Streit um die Methodenprofessur – eine Stellungnahme der FSI * OSI

Das Verfahren um eine Ausschreibung bzw. eine Verstetigung der Methodenprofessur am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der FU Berlin sorgt im Moment für Kontroversen sowohl unter Studierenden als auch im Fachbereichsrat (FBR). Daher wollen auch wir uns nochmal klar und deutlich zu diesem Thema äußern und uns der Kritik, die vor allem seitens der Liberalen Hochschulgruppe (LHG) an uns geübt wurde, stellen.

In einem Blog-Eintrag vom zweiten Dezember, auf den wir uns im Folgenden beziehen werden, hat die LHG mehrmals das Verhalten sowohl der FSI OSI als auch anderer studentisch aktiver Gruppen wie den Jusos im FBR angegriffen und uns unter anderem boykottierendes Verhalten und unkonstruktives Vorgehen vorgeworfen. Hierzu wollen wir folgende Punkte noch einmal betonen:

1) Es liegt fernab unseres Interesses und unseres Selbstverständnisses demokratische und transparente Meinungsfindungsprozesse am OSI zu blockieren. Im Fall der Verstetigung der Methodenprofessur Herrn Prof. Dr. Ohrs finden wir es allerdings höchst bedenklich, dass – wie schon so oft in der Vergangenheit – kein ordentliches Berufungsverfahren stattfindet, sondern die Professor_innen ihre Stimmenmehrheit im FBR nutzen, um mehr oder weniger über die Köpfe studentischer Vertreter_innen hinweg zu entscheiden. Deshalb, und nur deshalb haben wir uns geweigert in der derzeit bestehenden Kommission mitzuarbeiten. Wäre ein ordentliches Berufungsverfahren, das laut Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) in solchen Fällen vorgesehen ist, zustande gekommen, wäre auch die FSI OSI gerne bereit gewesen konstruktiv und in Zusammenarbeit mit allen anderen Hochschulgruppen an einer für alle befriedigenden Lösung mitzuwirken.

2) Wir wollen hierbei auch noch einmal betonen, dass wir eine dauerhafte und entfristete Methodenprofessur voll unterstützen und unsere Kritik sich keineswegs gegen die Person Herrn Ohrs richtet, sondern – wie oben geschildert – gegen intransparente und professoral ausgeklüngelte Verfahren, die scheinbar zur Gewohnheit am Fachbereich zu werden drohen. Die Entristung von Prof. Ohr wäre eine weitere Umwandlung einer befristeten in eine Dauerstelle am OSI; schon seit Jahren wurde keine einzige volle Stelle am OSI mehr nach einem ordentlichen Berufungsverfahren vergeben. Dabei sind Stellenvergaben ohne öffentliche Ausschreibung nach Berliner Hochschulgesetz nur in Ausnahmefällen vorgesehen.

3) Es kann somit nicht „von einem Schlag ins Gesicht“ (Blogeintrag LHG) Herrn Ohrs die Rede sein, wenn wir die Einsetzung einer Berufungskommission fordern. Vielmehr sollte es unser aller Interesse sein eine Verstetigung der Methodenprofessur unter wenigstens formal demokratischen Verhältnissen zu erlangen, um nicht nur eine ausreichende Legitimierung dieser Stelle zu gewährleisten, sondern auch möglichen Kläger_innen gegen ein eigentlich nur in Ausnahmefällen vorgesehenes Entfristungsverfahren von vorne herein den Wind aus den Segeln zu nehmen. Gerade auf Grund der grundsätzlichen Zustimmung zur Person Herrn Ohrs sowohl von professoraler als auch von studentischer Seite wäre ein ordentliches Berufungsverfahren bei guter Zusammenarbeit sicherlich schneller abzuwickeln als das bei anderen umstritteneren Besetzungen von Lehrstühlen der Fall war, sodass einer zügigen Durchführung nichts im Wege stünde.

