Männertag und Hegemonie

(th) Am 1. Mai ist Männertag, er fällt traditionell mit Christi-Himmelfahrt zusammen, in diesem Jahr gesellt sich der Kampftag der Arbeiterklasse dazu. Wir sind gespannt, was uns erwartet. Finden die männlichen Werktätigen zu sich, entwickeln sie ein Klassenbewusstsein oder dürfen wir doch nur sexistische Übergriffe erwarten?
Fakt ist, dass der Männertag ein ungeheures Maß an Popularität genießt, dies erklärt der Bonner Kulturanthropologe Gunther Hirschfelder folgendermaßen: „Der Aufstieg des Vatertags fällt zusammen mit der Entstehung der Kneipenkultur, einem romantischen Naturbild und größerer Kaufkraft durch die Industrialisierung.“ Der Männertag als eine Antwort der Moderne auf die Industrialisierung, verbunden mit Naturkult und einer gastronomischen Revolution.
Klingt einleuchtend, hielt uns aber nicht davon ab, ihn aus einem gender-Blickwinkel zu analysieren, was liegt näher, wenn das Geschlecht schon im Namen steckt:
Der Männertag – bereits die Begrifflichkeit wird problematisch. Bezeichnungen gibt es viele – Männertag, Herrentag, Vatertag. Wem ist dieser Glückstag gewidmet, den Herren, den ordinären Männern, oder nur denjenigen, die schon etwas in ihrem Leben geleistet und ein Kind gezeugt haben? Ist der Männertag das maskuline Pendant zum Mutter- oder Frauentag? Geht es lediglich um Zeugungsakte oder um Emanzipation? Wir werden sehen, schauen wir uns die mythischen Riten an, die diesen Tag umgeben. Als erstes fällt auf, dass der Männertag regional sehr verschieden begangen wird. Im Westen handelt es sich vorwiegend um den Vatertag, spießige Familienausflüge stehen auf dem Programm. Im Osten hingegen, ist er durch und durch Herrentag. Ich kann leider nur von meinen eigenen Beobachtungen berichten, die ich jedes Jahr mache. Kolonnen von Männern, hauptsächlich im Alter zwischen 15 und 50 streifen durch die märkische Wildnis, schwer beladen mit allerlei alkoholischen Getränken, die sie in einem Boller- oder Einkaufswagen hinter sich herziehen, hört man sie schon von weitem. Mit Saufgesängen, Rumgegröle und Tröten kündigen sie sich an. Erst später erfuhr ich, dass es sich bei diesen archaischen Ritualen um „heidnische Flurbegehungen“ handelt, die tief in die dunkle Vergangenheit reichen. Es ginge darum jüngere Stammesgenossen in die Männerwelt zu entlassen. Heute stehen Zeremonien wie Rauchen, Trinken und, jetzt weniger verbeitet, das Besuchen von Bordellen im Vordergrund. In Gera ist es Brauch den Frauen, die mann trifft, Bier ins Gesicht zu spucken. Die Männer dürfen einmal richtet die Sau rauslassen.
Stammesgenossen werden jetzt in die raue Maennerwelt entlassen
Klar, warum auch nicht, möchten einige Menschen meinen. An einem Tag im Jahr darf sich der Mann ja schließlich mal gehen lassen. Es gibt aber bereits 363 Männertage im Jahr, an denen der Mann sich frei entfalten kann, die fette Kohle verdient, während die Frau das Erziehungsjahr ableistet, osteuropäische Zwangsprostituierte vergewaltigt, die eigene Frau „züchtigt“ oder einfach nur Normen aufstellt, die festlegen, was männlich ist.
