Neun Uhr morgens in der Ihnestraße 21. Die Mitglieder des FBR PolSoz, zahlreiche BibliotheksmitarbeiterInnen und Studierende haben sich eingefunden, um über ein Thema zu diskutieren, das derzeit für heftige Unruhe unter den Studierenden der Politikwissenschaft, der Ethnologie, Publizistik- und Kommunikationswissenschaft und der Soziologie sorgt: die Zusammenlegung der sozialwissenschaftlichen Bibliotheken, die später in einer Integration in den Bestand der Universitätsbibliothek (UB) gipfeln soll. Ein Prozess, an dessen Ende der Fachbereich nicht nur ohne eigene Bibliothek, sondern auch mit 200 000 bis 400 000 Büchern – über die Zahlen konnte auch heute keine Einigkeit erzielt werden – weniger dastehen würde. Bei der Sitzung vom 23.1. war nun erstmals eine Vertreterin des Präsidiums, Frau Lehmkuhl, anwesend. Sie sollte die Debatte „versachlichen“ und die Pläne des Präsidiums und der FU-Bauabteilung erläutern.
In einer ersten, derzeit bereits angelaufenen Stufe, soll der Bestand der publikationswissenschaftlichen Bibliothek in die Bibliothek des OSI eingegliedert werden. Dieser Prozess soll bis 1.4.2008 abgeschlossen sein; die PuK-Bücher nehmen dabei hauptsächlich Platz ein, der im Ost-Europa-Institut geschaffen wurde, durch Verlagerung der dortigen Literatur nach Lankwitz. Ziel ist es, so Lehmkuhl, eine „Lehrbibliothek“ mit häufig verwendeter Literatur in Dahlem zu schaffen, und eine „Forschungsbibliothek“ am abgelegenen Standort in Lankwitz. Dies zeigt, wie weit sich die FU vom einstigen Bildungsideal einer Einheit von Forschung und Lehre bereits entfernt hat.
Die zweite Stufe – der Plan „UB 2020“
Wirklich interessant wurde es dann, als es um die fernere Zukunft der PolSoz-Bibliotheken ging. Es ging erneut um die bekannten zwei Alternativen, als da wären: der Bau einer neuen, integrierten und eigenständigen Bibliothek für den Fachbereich PolSoz, der dem Platzmangel durch die Aufnahme der PuK- und Ethnologiebibliothek im OSI Rechnung trägt, oder die Erweiterung und Renovierung der UB, in die die Literatur der Politik- und Sozialwissenschaften anschließend aufgenommen wird. Letztere Lösung wird vom Präsidium, der OSI-Bibliotheks- und UB-Leitung und zumindest von Teilen des Instituts- und Fachbereichsrats favorisiert. Die Gründe dafür ergeben sich ganz einfach aus den üblichen „Sachzwängen“. Vor allem die chronisch knappen Kassen der Hochschulen und anstehende MÖGLICHE (nicht beschlossene) weitere Kürzungen im Jahr 2009 wurden als Begründung für die nötige „Bestandsbereinigung“ (Fr. Lehmkuhl) angeführt. Welchen Umfang diese „Bestandsbereinigung“ haben soll, konnte – wie schon letzte Woche im Institutsrat – nicht endgültig geklärt werden. Hier nahm die Debatte teilweise komische Züge an, etwa als Fr. Lehmkuhl ganz irritiert fragte, woher denn die Zahl von 350 000 ausgesonderten Büchern kam. Noch irritierter wurde sie, als ihr von studentischer Seite genüßlich aus einer Pressemitteilung des Präsidiums zitiert wurde, in der eben diese Zahl auftaucht. Es folgte das übliche, fast schon die Intelligenz beleidigende Schauspiel der Relativierung dieser Zahlen – es handele sich ja nur um Literatur von vor 1990, nur Dubletten wären betroffen (wobei die FU natürlich „niemals eine Ein-Buch-Politik“ verfolgt habe, meinte jedenfalls Fr. Lehmkuhl), wir Studierenden sollten „vielleicht erstmal Mathematik studieren“ (UB-Leiter Naumann), und im übrigen – Sachzwang, ick hör dir trapsen – wäre das nunmal notwendig. Schließlich, so die Leiterin der OSI-Bibliothek Fr. Zehrer, ginge es ja v.a. um „Geld und Raum“. Auf die berechtigten Einwände der Studierenden, dass schon jetzt vielfach zu wenig Literatur für ein effektives Studium vorhanden sei, wurde mit dem hanebüchenen Argument gekontert, dass ein Stadtstaat wie Berlin ja schließlich noch eine Staatsbibliothek und die Bibliotheken zweier weiterer großer Universitäten habe. Na dann ist ja alles in Ordnung.