4) Mit der Möglichkeit der Schaffung einer Methodenprofessur für den ganzen Fachbereich, die zur Hälfte am OSI, zur anderen Hälfte bei der Soziologie und der Publizistik angesiedelt sein soll, beschäftigen sich Instituts- und Fachbereichsrat seit Beginn der Vorlesungszeit im Wintersemester 2010/11. Die studentischen Vertreter_innen der FSI OSI haben diesen Prozess kontinuierlich begleitet und versucht, mit den oben genannten Argumenten, eine öffentliche Ausschreibung und die Einrichtung einer ordentlichen Berufungskommission zu erreichen. Dies geschah in engem Austausch mit der Frauenbeauftragten des Fachbereichs und der Juso-Hochschulgruppe. Die LHG hat sich an diesem wochen- und monatelangem Prozess zu keiner Zeit beteiligt und nicht einmal ihren Sitz im FBR wahrgenommen. Die Entscheidung, sich nicht an einer Entfristungskommission zu beteiligen, erfolgte nachdem alle anderen Möglichkeiten einer konstruktiven Einflussnahme erschöpft waren.

5) Von einem Schlag ins Gesicht – allerdings in das der Studierenden – muss demnach die Rede sein, wenn man sich das Vorgehen der LHG im Fachbereichsrat (FBR) vor Augen führt. So wie es sich im Moment darstellt, wurden zwei studentische Vertreter_innen der LHG in die derzeitige Kommission gewählt, wobei alle Statusgruppen (Profs, Wimis, Somis, Studis) an dieser Abstimmung teilnahmen. Die beiden studentischen Vertreter_innen im FBR verweigerten den von der LHG präsentierten Kandidat_innen ihre Stimme. Letztendlich wurde damit die studentische Vertretung in der Entfristungskommission nicht von den Studierendenvertreter_innen gewählt, sondern von der professoralen Mehrheit.
Unserer Meinung nach ist dies rechtlich nicht mit den Statuten und den üblichen Abstimmungsvorgehen in Gremien vereinbar. Dieses sieht nämlich vor, dass nur Angehörige der jeweiligen Statusgruppe – in diesem Fall also Studierende – per Abstimmung über die Entsendung eines Kommissionsmitgliedes entscheiden können.

Wir hoffen, dass diese Worte nochmals zur Klärung verschiedener Missverständnisse und Unklarheiten beitragen konnte. Das Vorgehen der Professor_innen im Fachbereichsrat und die Nominierung der studentischen Vertreter_innen lassen wir derzeit vom Rechtsamt der FU überprüfen: immerhin geht es hier um Grundsätzliches. Das komplette Prinzip der Gruppenuniversität wird ad absurdum geführt, wenn die professorale Mehrheit über die Vertreter_innen der anderen Statusgruppen entscheiden darf – die Versuchung, unkritische oder gar von Professor_innen abhängige Personen in Kommissionen wählen zu lassen, könnte so schnell sehr groß werden. Es geht hier nicht um einen banalen Streit zwischen sich politisch gegenüberstehenden Studi-Gruppen, sondern um die Frage, wie viele unserer ohnehin stark eingeschränkten demokratischen Rechte wir uns an der Uni noch nehmen lassen.

FSI*OSI, 9.12.2010

Bericht aus der heutigen Sitzung des Institutsrats

In winterlicher Atmosphäre – inklusive Schneetreiben – tagte heute der Institutsrat (IR) des OSI. Ein letztes Mal vor den Weihnachtsferien und, je nachdem wann die erste, konstituierende Sitzung nach den Wahlen stattfindet, auch eines der letzten Male in der Besetzung der letzten zwei Jahre. Den Vorsitz führte ein weiteres Mal Prof. Ladwig in Vertretung, wobei das Gerücht ohnehin bereits umgeht, dass Ladwig auch der nächste geschäftsführende Direktor (gD) des OSI sein könnte.
Doch genug der nostalgischen Rückschau, des Vorweihnachts-Blues und der Spekulationen! Die heutige Sitzung war, wenn auch nicht besonders kontrovers, so doch immerhin aufschlussreich: so wurde etwa bekannt, dass das OSI in diesem Jahr mit einem Haushaltsüberschuss in den Jahreswechsel geht – ein Umstand, an den sich zumindest der Verfasser dieser Zeilen in seiner bisherigen IR-Besuchszeit nicht erinnern kann. Des weiteren erhält Sabine von Oppeln den mit immerhin 3000,- Euro dotierten 3. Preis des DAAD für die Ausgestaltung des deutsch-französischen Doppelmasters am OSI und der Pariser Sciences Po. Wir gratulieren selbstverständlich.
Des weiteren wurde im IR angekündigt, dass der nächste Institutstag am OSI – so es denn einen gibt – anders organisiert werden soll, mit größerer Beteiligung anderer Statusgruppen.

