L o o k i s m – was „Schönheit“ mit Herrschaft zu tun hat

(th) Wenn wir an den Begriff „Herrschaft“ denken, dann assoziieren wir ihn oftmals mit unterdrückten Massen. Der Klassenwiderspruch fällt uns ein, vielleicht die Sklaverei oder andere Geißeln der Menschheit.
Die Wenigsten würden das Gesicht eines „hübschen“ Models mit Herrschaft in Verbindung bringen. Das ginge ja auch gar nicht, denn diejenigen, die herrschen sind immer böse und damit auch „hässlich“. Ob das nun der fette Kapitalist mit Zigarre, Zylinder, Hakennase, schwulstigen Lippen und fliehender Stirn ist oder Märchenfiguren wie die Pechmarie, die Hexe, die böse/hässliche Stiefmutter und Rumpelstielzchen.

Zwerge im Kampf gegen lookism

Die Einheit vom „Schönen“ und Guten, bzw. vom „Hässlichen“ und Bösen, die wir schon im Kleinkindalter lernen, steckt in uns drin und ist eine Brille, durch die wir andere Menschen beobachten und klassifizieren.
Lookism bezeichnet dieses Herrschaftsverhältnis, welches sich über das Äußere von Menschen konstituiert. Diese Herrschaftsverhältnis steht aber nicht für sich, sondern steht mit anderen in Zusammenhang, z.B. mit Sexismus, Rassismus, Ableism (Diskriminierung von Behinderten), Ageism (Diskriminierung nach dem Alter), Seizism (Diskriminierung von „dicken“ Menschen).
Diesem Herrschaftsverhältnis kann sich niemand entziehen. Jede_r ist Teil dessen, denn wir sind alle Profis, wenn es darum geht Menschen innerhalb von Millisekunden zu mustern und uns ein Bild von ihnen zu machen. Dieses Bild bleibt nicht folgenlos, denn ob es „schön“ oder „hässlich“ ist, entscheidet darüber, ob wir diesem Menschen begegnen (wollen), und wenn ja, wie. Lehrer_innen geben „hübschen“ Kindern bessere Noten, Arbeitgeber_innen ihren „gutaussehenden“ Angestellten im Schnitt 10% mehr Lohn, Richter_innen sind milder im Umgang mit „schönen“ Verbrecher_innen. Das heißt im Umkehrsschluss, dass „hässliche“ oder „durchschnittliche“ Menschen systematisch diskriminiert werden.
Schönheit ist ein knappes Gut und jede_r will es haben oder selbst sein. Deswegen gehen wir zum Friseur, rasieren uns, schminken uns, kaufen uns schöne Sachen, lassen uns Muskelimplantate einsetzen oder das Fett absaugen.
„Schönheitshandeln“ bezeichnet die Soziologin Nina Degele diese Tätigkeiten, die dazu geeignet sind den eigenen Marktwert zu erhöhen. Schönheitshandeln ist ein „Medium der Kommunikation, das der Inszenierung der eigenen Außenwirkung zum Zweck der Erlangung von Aufmerksamkeit und Sicherung der eigenen Identität dient. […] Schönheitshandeln ist ein Versuch zur Teilhabe an sozialer Macht.“ Daneben lässt sich der eigene Marktwert auch damit erhöhen, dass der_die Partner_in/die Menschen, die eine_n umgeben zumindest nicht „hässlicher“, besser aber „schöner“ ist/sind. Wer diese Qualitäten nicht hat, kann versuchen sein eigenes Geld in die Waagschale zu werfen und damit mangelnde „Schönheit“ zu kompensieren versuchen.
In gewisser Hinsicht wird das funktionieren, denn Schönheitshandeln kostet Geld. Es fängt bei Kleidung und Kosmetika an und gipfelt bei teuren Schönheitsoperationen.
Doch was heißt das „Hässliche“oder „Schöne“. Fehlende Gliedmaßen verfehlen die Norm aufs Schärfste, wer zu „dick“ ist, wird gehänselt. Unregelmäßigkeiten in der Symmetrie des eigenen Gesichts bringen das Etikett „hässlich“ mit sich. Jedes Kind weiß, dass Menschen, die so aussehen eben nicht „schön“ sind. Was aber hat es mit einem behaarten Bein auf sich? Ist ein behaartes Bein „schön“ oder „hässlich“. Bevor wir das feststellen können, steht die Frage nach dem Geschlecht, an dem das Bein hängt. Bei Männern sind haarige Beine in Ordnung, bei Frauen wird das gesellschaftlich geächtet. Schönheitsnormen sind also geschlechtsspezifisch, was wiederum ein Ausdruck von Heteronormativität ist. Frauen müssten Männern gefallen, und andersherum. Homosexualität wird vollkommen ausgeblendet, oder dient dazu Menschen, die nicht der Norm entsprechen zu stigmatisieren. Rasiert sich ein Mann Achseln und Beine, wird er als „Schwuchtel“ gebranntmarkt, Frauen mit behaarten Beinen als „Mannsweiber“.
Viel zu oft wird behauptet, dass Schönheitsnormen doch einen Zweck erfüllten und natürlich seien. Diese „Natürlichkeit“ hält einen Blick in die Menschheitsgeschichte auf die damals gängigen Schönheitsnormen nicht Stand. Im Barock galten „dicke“ Menschen als „schön“, heute werden sie nur noch bemitleidet. Blasse Haut galt im Mittelalter als Luxus und war somit „hübsch“. Wer es sich also leisten konnte nicht auf dem Feld arbeiten zu müssen und für dessen leibliches Wohl gesorgt war, der_die galt als die Norm. Wer heute das Geld hat auf gesunde Ernährung zu achten und wer sich Reisen in die Süden leisten kann, besitzt die Definitionsmacht über das, was als „schön“ gilt.
Im Weltmaßstab gilt europäisches Aussehen als das Maß aller Dinge. Schlanke weiße Körper sind das Ziel. Die Folgen sind nicht verwunderlich. Hautausbleichende Kosmetika und Augenlidoperationen haben in Asien Hochkonjunktur.
Schönheitsnormen haben also vielmehr sozioökonomische Hintergründe und sind sozial konstruiert. Die Rede von der „Natürlichkeit“ soll diesen Herrschaftsmechanismus unsichtbar und nicht angreifbar machen. Wir müssen diese Mechanismen aufdecken und benennen, aber auch selbstkritisch an die Thematik herangehen und unsere eigene Position in diesem System überdenken. Inwieweit tragen wir zu lookism bei?

Weitere Informationen: www.lookism.info