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Assoziationskette Budapest

1. Juni 2013 von Julia Metger

Und los:

Donau. Ungarn. Österreich-Ungarn. Weltkrieg Eins. Weltkrieg Zwei. Trianon. Holocaust. Sechsundfünfzig. Neunundachtzig. Viktor Orbán. Apathie. Melancholie. Tragödie als Gesellschaftsform.

Ernst Bloch schrieb von der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen; Budapest ist seine Stadt.

Faschisten am Freiheitsplatz. Hedonistische Jetzt-Kultur in den Ruinen jüdischen Alltaglebens. Staatstragender Antikommunismus alter Kader. Sehnsucht nach Imperium und Gulaschkommunismus. Geschichtsvergessenheit aufgrund von Geschichtsbesessenheit.

Wer aufgeräumte Eindeutigkeit möchte, wird an Budapest verzweifeln.Wer versucht es zu verstehen, wird sich in einem Sog aus Interpretationen und Wahrheitsversuchen wiederfinden.

Wir haben uns eine Woche einsaugen lassen. Wir haben uns vom Terror-Haus aufregen und von Krisztían Ungvary anregen lassen. Wir sind viel gelaufen, haben viel gesehen, viel geredet und immer noch das Gefühl, wenig verstanden zu haben.

Verstehen lässt sich die eigene Fremdheit im Prozess der Geschichtsfindung. Verstehen lässt sich der Unwille gegen nationalistische Meistererzählungen. Doch vor allem lässt sich verstehen, dass sich nach einer Woche die Fragen und nicht die Antworten schärfen.

Von Jonas Teune

Von Toten und Lebensrettern

1. Juni 2013 von Julia Metger

Nachdem wir im Vorfeld der Exkursion schon einleitende Worte zum Zentralfriedhof Budapests gehört hatten, fand am heutigen Freitag ein Ausflug zu eben diesem statt. Am Eingang wurden wir von Dr. Peter Apor von der Central European University empfangen, der uns als Einleitung die Entstehungsgeschichte des Friedhofes schilderte. So erfuhren wir, dass der Friedhof im Jahr 1855 hinter der Pester Stadtmauer errichtet wurde und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs als zentraler Friedhof genutzt wurde und als Gedenkstätte für Kommunisten der roten Revolution Ungarns 1919.

Beim Hineingehen wirkt das Areal wegen der breiten Straßen, die an vielen Grünanlagen vorbeiführen, wie eine große Parkanlage. Bei der Führung wurde sehr gut deutlich, wie von den  kommunistischen Machthabern ein Narrativ erzeugt werden sollte. Den ganzen Beitrag lesen »

Von Akten und Zukunft

31. Mai 2013 von Julia Metger

Im „Jewish Community Center“ hatten wir heute die Gelegenheit Katalin Pécsi zu treffen, die an der Umsetzung einiger Teile der Dauerausstellung im Holocaust Memorial Center beteiligt war. In einem gemeinsamen Gespräch konnten wir offene Fragen vom Vortag klären und einige kontroverse Punkte vertiefen, wie etwa die dezentrale Lage des Gedenkzentrums im Vergleich zum Terrorhaus oder die Kritik an der Konzeption eines Holocaust-Museums in einer Synagoge. Katalin Pécsi  stellte das Verhältnis von Museum, Dauerausstellung und Fidesz-Regierung differenziert dar, wodurch uns die politische Dimension von Geschichte und Öffentlichkeit in Ungarn nur noch deutlicher wurde. Konzipiert wurde die Dauerausstellung von unabhängigen Historikern und Architekten. Das Museum selbst ist allerdings in staatlicher Hand, weshalb es in der Chef-Etage des Museums einen Wechsel gab: natürlich nach Fidesz-Geschmack. Die international sehr gut rezipierte Dauerausstellung unterliegt jedoch dem Copyright des unabhängigen Teams, was eine Änderung seitens des neuen Museumsdirektors unmöglich macht – glücklicherweise. Jegliche Kooperation mit dem „Jewish Communitiy Center“ ist jedoch seither auf Eis gelegt. „Local visitors“ seien ohnehin eher die Ausnahme, vor allem da der Besuch im Holocaust-Museum von Schuldirektoren, Lehrern oder Eltern nicht immer erlaubt wird. In diesem Zusammenhang erfuhren wir auch, dass in Ungarn Holocaust-Leugnen nicht illegal ist, was sich nicht nur im ungarischen Parlament, sondern auch in etlichen Geschichtsbüchern widerspiegelt. Die Zeiten, in denen Geschichtslehrer selbst entscheiden konnten, welches Buch sie im Unterricht verwenden, sind in Ungarn leider vorbei.