Verwaltungsaufwand vs. Optionenvielfalt – der „Normaldurchgang“ des Diploms soll abgeschafft werden

Im ersten größeren inhaltlichen Tagesordnungspunkt ging es um die vom Prüfungsausschuss beschlossene Abschaffung des so genannten „Normaldurchgangs“ im Diplomprüfungsverfahren. Dafür hatte sich extra Fr. Stelter vom Prüfungsbüro und -ausschuss in die Sitzung begeben, um dem Gremium Rede und Antwort zu stehen.

Vielleicht kurz zur Erläuterung: der Normaldurchgang des Diplomprüfungsverfahren lässt den Prüfungsaspirant_innen derzeit etwas mehr als 12 Monate Zeit zwischen Anmeldung und mündlicher Abschlussprüfung. Bei einer Anmeldung im Sommersemester (ca. Mitte Mai) wird die mündliche Prüfung also im Juni des Folgejahres abgelegt, die schriftliche Arbeit muss nach vier Monaten bis Mitte Februar fertig sein. Darüber hinaus gibt es noch den „kurzen“ Durchgang: meldet mensch sich hier beispielsweise im Wintersemester an (Mitte November), hat mensch anschließend ebenfalls vier Monate Zeit, die Diplomarbeit zu schreiben (bis Ende März). Die Vorbereitungszeit für die mündliche Prüfung beträgt dann nurmehr gut zwei Monate, so dass diese ebenfalls im Juni abgelegt wird.

Fr. Stelter referierte nun, dass mittlerweile ohnehin eine Mehrheit der Studierenden den kurzen Durchgang wählt (Zitat: „mindestens 60% machen das“), und dass darüber hinaus viele von denen, die sich für den Normaldurchgang anmelden, diesen vor der Verteilung der Diplomarbeitsthemen (= Beginn der Bearbeitungszeit) wieder abbrechen, nur um sich etwas später doch noch zum kurzen Durchgang anzumelden. Diese Vorgehensweise belaste das Prüfungsbüro mit unnötigem Verwaltungsaufwand. Im letzten Diplomverfahren hätten demnach wohl nur 10% der Studierenden nach dem Normaldurchgang ihre Prüfung abgelegt. Da die Zeit zwischen Anmeldung und Themenvergabe im langen Durchgang hauptsächlich für vorbereitende Arbeitenden genutzt wird – etwa um Scheine aufzutreiben und nachzureichen, ein Prüfungsthema einzureichen, sich um Praktikumsscheine o.ä. zu kümmern – sei dafür keine formale Anmeldung nötig. Daher sei auch, so Stelter weiter, der Kurzdurchgang ausreichend.

Zur darauf folgenden Diskussion muss gesagt werden, dass die Entscheidung des Prüfungsausschusses ohnehin bereits feststand, und der Institutsrat allenfalls Empfehlungen in Richtung dieses Gremiums aussprechen kann. Die Studierendenvertreter von der FSI und der Juso-Hochschulgruppe ließen das Argument des gesteigerten Verwaltungsaufwands nicht gelten, und verwiesen darauf, dass eine möglichst große Flexibilität und viele Optionen bei der Ausgestaltung des Studienverlaufs immer die studierendenfreundlichste Lösung sind. Die lange Zeit vor der mündlichen Prüfung beim Normaldurchgang könne mensch auch sinnvoll nutzen, etwa zur Berufsorientierung; hier entgegnete Bernd Ladwig, dass der Umfang der mündlichen Prüfung der aktuellen Diplomprüfungsordnungen bereits um die Hälfte verkleinert worden wäre. Die ebenfalls von den Studis vorgetragene Sorge, dass hier ein erster Schritt zur Prekarisierung des Diploms vollzogen wurde, konnte Fr. Stelter mit einer klaren Ansage entgegentreten: „Da wird nie der Hammer fallen.“ – Gute Aussichten also für alle would-be-Langzeitstudis…