Der „Runde“ Tisch oder: wie verkaufe ich Hinterzimmergeklüngel als demokratische Partizipation?
Auf die, auch von ProfessorInnenseite immer wiederkehrende Kritik an der bisherigen Entscheidungsfindung in der Sache der Bibliotheken, verkündete Fr. Lehmkuhl die Einrichtung eines „Runden Tisches“. Im Prinzip ja keine schlechte Sache, wenn mensch einmal davon absieht, dass eine derartige Partizipation eigentlich selbstverständlich sein sollte. Wie gesagt, im Prinzip. Auf mehrmaliges Nachfragen der FSI OSI kam nämlich heraus, dass an diesem „Runden“ Tisch lediglich das Präsidium und einE VertreterIn des Dekanats sitzen sollen. Beteiligung von Studierenden oder gar MitarbeiterInnen der PolSoz-Bibliotheken: Fehlanzeige, wie so oft an dieser Uni. Was nun folgte, könnte mensch als Lehrstück in Sachen Neusprech, „gelenkte Demokratie“ und Selbstherrlichkeit bezeichnen.
Fr. Riedmüller, die sich offensichtlich schnell mit dem Gedanken anfreunden konnte, an einem „Runden“ Tisch mit dem Präsidium zu klüngeln, verwies wie zur Beschwichtigung auf ihre Position, dass die Pläne „ein Zugewinn und keinen Verlust darstellen müssen“. Nur: wer definiert wie, was ein „Zugewinn“ ist? Sind die gebetsmühlenartig wiederholten längeren Öffnungszeiten ein Zugewinn? Sind aussortierte Dubletten in einer Größenordnung von mehreren Hunderttausend Bänden ein Verlust, oder doch ein (Effizienz-)Gewinn? Was, wenn wir Studierenden ganz andere Vorstellungen von „Zugewinnen“ und „Verlusten“ haben, als Fr. Riedmüller, Fr. Lehmkuhl und das Präsidium?
Auf die Frage, wie denn die Wünsche und Vorstellungen der Studierenden in das Projekt einfließen sollen, wenn deren Stimmen gar nicht gehört werden, antwortete Fr. Lehmkuhl mit der Aussage, sie wisse schon, was unsere Interessen seien. Schließlich wäre sie ja auch einmal Studentin gewesen. Diese Aussage brachte ihr schallendes Gelächter von Seiten der Studierenden ein. Als der Unmut über diesen „Runden“ Tisch zunehmend größer wurde, schlug die Stunde des Riedmüllerschen Neusprechs. Sie wolle ja niemanden ausschließen, hieß es dann, sie könnte ja ein paar Studierende mit einladen zu diesen „Runden Tischen“, bei den Institutsratssitzungen könnte mensch ja auch „mal“ zuschauen – das beweise doch, dass sie eine glühende Verfechterin der universitären Demokratie ist (Überspitzung v. Verf.). Es ist unglaublich, mit welcher Unverfrorenheit hier einfachste und elementarste demokratische Grundregeln als „Zugeständnis“ und „Entgegenkommen“ verkauft wurden. Nur zur Erinnerung: Instituts- und Fachbereichsratssitzungen sind GRUNDSÄTZLICH ÖFFENTLICH! Dazu kam noch das unsägliche Verhalten von Fr. Riedmüller, die sich auch nach mehrmaligem Protest nicht ihr vermeintliches Recht nehmen ließ, Redebeiträge zu unterbrechen, während Wortmeldungen mit ihrer Nachbarin zu reden oder sich einfach so auf die Redeliste zu setzen.
Wie geht es weiter?
Der FBR beschloss letztendlich, die bestehende Bibliothekskommission um die noch nicht vertretenen Statusgruppen, d.h. vor allem Studierende, zu erweitern, und mit dieser erweiterten Bibliothekskommission die Entwicklungen und Planungen am FB PolSoz im Auge zu behalten. Der FBR soll nur auf Grundlage der Empfehlungen dieser Kommission eine Entscheidung über die Bibliotheksstruktur treffen, und – last but not least – der Fachbereich soll sich diese Entscheidung auch nicht aus der Hand nehmen lassen (laut Berliner Hochschulgesetz ist für solche Entscheidungen nämlich der Fachbereich, und zwar NUR der Fachbereich, zuständig). Dieser Beschluss ist in jedem Fall deutlich klarer und weniger windelweich als der des Institutsrats OSI von letzter Woche – dennoch gilt es, die weiteren Entwicklungen genau zu verfolgen.
Es wird am 31.1. Aktionen zu dem Thema geben, und es wird auch auf der Demo thematisiert werden.
Unter der Rubrik „Themen“ hier im Blog gibt es noch eine Zusammenfassung der Ergebnisse, welche auch als Flyer verteilt wird/wurde.