Katalin Pécsi zeichnete ein eindrückliches Bild von der Ambivalenz des heutigen jüdischen Lebens in Budapest. Einerseits blühe die jüdische Kultur in der Hauptstadt, die immer mehr Jüdinnen und Juden anziehe. Andererseits hege sie auf politischer Ebene keine Hoffnung für eine tolerante und demokratische Zukunft in Ungarn.

Von Sarah Scherzer

 

Geschichte studieren. Das heißt nicht nur Diskussionen mit Historikern führen und Museen besuchen, sondern beinhaltet eben auch die „harte Arbeit“ im Archiv.

Aus diesem Grund besuchen wir am Nachmittag das „Open-Society-Archiv“. Dieses Archiv befindet sich in einem großen, einladenden Gebäude in der Arany János utca 32 in Budapest. Dort werden audiovisuelle aber z.B. auch schriftliche Quellen aufbewahrt. Ebendiese schriftlichen Quellen befinden sich im Untergeschoss des Gebäudes. Die verschiedenen Papiere werden in quadratischen, grauen Boxen, die in hohen Regalen aufbewahrt werden, gelagert. Wir erfahren, dass sich dort zum Beispiel Interviews mit Zeitzeugen, die vom Osten in den Westen geflohen sind, aber auch gesammelte Informationen über bestimmte Personen befinden. Schwerpunkt liegt auf der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, also auf dem Kalten Krieg. Sowohl Radio Free Europe und Radio Liberty Forschungsberichte als auch Reportagen über die Bierproduktion in Slowenien sowie Zeitungsartikel über Roma in der ungarischen Gesellschaft lassen sich dort nachlesen. Besonders stolz ist man z.B. auf die von dem bekannten Journalisten David Rohde dem Archiv überlassenen Quellen über „Srebrenica“. Unter den Gegenständen befinden sich neben den gesammelten Aufzeichnungen auch Patronenhülsen, ein Taschentuch oder ein Kamm – alles Gegenstände, die in der Nähe der Massengräber gefunden wurden.

Wir verlassen das Archiv mit gemischten Gefühlen. Wir sind überwältigt von der Vielzahl der Quellen, die in diesen Räumlichkeiten lagern. Wir haben die Bilder der Öffnungen der Massengräber im Balkan vor Augen, die uns gezeigt wurden. Gleichzeitig übermannt uns die Müdigkeit. Die ganzen Eindrücke und Erlebnisse der letzten Tagen müssen verarbeitet werden. Die Bilder in unseren Köpfen müssen geordnet werden. Und wo könnte man dies besser tun als in einem der heimlichen Wahrzeichen der Stadt Budapest: den ungarischen Kaffeehäusern? Die Kaffeehaustradition ist für jeden Ungarn-Reisenden ein Muss und erinnert an die Zeiten der Donaumonarchie Österreich-Ungarn. Wir entschließen uns nicht irgendein Kaffeehaus aufzusuchen, sondern dem wohl bekanntesten ungarischen Café, dem „Café Gerbeaud“ einen Besuch abzustatten.

Schon beim Betreten der Räumlichkeiten verschlägt es uns fast den Atmen. Von der Decke hängen pompöse Kerzenleuchter, die im Licht funkeln und glitzern. Die einzelnen Räume werden von schweren rubinroten Vorhängen abgetrennt. Die Tische und Stühle sind aus dunklem Holz gefertigt. Wir fühlen uns, als wären wir mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit gereist. Und tatsächlich: Dieses Café blickt auf eine lange Geschichte zurück. Es wurde 1858 von Henrik Kugler gegründet. Es war schnell eines der beliebtesten Treffpunkte der Stadt, da es sich durch „die beste Eiscreme in Pest“ auszeichnete. 1882 traf Kugler dann seinen späteren Geschäftspartner Emil Gerbeaud. Dessen außergewöhnlichem Talent war es zu verdanken, dass der Erfolg des „Café Gerbeaud“ stetig wuchs und wir auch noch über 150 Jahre später einen anstrengenden Tag in außergewöhnlichem Ambiente ausklingen lassen können.