Die Vertreter_innen des Prüfungsausschusses, die heute anwesend waren – neben Fr. Stelter noch Bernd Ladwig und Tanja Börzel – sicherten ebenfalls zu, „Härtefalle“ stets wohlwollend zu prüfen und bei Studierenden, denen durch die ausschließliche Möglichkeit des kurzen Durchgangs tatsächlich Nachteile entstehen (auf wen dies zutrifft: einfach eine Mail an fsiosi@web.de schicken), gegebenenfalls den Normaldurchgang wieder einzuführen. Ein Antrag der Studierenden, dass der IR dem Prüfungsausschuss die Beibehaltung des Normaldurchgangs empfiehlt, wurde dennoch abgelehnt.

Verteilungskämpfe light

Zuletzt ging es noch um die Ausstattung von Hochschullehrer_innen mit studentischen Hilfskräften, im konkreten Fall um Juniorprofessuren, die keine eigene Ausstattung haben. Das Dekanat hat beschlossen, dass jede_r Stelleninhaber_in am Fachbereich mindestens eine Hilfskraft bekommen soll. Doch bereits jetzt ist absehbar, dass dafür nicht genug Geld vorhanden sein wird. Es ging also um eine Prioritätensetzung. Während Bernd Ladwig, auch aus eigener Erfahrung, für eine Mindestausstattung eines jeden Arbeitsbereichs (etwa „System der BRD“, „Ideengeschichte“, etc.) plädierte, vertraten die Wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen im IR die Auffassung, dass Juniorprofessor_innen allgemein einen vorrangigen Anspruch auf Hilfskräfte haben. Als Begründung gaben sie an, dass diese Stellen schließlich für eine eigenständige wissenschaftliche Qualifizierung gedacht sind und folglich auch bei gut ausgestatteten Arbeitsbereichen nicht von der Gnade bzw. dem Geldbeutel des/der „Hauptstelleninhaber_in“ abhängen sollten. Bernd Ladwig konterte, dass die Situation in Bereichen wie etwa der Ideengeschichte ungleich prekärer sei und er selbst als Juniorprofessor für Moderne Politische Theorie de facto einen ganzen Pflichtstudienbereichen koordinieren musste. In solchen Fällen sei eine Hilfskraft mehr als willkommen.
Dazu kommt die geltende Beschlusslage des Instituts- und Fachbereichsrats, wonach Juniorprofessuren, die an Arbeitsbereichen – etwa die für Fr. Sprungk im Bereich „Europäische Integration – geschaffen wurden, dem OSI und dem Fachbereich keine zusätzlichen Kosten verursachen dürfen. Tanja Börzel, Haushaltsbeauftragte des OSI, betonte mehrmals, dass mensch sich daran halten müsse. Für das „jeder Stelle eine Hilfskraft“-Konzept des Dekanats gibt es derzeit noch kein Finanzierungsmodell, deshalb war eine abschließende Diskussion über die Prioritätensetzung bei diesen Stellenvergaben heute auch nicht möglich.

Verglichen mit Zeiten, in denen sich die Mitglieder des Institutsrats gerade bei solchen Verteilungsdiskussionen aufs Heftigste anbrüllten, unterbrachen und sich gegenseitig die Kompetenz absprachen, war die heutige Diskussion fast schon mustergültig konstruktiv. Die Adventszeit ist halt doch eine Zeit der besinnlichen Einkehr – auch am OSI.

Thomas Risse bewirbt sich beim GIGA in Hamburg

Ein kurzes Update vom Institutstag (ausführlicher Bericht folgt demnächst): Eine – bislang unbekannte – „Studentische Initiative für Transparenz am OSI“ hat heute beim Institutstag einen Flyer verteilt, der einige interessante Neuigkeiten beinhaltet.
Diese wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten, daher dokumentieren wir hier den Flyer als PDF und unten als Text:

IB-Professor Risse bewirbt sich auf Präsidentenposten an Thinktank in Hamburg

Jahrelang hat er die Institutspolitik geprägt und laut Kritikern den Umbau des Otto-Suhr-Instituts in ein Governance-Zentrum vorangetrieben: Jetzt bewirbt sich Thomas Risse, Professor für Internationale Beziehungen, auf das Präsidentschaftsamt am Hamburger GIGA (German Institute of Global and Area Studies). Verlässt er gemeinsam mit seiner Frau und Strippenzieherin Tanja Börzel, Professorin für Europäische Integration, das OSI? Oder steckt hinter der Bewerbung der Versuch, über Bleibeverhandlungen den Bereich „Internationale Beziehungen“ am OSI weiter auszubauen?

