Exkursion: Sommer im Sozialismus

– beigetragen von Elisabeth Hein

Am Mittwoch machten wir einen Ausflug nach Budapest, um uns dort verschiedene Orte der Ost-West-Kontakte im Sozialismus anzuschauen, bzw. Plätze, die noch heute in den Medien präsent sind.

Der erste Stopp war eine Kirche am Rande der ungarischen Hauptstadt-gleich neben an, das Haus des ungarischen Malteser Caritasdiensts, welches ab dem 14. August 1989 tausende von DDR-Flüchtlinge aufnahm und versorgte. Ich muss ehrlich gestehen, dass mir, als wir ankamen, die Wichtigkeit des Ortest für die deutsch-deutsche Geschichte nicht bewusst war, was sich rund drei Stunden später jedoch schlagartig änderte.
Wir wurden von einer sehr netten Frau empfangen und nachdem sie uns kurz den Ablauf unseres Besuches vorstellte, fragte sie vorsichtig, ob wir nicht erst einmal einen Kaffee trinken wollen- die Gesichter des Großteils der Exkursionsgruppe muss wohl nicht sehr munter ausgesehen haben.  Zeitgleich mit uns kam eine Gruppe von vier älteren Personen, die damals im Sommer 1989 freiwillige Helfer vor Ort waren und die Versorgung der Flüchtlinge unterstützten.
Nach einer kurzen Führung durch die Kirche, gingen wir ins Malteserhaus-nun endlich mit Kaffee und sogar leckeren Pogácsa- wo wir einen sehr informativen Film sahen (ein ungarischer Regisseur begleitete einige DDR-Flüchtlinge von Budapest über Sopron bis über die Grenze nach Österreich) und anschließend Fragen an die Helfer stellen konnten. Gänsehautmomente. Sowohl der kurze Film, als auch die anschließenden Gespräche lösten bei nahezu jedem von uns Emotionen aus. Die Geschichtsbücher vermochten uns während den Schul- und Unijahre weniger gut beschreiben in welcher Situation ein Großteil der Flüchtlinge war. Die vier Helfer schafften die Angst, die Unwissenheit, die Verzweiflung, die Nervosität und dennoch die Hoffnung, die Grenze bald überqueren zu können, welche die Flüchtlinge empfanden, innerhalb von wenigen Minuten zu vermitteln. Mehr als 1500 Menschen lebten zwischen den 14.-19. August auf dem Gelände. Anwohner, Supermärkte und Restaurants halfen und spendeten Lebensmittel, wo sie konnten. Die Bundesdeutsche Botschaft musste auf Grund der Massen, die sie belagerten das Gebäude in der Innestadt schließen und zog sogleich in die Garage der Kirche, wo sie unentwegt Tag und Nacht Ausreisepapiere und Pässe für Flüchtlinge ausstellte. 661 damalige DDR-Bürger gelang schließlich am ersten Tag der Grenzöffung während des Paneuropäischen Frühstücks am 19. August 1989 die Flucht „in den Westen“. Nach der endgültigen Öffnung der Grenze zwischen Ungarn und Österreich im September folgten ihnen tausende andere.
Diese Kirche und das Malteserhaus am Rande von Budapest haben beeindruckend viel für die Flucht der DDR-Bürger getan. Als Dank dafür schenkte das nun vereinigte Deutschland der Kirche 1992 eine neue Orgel.

„Ich wünsche ihnen“, sagte einer der Helfer zum Abschluss, „ dass sie nie in ihrem Leben in Angst leben müssen.“
Eine nachdenkliche Stimmung schwebte noch einige Zeit über der Gruppe. In den wenigen Stunden habe ich mehr über die Flucht der DDR-Bürger über die Grenze von Sopron gelernt, als ich es jemals in einem Buch hätte nachlesen können.

Der Beitrag wurde am Dienstag, den 29. Juli 2014 um 14:13 Uhr von Julia Metger veröffentlicht und wurde unter Allgemein abgelegt. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen. Sie können einen Kommentar schreiben, oder einen Trackback auf Ihrer Seite einrichten.