Von Franca Fischer

Alte und neue Antisemiten: wie ungarische Geschichte politisiert wird

30. Mai 2013 von Julia Metger

Am dritten Tag in Budapest wurden wir vormittags auf einem Stadtrundgang durch den 5. Bezirk und speziell dem Freiheitsplatz über dessen Bedeutung im 19. und 20. Jahrhundert informiert. Daran angrenzend konnten wir in der „Kirche der Heimkehrer“, die der rechtsradikalen Jobbik-Partei nahesteht, die Verflechtung von ausgewählter Geschichte und politischer Ideologie beobachten. Im deutlichen Gegensatz dazu stand der anschließende Besuch im Holocaust-Museum. Bei dem alternativen Stadtrundgang am Abend haben wir von der Entwicklung des 8. Bezirkes erfahren, der ehemals von osteuropäischen Juden bewohnt war und sich heute durch seine Multikulturalität auszeichnet.

Unsere Stadtführerin Anna Lénárd sprach davon, dass die Kultur in Ungarn heutzutage oft von der Politik ideologisiert wird. Als Beispiel nannte sie dafür das Nationaltheater, das für den Erzsébet-Platz von der sozialistischen Partei geplant, aber nach dem Regierungswechsel durch die Konservativen verhindert wurde. Dies wurde noch deutlicher auf dem Freiheitsplatz, der durch Skulpturen, Denkmäler und Gebäude zum Trauma von Trianon, zur Identitätsbildung der ungarischen Nation in der Zwischenkriegszeit und zur Legitimierung der kommunistischen Herrschaft beitrug. Eine weitere Politisierung erfuhr der Platz in den vergangenen Jahren bei den Demonstrationen zum 50-jährigen Jubiläum des Volksaufstandes von 1956 und bei Aufmärschen der antisemitischen Jobbik-Partei.

Direkt neben dem Platz der Feiheit befindet sich die 1938 bis 1940 erbaute calvinistische „Kirche der Heimkehrer“, die schon von außen typische Jobbiksymbolik, wie zum Beispiel Büsten von nationalistischen Persönlichkeiten, ein deutlich von der Jobbik-Partei gekennzeichnetes Doppelkreuz und der Hinweis auf ein rechtspopulistisches Theater im Untergeschoss, präsentiert. Nicht gerechnet hatten wir mit der Anwesenheit des Jobbik-Abgeordneten Lóránt Hegedüs, der uns in den Räumlichkeiten empfing und herumführte. Auch die Innendekoration mit revisionistischen Symbolen und Texten bestätigte unsere Erwartungen an die Partei.

Im Kontrast zur Holocaust leugnenden Jobbik-Partei stand dann der Besuch im Holocaust-Gedenkzentrum. Besonderen Anklang bei der Gruppe fand das Konzept des Museums (klare Struktur, roter Faden, persönliche Schicksale, ruhige Atmosphäre). Das Museum will die Opfer des Holocaust thematisieren und über die Gewalt an Juden, aber auch Roma, informieren. Problematisch fand die Gruppe die versteckte Lage, die eventuelle Theologisierung des Themas durch den Anschluss an die Synagoge und die teilweise irritierende Musik (hier die Website des Museums: https://www.hdke.hu/en).

Die alternative Stadtführung im achten Bezirk zeigte uns, dass auch abseits der großen Synagogen jüdische Kulturzentren im kleinen Kreis Kommunikation und Integration in der jüdischen Gemeinschaft fördern und ein friedliches Zusammenleben der verschiedensten ethnischen und sozialen Minderheiten auch in Budapest möglich sein kann.

Von Tobias Sauter und Natalia Marcelo

Terror Háza – Terror im Terrorhaus

30. Mai 2013 von Julia Metger

Nach einem ruhigen Start in den Tag liefen wir den Prachtboulevard Andrássy út entlang, an dem unser heutiges Ziel lag: das Haus des Terrors (Terror Háza). Das im Jahr 1880 errichtete Gebäude diente ab 1937 der faschistischen Bewegung Ungarns als Parteizentrale und Verlagshaus für das ultrarechte Blatt „Zusammenhalt“ („Összetartás“). Nach der Okkupation Ungarns durch die Nationalsozialisten im Frühjahr 1944 diente der Keller des Gebäudes den ungarischen Pfeilkreuzlern als Folterkeller für ihre politischen Gegner. Nach dem Sieg der Sowjetunion bezog der ungarische Geheimdienst AVH/AVO das Gebäude und baute den Keller aus, um ebenfalls politische Gegner des neuen sozialistischen Staates unter Folter zu verhören. Nach der Niederschlagung des Aufstandes von 1956 verließ die Geheimpolizei das Gebäude. In den folgenden Jahren wurde es als Bürogebäude genutzt, die Folterzellen im Keller verschwanden. Aufgrund der Geschichte des Gebäudes in der Andrássy út 60 entstand 2002 ein von der Fidesz-Partei initiiertes Museum, das den Opfern totalitärer Herrschaft in Ungarn gewidmet ist. Schon am Vortag überlegten wir uns Fragestellungen, die uns bei dem Museumsbesuch begleiten sollten. Diese bezogen sich auf das Anliegen des Hauses, das Verhältnis zwischen Fakten und Emotionalität sowie auf die Relativierung der gemeinsam dargestellten Verbrechen der Nationalsozialisten und Kommunisten.