Es ist ein attraktiver Posten: Wer GIGA-Präsident_in wird, erhält automatisch einen Professor_innenposten an der Hamburger Universität. Eine Stunde lang wird Thomas Risses Bewerbungsrede am Montag, 13. Dezember, dauern. Rückt er also womöglich bald an die Spitze des „Think Tank für die Zielgruppen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit“ (Eigenwerbung)? OSI-Angehörige rätseln, was Risse mit seiner Bewerbung bezweckt. Unklar ist, ob es sich um ein taktisches Manöver handelt oder ob er tatsächlich einen Wechsel nach Hamburg erwägt. Zwei mögliche Szenarien:

Szenario 1: Risse setzt darauf, dass ihn die Freie Universität auf jeden Fall halten will, schließlich wirbt er beträchtliche Drittmittel ein und wird in Zeitschriftenaufsätzen des Bereichs „Internationale Beziehungen“ inflationär zitiert. Er hofft auf eine gute Platzierung in Hamburg – ein erster oder zweiter Platz auf der Berufungsliste –, worauf er in Berlin „Bleibeverhandlungen“ führen kann. Wenn alles in seinem Sinne verläuft, werden ihm weitere Ressourcen zur Verfügung gestellt: Geld, Mitarbeiter_innen, Räume. Dies würde für das OSI bedeuten, dass der Einfluss des Risse/Börzel-Lagers weiter wächst und die Verengung des Profils auf Governance-Forschung und Internationale Beziehungen sich verschärft. Für Risse muss das Kalkül allerdings nicht aufgehen: Prof. Ursula Lehmkuhl, ehemalige FU-Vizepräsidentin und zusammen mit Risse Sprecherin des „Sonderforschungsbereichs (SFB) 700“, versuchte genau diesen Weg zu gehen – und scheiterte: Weil die FU ihre Forderungen nicht akzeptieren wollte, ist sie seit Oktober Professorin in Trier.

Szenario 2: Risse hat genug von misstrauischen Kolleg_innen und Studierenden, die entweder protestieren oder verlangen, dass er sich mehr um Lehre und Betreuung kümmert. Er bewirbt sich am GIGA, um dort in Ruhe forschen und sich selbst vermarkten zu können – an einem renommierten Institut der Leipnitz-Gesellschaft. Dafür nimmt er sogar in Kauf, dass die Stelle nur als W3-Professor ausgeschrieben ist. Im Erfolgsfall führt er „Dual Career“-Verhandlungen – es gelingt ihm, auch seine Frau Tanja Börzel, wie bereits am OSI, mit einem Posten zu versorgen. Die Folgen fürs OSI: Auf einen Schlag werden zwei C4-Professuren frei. Mittel für schlecht ausgestattete oder vakante Bereiche können umgeschichtet werden – etwa für Ideengeschichte, Rechtliche Grundlagen und Afrika.

Weggang würde OSI verändern

Fest steht: Ein Weggang Thomas Risses – und in dessen Folge Tanja Börzels – würde das Otto-Suhr-Institut nachhaltig verändern. Der Name Risse steht für Mauscheleien um Stellen, die Bereicherung einzelner Personen (der ehemalige OSI-Professor Hajo Funke spricht von „Beutegemeinschaften“) und eine inhaltliche Verödung des Instituts.