Der Männertag zeigt par excellence, was Mann sein ist und wer sich des ehrenhaften Titels rühmen darf. Die hegemoniale Männlichkeit wird demaskiert. Die hegemoniale Männlichkeit ist die vorherrschende Männlichkeit, die Art von Männlichkeit, die zur verbindlichen Norm erklärt wird. Wer bestimmten Kriterien nicht entspricht, wird wahlweise als Schwächling, Brillenschlange, Schlappschwanz, Feigling, Streber oder Schwuchtel bezeichnet. Heterosexuelle, weiße, mächtige und erfolgreiche Männer verkörpern hingegen das Ideal. Diese Spezies verkauft sich an diesem Tag sehr gut. Sie aber schließt alternative Männlichkeitskonzepte systematisch aus, sie werden marginalisiert. Einen schwarzen Mann können wir uns sehr gut als Boxer vorstellen, doch die wenigsten als Manager bei BASF. Stellen wir uns vor, ein junger Mann outet sich am Männertag in einer Gruppe sturzbesoffener grölender Männer. Würden sie dann immer noch mit nacktem Oberkörper durch die Gegend laufen? Doch seien wir ehrlich, wieviel Männer erfüllen das Kriterium ‚mächtig‘ und ‚erfolgreich‘. In einer Gegend, in der die Arbeitslosigkeit grassiert, kommt die hegemoniale Männlichkeit ins Wanken. Kann ein Familienvater seiner Rolle als Ernährer nicht mehr gerecht werden, tritt dieser Widerspruch offen auf. Der Macht-Mann steht der subjektiven Machtlosigkeit fassungslos gegenüber, was in eine Form fragiler Männlichkeit mündet. Der Mann muss sich seiner Männlichkeit versichern. Vehikel dieser Demonstration der eigenen Männlichkeit kann übermäßiger Alkoholkonsum oder zunehmende Gewalt gegenüber Männern und Frauen sein. Gewalt ist also nicht nur Ausdruck der patriarchalen Herrschaft, sondern beweist zugleich ihre Krisentendenz.
Zurück zum Männertag: Die Polizei vermerkt, dass am Männertag die Zahl von Schlägereien signifikant steigt, die Häufigkeit alkoholbedingter Autounfälle verdreifacht sich. q.e.d. – hier finden wir eine Konsequenz der hegemonialen Männlichkeit Was kann man nun diesem Männertag entgegensetzen? Der Männertag sollte ähnlich dem Frauentag ein Tag der Emanzipation sein. Kein bourgeoiser Familienausflug, kein proletarisches Saufgelage, sondern der Versuch sich aus sozialen Korsetten zu befreien, sich Zwängen, die Männlichkeit festlegen, zu widersetzen. Klar, die meisten Männer sind absolut schwer in Ordnung, gestehen der Frau Erwerbsarbeit zu, sie helfen im Haushalt und haben ihre Gattin noch nie geschlagen, doch sie sind stille Profiteure des Patriarchats. Während Vergewaltiger, Filmschauspieler, Generäle und andere die patriarchale Front halten, gegen Feminismus wettern, das Feindbild der lila Latzhosentragenden Emanze mit Kastrationsängsten verbinden, genießen die ganz „normalen“ Männer die Früchte. Soziolog_innen bezeichnen dieses Phänomen als „Komplizenschaft“, um einen Teil der „patriarchalen Dividende“ zu ergattern.
Wir sollten uns darüber im Klaren werden, inwiefern wir die hegemoniale Männlichkeit stützen oder davon profitieren. Es ist Zeit sich von spätpubertären Pseudo-Steinzeit-Männlichkeitsentwürfen à la Mario Barth zu verabschieden und sich zu emanzipieren.