Die Ausstellung, die sich der Zeit ab 1944 widmet, verteilt sich auf drei Etagen, wobei die Zeit der kommunistischen Herrschaft mit 27 der 30 Räumen einen ungleich größeren Raum einnimmt, als die Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Der Holocaust an den ungarischen Juden wird nur kurz erwähnt und als eine Tat der deutschen Besatzer bezeichnet. Die umfangreiche Beteiligung von Ungarn wird fast komplett ausgeblendet. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt eindeutig auf den kommunistischen Verbrechen, wodurch sich bei uns der Eindruck festigte, dass der Antikommunismus das eigentliche, politische Programm der Ausstellung ist. Die Ausstellung verzichtet dabei fast vollständig auf Fakten und versucht die Besucher emotional zu ergreifen. Die wenigen Informationen auf den überall ausliegenden Handzetteln gingen in einem Getöse von bedrückender Musik, Videos, Bildern und Plakaten unter. Wir hatten den Eindruck, dass die wenigen Informationen durch diese Untermalung gar nicht aufgenommen werden sollten. Die Ausstellungsräume folgten nach unserem Empfinden keiner nachvollziehbaren Logik, Ausstellungsstücke wurden nicht erklärt und blieben damit größtenteils unverständlich. Der Besuch im Terrorhaus war für uns verstörend und wir waren froh, als wir  den akustischen Terror verlassen konnten.

Glücklicherweise hatten wir danach eine Mittagspause, die wir nutzten, um unsere Gedanken zu ordnen, uns zu erholen und auf das folgende Geschpräch mit Krisztián Ungváry vorzubereiten. Ungváry ist ein freier Historiker und für seine kritische Haltung gegenüber dem Terrorhaus bekannt. Er sprach über die Problemfelder der Ausstellung, seinen Streitigkeiten mit der Initiatorin Dr. Mariá Schmidt und das Geschichtsbild in der ungarischen Gesellschaft. In der nachfolgenden Diksussion über die dargestellte Geschichte und die Relativierung beider Diktaturen kamen wir auch auf komplexere Probleme der ungarischen Geschichte und dem Geschichtsbewusstsein in Ungarn zu sprechen. Mit Herrn Ungváry hatten wir einen sehr kritischen Ansprechpartner, der offen mit uns über die aktuelle Radikalisierung der Rechten in Ungarn diskutierte. Wir alle empfanden das Gespräch mit ihm als sehr bereichernd und vertiefend in Hinblick auf unser Seminarthema.

So gab uns auch unser zweiter Tag in Budapest einen sehr aufschlussreichen Einblick in das ungarische Geschichtsbewusstsein und wir sind gespannt, welche neuen Erfahrungen wir in den nächsten Tagen machen werden. Zunächst aber lassen wir den Tag in gemütlicher Runde ausklingen.

