Offener Brief wegen Klaus Roths Kündigung

Wie bereits berichtet, hat das Präsidium die Finanzierung der Gastprofessur von Klaus Roth eingestellt. Das OSI und der Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften übernehmen die Kosten ebenfalls nicht, so dass Roth ab Beginn des Sommersemesters ohne Job dasteht. Verschiedene Menschen aus unterschiedlichen hochschulpolitischen Zusammenhängen (FSI, JuSos, Grüne Hochschulgruppe, Initiative für die Ideengeschichte usw.) haben einen offenen Brief verfasst, den wir an dieser Stelle ebenfalls veröffentlichen:

Offener Brief

An den Präsidenten der Freien Universität Berlin
Herrn Prof. Dr. Dieter Lenzen
Kaiserswerther Str. 16-18
14195 Berlin

An den Kanzler der Freien Universität Berlin
Herrrn Peter Lange
Kaiserswerther Str. 16-18
14195 Berlin
An den neuen Dekan des Fachbereichs Politik- und Sozialwissenschaften
Herrn Prof. Dr. Klaus Beck
Ihnestraße 21
14195 Berlin

An den geschäftsführenden Direktor des Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft
Herrn Prof. Dr. Peter Massing
Ihnestraße 22
14195 Berlin

An die Mitglieder des Fachbereichsrates
Politik- und Sozialwissenschaften

An die Mitglieder des Institutsrates
des Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft

Betreff: Situation am Arbeitsschwerpunkt Theorie und Ideengeschichte im Sommersemester 2009
Berlin, d. 11.03.2009

Sehr geehrter Herr Präsident Prof. Dr. Lenzen, sehr geehrte Damen und Herren,

vor einigen Tagen mussten wir erfahren, dass die Vertretungsprofessur in Politischer Ideengeschichte am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften, momentan ausgeführt durch Priv.-Doz. Dr. Klaus Roth, überraschenderweise nicht für das Sommersemester verlängert wird.
Die Vollprofessur Politische Ideengeschichte ist seit der Emeritierung von Herrn Prof. Dr. Göhler vakant und wurde seitdem von Herrn Priv.-Doz. Dr. Roth in Form einer Vertretungsprofessur vertreten. Durch eine Änderung des Strukturplanes am Fachbereich wurde diese Vollprofessur schon im letzten Jahr zu Lasten der Ideengeschichte zu einer Juniorprofessur mit Tenure Track heruntergestuft. Jetzt soll auch noch die Vertretungsprofessur gestrichen werden.
Wir fordern hiermit die verantwortlichen Stellen auf, diese Entscheidung unverzüglich zurückzunehmen um den Arbeitsschwerpunkt Theorie und Ideengeschichte am Institut nicht noch weiter zu schwächen. Darüber hinaus muss auf lange Sicht der Arbeitsschwerpunkt personell und finanziell wieder gestärkt werden, kurzfristig mindestens die Vollprofessur in Politischer Ideengeschichte wiedereingerichtet werden.