Kleiner Leitfaden für Anwesenheitslisten

Pünktlich zum Start des neuen Semesters taucht leider auch wieder ein Problem auf, das zwischenzeitlich fast schon für erledigt gehalten wurde: das Führen von Anwesenheitslisten in Seminaren und Vorlesungen.

Worum geht es?

Seit der Einführung des Bachelor- bzw. des sog. modularisierten Diplomstudiengangs müssen die Studierenden in ihren Veranstaltungen die „aktive und regelmäßige“ Teilnahme nachweisen. Ersteres bedeutet meistens, ein (kurzes) Referat halten oder ein Protokoll schreiben zu müssen; für letzteres gilt die Regelung, dass die/der Studierende in 85% der Sitzungen da gewesen sein muss, das entspricht bei einer Veranstaltung mit zwei Semesterwochenstunden etwa zwei unentschuldigten Abwesenheiten pro Semester. Zur Kontrolle greifen die DozentInnen mittlerweile auch am OSI immer mehr zu Anwesenheitslisten.

Wo liegt das Problem?

Anwesenheitslisten stellen in unseren Augen eine Entmündigung der Studierenden dar. Uns wird unterstellt, dass wir nicht aus Interesse, sondern zum „Scheine abgreifen“ Seminare besuchen. Das, was gemeinhin als die „intrinsische Motivation“ von Studierenden bezeichnet wird, also dass wir studieren, um etwas zu lernen, um wissenschaftlich zu arbeiten, um unseren Horizont zu erweitern, wird uns abgesprochen. Stattdessen wird ein Zwang aufgebaut, der die Motivation zum Besuch von Veranstaltungen verschiebt: Weg vom Interesse an den angebotenen Themen, hin zum simplen Leisten einer Unterschrift, um den benötigten Eintrag im Campus Management zu erhalten. Es ist nicht das Problem der „ehrlichen“ Studierenden, wenn einE KommilitonIn, die/der ein paarmal weniger im Seminar war, den selben Schein erhält – haben nicht vielmehr diejenigen einen Nachteil, die das Seminar ohne zusätzliche Erkenntnisse verlassen? Auch den DozentInnen entsteht kein Nachteil: wer hält schon gerne eine Vorlesung, in der die Hälfte der HörerInnen nur wegen einer simplen Unterschrift anwesend ist und sich die erzwungene Zeit im Hörsaal mit Zeitung lesen oder noch störenderen Aktivitäten vertreibt? Noch viel grundsätzlicher sehen wir Anwesenheitslisten aber auch als einen Ausdruck der zunehmenden Verschulung der Studiengänge und der Kontrolle der Studierenden. Wir sollen nicht mehr selbstbestimmt und interessengeleitet studieren dürfen, sondern möglichst zielgerichtet festgelegte Pflichtveranstaltungen absitzen. Anwesenheitslisten, aber auch andere Formen der Kontrolle, wie „Teilnahmescheinklausuren“, willkürliches Abfragen einzelner Studierender und dergleichen erinnern denn auch mehr an die Mittelstufe eines Provinzgymnasiums als an eine Universität. Schnell beginnt daher, gerade bei langweiligen Veranstaltungen, das unwürdige Versteckspiel mit dämlichen Ausreden und gefälschten Unterschriften. Nochmal: Wir sind hier, weil wir es so WOLLEN – wohl so ziemlich jedeR hat sich bewusst für ein bzw. dieses Studium entschieden – uns diesen Willen abzusprechen, ist bei näherer Betrachtung fast schon eine Unverschämtheit.

Was tun?

Am OSI war mensch sich dieser Problematik schon lange mehr bewusst als an anderen Instituten. Vor seiner Emeritierung schickte denn auch Prof. Dr. Bodo Zeuner einen Brief an die DozentInnen des Instituts, in dem er diese zum Verzicht auf das Führen von Anwesenheitslisten aufforderte. Leider ist das schon einige Zeit her, mit der hohen Fluktuation an Lehrbeauftragten und dem anscheinend schlechten Gedächtnis an einigen Lehrstühlen steigt daher die Zahl der Seminare, in denen Anwesenheitslisten geführt werden, wieder.
Wichtig ist es daher stets, eine Diskussion anzufangen: Thematisiert die Listen! Verhindert, dass sie einfach so hingenommen werden! Einige DozentInnen werden überrascht sein, andere werden sich auf die Studienordnungen berufen und mit den „Vorteilen“ für diejenigen, die häufig fehlen, argumentieren, einige wenige werden euch zustimmen (wobei die meistens von Anfang an keine Listen führen). Lasst auf jeden Fall nicht nach, bringt das Thema immer wieder zur Sprache und fordert im Zweifelsfall eine Abstimmung unter den SeminarteilnehmerInnen, ob diese eine Anwesenheitsliste wünschen oder nicht. Für den Fall, dass andere Kontrollen der Teilnahme vorgesehen sind, etwa spontane Abfragen zufällig ausgewählter Personen, zeigt euch solidarisch – beantwortet die gestellte(n) Frage(n) gemeinsam, oder sprecht ab dass niemand sie beantwortet. Sollten alle Stricke reißen, die Dozentin oder der Dozent sich gänzlich uneinsichtig zeigen, so hat die Vergangenheit gezeigt dass so eine kleine, auf sich gestellte Liste schnell mal „verloren“ geht…

In diesem Sinne: Für ein freies und selbstbestimmtes Studium!

Start ins Protestsemester

Wie der Aktionstagsblog vermeldet, ist pünktlich zum Start des Protest-Sommersemesters 2008 eine neue Homepage online gegangen. Inhaltlich ist zwar noch wenig drauf, das wird sich aber vermutlich bald ändern.
A propos Protestsemester: Das OSI startet, zusammen mit den Publizistik- und KommunikationswissenschaftlerInnen, am 22.4. mit einer VV unserer beiden Institute in das Protestgeschehen.
Wann: Dienstag, 22.4., 12 – 14 Uhr
Wo: Voraussichtlich (sofern wir den Raum kriegen) im Hörsaal A des OEI, Garystraße 55.
Und weil’s so schön ist, noch das Plakat fürs Protestsemester: asfasfa