Studiengebuehren, fuer eine demokratischere Universitaet, in der studentische Interessen wirklich beruecksichtigt werden, wir wissen, worum es geht. Es fing alles sehr lustig mit einer bunten Luftballonaktion an und endete meiner Meinung nach etwas befremdlich bei der Abschlussdemonstration.
Ich bin mir darueber im Klaren, dass solche Aktionen nur von einem breiten Buendnis getragen werden koennen, welches sich aus sehr verschiedenen Gruppen zusammensetzt. Dort gibt es dann viele Leute von FSIs, ein paar Autonome, Orthodoxe von Revolutionaeren Listen, andere Linke, etc. Der kleinste gemeinsame Nenner ist klar, Dieter Lenzen muesse irgendwie im Klo runtergespuelt und die Uni demokratisiert werden. Der Weg dorthin ist wieder ein anderer. Einige moechten das gerne Hand in Hand mit den deutschen Werktaetigen aus Bochum erreichen, welche, von einem schweren Schicksal getroffen, ihre Arbeitsplaetze verlieren, weil der boese raffgierige NOKIA-Konzern deutsche Wertarbeit an Rumaenien ausverkaufe. Der VV-Beschluss zu dieser eher peinlichen Solidaritaetserklaerung blieb zwar aus, was diverse Leute aber nicht darin hinderte das nationale Anliegen trotzdem in die Demonstration hineinzutragen. Universitaets- und Wissenschaftskritik kommt nicht ohne Kapitalismuskritik aus. Dass diese aber nicht regressiv und latent voelkisch sein sollte, ist leider aber kein Konsens unter den linken Studierenden an der FU.
Aehnlich wie die Kapitalismus- wurde auch die Universitaetskritik gepflegt. Personifizieung schien hier das Schlagwort zu sein, wenn das ganze Boese, Unmenschliche und der Leistungsdruck auf die Person Dieter Lenzen projiziert wird, wird die Kritik doch arg vereinfacht. Abstrakte Mechanismen, die Sachzwaenge entstehen lassen, weil das System sie erfordert, werden einer Person zugeschrieben, welche sie selbstverstaendlich auszufuehren hat. Kapitalismus kann kein moralisches Verhalten produzieren, weswegen es eigentlich sinnlos ist, sich ueber amoralisches zu echauffieren.
Die Demonstration selbst fand ich aeusserst seltsam, bisweilen auch etwas peinlich. Ich kann mir vorstellen, dass sie auf viele Studierende, die die ganze Sache beobachtet haben eher abschreckend wirkte. Ein Haufen zum Teil groelender Studierender, mit einem stellenweise sehr ausgepraegten Maennlichkeitsgehabe und Prolloverhalten, die dort ueber den Campus zogen, bestimmten das Bild. Militaristische Durchhalteparolen wie “Solidarisieren, Mitmarschieren!” droehnten aus der solid-Feuerwehr. Und dann zaehlten nicht wenige von 10 runter bis 0, um dann loszurennen. Dass das im Allgemeinen eigentlich nicht so cool ist, wie es scheinbar aussieht, beschrieb Jan Ploeger in der 3. Ausgabe der mondkalb:
“Bei der allgemein erreichten Geschwindigkeit konnte ich nicht mithalten. […] Naja, wenigstens bestand nicht die Gefahr, über den Haufen gerannt zu werden. Denn das ist oft genug der Fall, wenn von 3 bis 1 runtergezählt wird und plötzlich die gesamte Demo losläuft. Sollte ich mich da einmal nicht rechtzeitig retten können… Nicht nur, dass ich diese Situationen regelmäßig als äußerst bedrohlich empfinde. Die Frage ist doch auch, was mit diesem Verhalten ausgedrückt werden soll und wozu es dient. Der Vergewisserung der eigenen Fitness ungeachtet all der Personen, die nicht mitmachen können oder wollen? Schließlich bin ich mir durchaus im Klaren darüber, dass die ausgrenzende Wirkung nicht nur mich trifft.“
Viele Dinge, die wir bewusst oder unbewusst machen, widersprechen offensichtlich einem linken aufgeklaerten Selbstverstaendnis. Vielleicht bekommen wir es ja das naechste Mal hin regressiven Antikapitalismus, Macho-Gehabe und Ableism zu vermeiden.

Mathias