Risse kam im Jahr 2001 als „Professor für transnationale Beziehungen, Außen- und Sicherheitspolitik“ ans OSI. Er verstand es, innerhalb von wenigen Jahren am Institut, Fachbereich und an der Freien Universität ein Netzwerk aufzubauen, das die wichtigsten Entscheidungen beeinflussen konnte. Geschickt nutzte Risse den Generationswechsel am Institut, der mit dem Abgang einer Reihe von Profs verbunden war. Während ganze Bereiche praktisch wegfielen – wie die Erwachsenenbildung, Rechtsextremismus-, Gewerkschafts- und Armutsforschung – oder wie die Ideengeschichte und die Rechtlichen Grundlagen akut bedroht sind, wurde der Bereich „Internationale Beziehungen“ immer weiter ausgedehnt. Im Präsidium hatte Risse jahrelang die direkte Unterstützung von FU-Präsident Dieter Lenzen, dessen Vize Prof. Ursula Lehmkuhl baute gemeinsam mit Risse den „Sonderforschungsbereich 700“ auf.

Börzel-Berufung als Meisterstück

In den Jahren 2003 bis 2005 war Risse Dekan des Fachbereichs Politik- und Sozialwissenschaften – und trieb den Umbau des Instituts zu seinen Gunsten voran: Seine Meisterleistung war im Jahr 2004 die Berufung seiner Frau Tanja Börzel als Professorin für Europäische Integration. In einem Interview mit dem FU-Studierendenmagazin „Furios“ prahlte Risse: „Wir hatten aber auch beide ein Angebot von der LSE (London School of Economics) – das hat ihrer Verhandlungsposition sicher nicht geschadet.“

Börzel erhielt wie Risse eine C4-Professor – diejenige mit der besten Bezahlung und personellen Ausstattung. Auch die Altvater-Professur für Internationale Politische Ökonomie wurde entsprechend besetzt: Professorin Susanne Lütz stimmt im Institutsrat zuverlässig ab wie ihre Nebensitzerin Tanja Börzel. Risse, Börzel und Lütz sind auch die entschiedensten Gegner_innen der Bachelor-Reform am OSI.

Mit tatkräftiger Unterstützung der autoritären Dekanin Prof. Barbara Riedmüller versuchten Risse und Börzel 2008 die Abwertung der Ideengeschichte zu einer Juniorprofessur durchzusetzen – und die direkte Vergabe zweier Sicherheitsprofessuren an die Mitarbeiter des „Sonderforschungsbereichs (SFB) 700“ Sven Chojnacki und Christoph Zürcher. Studentische Proteste und Klagen vor Gericht verhinderten die Zürcher-Professur und die Abwertung der Ideengeschichte.

Der drittmittelfinanzierte SFB „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“, dem Risse als Sprecher vorsteht, hat in den vergangenen Jahren immer wieder Versuche unternommen, die Struktur des OSI zu verändern. Zuletzt scheiterte der Plan, der SFB-Mitarbeiterin Beate Rudolf eine spezielle Professur zu verschaffen. Von Stellenbewerber_innen und Juniorprofessoren am OSI wird die Bereitschaft zur Mitarbeit am SFB erwartet. Dies hat auch Folgen für die inhaltliche Ausrichtung des Instituts: Risse hat den Governance-Ansatz zum zentralen Paradigma erhoben, von der OSI-Tradition der „kritischen Politikwissenschaft“ hält Risse nichts.

Risse lobt Bundeswehreinsatz

Der SFB setzt sich unter anderem mit der Legitimität von Militäreinsätzen in „Räumen begrenzter Staatlichkeit“ auseinander. Risses Position zum Afghanistan-Krieg ist kein Geheimnis: In einem Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ vom Februar 2008 behauptete er unter Verweis auf eine Studie seiner SFB-Kollegen Jan Koehler und Christoph Zürcher, die Bundeswehr sei in Afghanistan sehr beliebt. Risses Kommentar: „Das Bedrückende allerdings ist: So sehr die Afghanen das internationale Engagement begrüßen, so wenig findet es in Deutschland Unterstützung.“ Im November 2008 legten Antimilitarist_innen deshalb eine Pappfigur mit dem Gesicht Risses ins OSI-Foyer – der „embedded scientist“ war in tarnfarbene Kissen gepackt. Die Botschaft: „Wer sich einbettet, muss Federn lassen.“

Studentische Initiative für Transparenz am OSI, 1. Dezember 2010