Benjamin Wielepski und Tom Schumacher

Erzsébetváros

28. Mai 2013 von Julia Metger

Nach den gestrigen 12 Stunden Sitzen im Zug haben konnten wir unseren Bewegungsdrang heute ausleben. Am Vormittag begannen wir mit einer Stadtführung durch das jüdische Viertel. Der Historiker László Csősz (Historiker am Holocaust Memorial Center) erläuterte die Geschichte und zentralen Orte des VII. Bezirks. Seinen Anfang nahm der Rundgang an der großen Synagoge an der Dohány-Straße, von der aus wir zunächst am Westrand des ehemaligen jüdischen Viertels entlanggingen. Dort hörten wir vom Orczy-Haus, das den Juden im 18. Jahrhundert von ungarischen Aristokraten als Wohn- und Versammlungsort zur Verfügung gestellt, jedoch im frühen 20. Jahrhundert abgerissen und durch einen monumentalen Neubau ersetzt wurde. Unser Weg führte uns die Király-utca entlang, die frühere Hauptstraße durch das Stadtviertel. Heute ist sie eine beliebte Szenegegend mit vielen kleinen Läden und Kneipen. An beiden Seiten der Straße gibt es zahlreiche Hinterhöfe, in denen große Teile des jüdischen Alltagslebens stattfanden. In einem von ihnen ist noch ein Teil der alten Ghetto-Mauer sichtbar, an der eine Tafel mit den Umrissen des ehemaligen Ghettos angebracht ist. An dieser Stelle hörten wir, dass es weiter im Norden, in dem nach dem 1. Weltkrieg erbauten Újlipótváros-Stadtviertel, einige sogenannte „internationale Schutzhäuser“ für Juden gab. In diesem Stadtviertel hatten wohlhabende Juden in der Zwischenkriegszeit gelebt und wurden während der deutschen Besatzung dort festgesetzt. Erstaunlicherweise bot das Leben im Ghetto bisweilen mehr Schutz vor den Pfeilkreuzlern als die „Schutzhäuser“ es taten, da ihre Übergriffe oft unkoordinierte Beutezüge darstellten, welche die NS-Schergen verärgerten. In der Synagoge in der Vasvári-Pál-utca warfen wir einen Blick in den Gebetsraum, bevor wir in der koscheren Konditorei „Fröhlich“ eine Kaffeepause einlegten. Durch die Gozsdu-Höfe kamen wir zur Rumbach-Synagoge, die zur Zeit ungenutzt ist und auf ihre Restaurierung wartet. Wir erfuhren viel über die komplizierten Beziehungen zwischen NS-Gruppen und ungarischen Institutionen bei der Deportation der ungarischen Juden 1944. Diese Verbindungen stellten sich als komplexer heraus als zunächst gedacht. Vor allem in Fragen der Durchführung der Deportationen kam es zu Konflikten, die zu unerwarteten Handlungsweisen führten und die Wehrmacht gar in Einzelfällen zu „Beschützern“ machte. Unser Rundgang schloss an der Rückseite der großen Synagoge, von wo aus wir einen Blick in den Raoul-Wallenberg-Gedenkgarten mit der großen silbernen Trauerweide, auf deren Blättern die Namen der Opfer eingraviert sind, einem von vielen dezentralen Erinnerungsorten des Holocausts in Budapest, warfen. Das Erinnern an die Befreiung des Ghettos durch die Rote Armee wird an einer Tafel an der Synagogenwand erwähnt, bleibt jedoch durch das ambivalente Verhältnis des Landes zur sozialistischen Geschichte problematisch. Hier bedankten wir uns bei Herrn Csősz für seine ausgezeichnete und sehr detaillierte Führung.

Das Mittagessen nahmen wir in der Mensa der Eötvös Loránd Tudomány-Universität ein, ehe wir mit einigen ungarischen Germanistikstudenten einem Vortrag des Dozenten Péter Varga beiwohnten, der unsere Stadtführung mit einer Menge von Hintergrundinformationen rund um die multiethnische Geschichte Budapests im 19. Jahrhunderts unterfütterte.

Mit vielen neuen Erkenntnissen endet dieser erste Tag nun mit einem verdienten Abendessen.

Paul Schneider und Andrea Mezei

Willkommen auf dem Blog der Exkursionsgruppe

22. Mai 2013 von Julia Metger

 

Als der Friedensnobelpreisträger Elie Wiesel im Juni 2012 den ungarischen Verdienstorden als Zeichen seines Protests gegen die geschichtsrevisionistischen Tendenzen in Ungarn zurückgab, bescheinigte die Süddeutsche Zeitung dem Land ein „Klima historischer Ignoranz“ (Süddeutsche Zeitung, 16.07.2012, https://www.sueddeutsche.de/kultur/geschichtsrevisionismus-in-ungarn-angst-vor-einer-neuen-mode-1.1392381). Dies bezog sich auch auf die Art und Weise, wie die derzeitige ungarische Regierung die Geschichte darstellt.

Wie die Geschichte zu interpretieren ist – insbesondere unter den Aspekten der Nationalstaatlichkeit sowie der Verwicklung in die Kriege und Totalitarismen des 20. Jahrhunderts – emotionalisiert und spaltet die heutige ungarische Politik und Gesellschaft. Eine Seminargruppe der Freien Universität Berlin untersucht während einer Exkursion im Mai 2013 die Abbildungen dieser kontroversen Geschichtsinterpretationen im öffentlichen Raum, in Museen und Ausstellungen, in Denkmälern und Mahnmalen in Budapest .

In diesem Blog berichten wir über unsere Erfahrungen während der Exkursion. Viel Spaß beim Lesen!

 

 
 

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