Zu den Gründen:
1. Da das Berufungsverfahren für die neu geschaffene Juniorprofessur noch nicht aufgenommen ist und eine Besetzung frühestens zum kommenden Wintersemester möglich ist, gäbe es im Sommersemester überhaupt keine laufende Professur in Politischer Ideengeschichte mehr.
2. Aufgrund der enormen Bedeutung der Politischen Ideengeschichte als Grundlage für jedes politikwissenschaftlich reflektierte Arbeiten sehen zurecht viele Bachelor– und Diplomstudienordnungen Politische Ideengeschichte als Pflichtmodul vor, was u.a. den Besuch der Vorlesung beinhaltet. Da diese Vorlesung ausfallen würde, wäre das Modul im Sommersemester für sehr viele Studierende nicht abzuschließen, und sie wären hinsichtlich der Planung ihres Studiums erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt.
3. Darüber hinaus würden die von Herrn Priv.-Doz. Dr. Roth angekündigten Seminare ausfallen, was das Lehrangebot im Bereich Theorie und Ideengeschichte noch weiter ausdünnen würde. Folge dessen wäre auch, dass sich die Platzsituation in den übrigen Lehrveranstaltungen noch einmal drastisch verschlechtert.
4. Insbesondere für die vielen Lehramtsstudierenden hätte der nicht vorhersehbare Ausfall der Lehrveranstaltungen schwerwiegende Konsequenzen. Da sich Veranstaltungen ihrer 3 Fachbereiche in der Regel überschneiden, muss ein reguläres Angebot dieser Veranstaltungen in jedem Semester gesichert werden. Ein Ausfall hätte für viele Studierende eine erhebliche Verzögerung ihres Studiums zur Folge.
5. Die Theoriesektion der Deutsche Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) hat in ihrem Offenen Brief an das Präsidium vergangenen Sommer erklärt, dass die Ideengeschichtsprofessur am Otto-Suhr-Institut eine bundesweite Bedeutung einnimmt. Gerade im Zuge der ohnehin stattfindenden Marginalisierung der Ideengeschichte am Institut ist es nicht akzeptabel, das Lehrangebot in diesem Bereich auch nur für ein Semester in dieser drastischen Form einzuschränken. Den Studierenden muss weiterhin die Relevanz der Ideengeschichte für die Politikwissenschaft deutlich sein. Das Lehrangebot im kommenden Semester setzt leider ein entgegengesetztes Signal.
6. Auch verurteilen wir den Umgang mit Herrn Priv.-Doz. Dr. Roth, der seit Jahren an der Freien Universität arbeitet und dem das erwartete Fortlaufen der Vertretungsprofessur unerwartet entzogen wurde. Die Lehrveranstaltungen von Priv.-Doz. Dr. Roth sind durch große fachliche Kenntnis gekennzeichnet. Damit hat er bei vielen Studierenden eine hervorragende Grundlage für das Verständnis des europäischen politischen Denkens gelegt. Vor allem die Vermittlung der Relevanz des Juden- und Christentums sowie des christlichen Mittelalters für das moderne politische Denken gehört zu seinen Leistungen. Nicht zuletzt wegen dieser fachlichen Stärke stellt Priv.-Doz. Dr. Roth eine große Bereicherung für das Institut dar und ist in der Folge auch
bei den Studierenden geschätzt.

Die Zeit bis zum Sommersemester drängt. Der Verbleib von Herrn Priv.-Doz. Dr. Roth am Fachbereich muss von Ihnen gesichert werden. Die angebotene Ersatzbesoldung am Fachbereich ist offensichtlich unzureichend. Es wäre fatal, wenn eine Universität, die vorgibt führend zu sein, es nicht einmal schafft, eine kontinuierliche Vertretungs- bzw. Vollprofessur in Politischer Ideengeschichte zu gewährleisten.

Mit freundlichen Grüßen,
(es folgen die Namen der Unterzeichnenden Personen und Gruppen

Wie Klaus Roth vom Institut abserviert wird

Vor einigen Tagen lief eine E-Mail über die einschlägigen studentischen Verteiler, die einen weiteren Tiefpunkt in Sachen Umgang mit kritischen WissenschaftlerInnen an der FU beschrieb. Dieses Mal geht es um Klaus Roth, der bis letztes Semester den Bereich Politische Ideengeschichte am OSI betreute und seit Sommer 2006 mit einer Gastprofessur die vakante Stelle in diesem Bereich vertrat. „Moment mal,“ werden sich manche jetzt fragen, „bis letztes Semester?!?“ Leider ja, denn der Kanzler der FU, Herr Lange, hat auf Anweisung des Präsidialamtes verfügt dass die Gastprofessur nicht mehr vom Präsidium bezahlt wird. Das OSI hat sich, noch unter dem alten Geschäftsführenden Direktor Peter Massing, natürlich mit dieser Vorgabe abgefunden. Ob und mit wieviel Nachdruck Widerspruch eingelegt wurde, ist leider nicht bekannt. Ebenso unklar ist die Motivation des Präsidiums. Lange soll jedoch dem OSI vorgeschlagen haben, die Gastprofessur doch über die Mittel des Fachbereichs Politik- und Sozialwissenschaften zu bezahlen; der Fachbereich PolSoz ist zwar angeblich der reichste Fachbereich der FU, ist aber dennoch hoch verschuldet und gerade das OSI versucht seit gut eineinhalb Jahren beharrlich, Überhangstellen abzubauen (siehe bspw. hier). Dementsprechend wurde daraus natürlich nichts. Als einziges „Entgegenkommen“ gegenüber Roth bot die Institutsleitung ihm an, seine bisherige Arbeit auf Basis besoldeter Lehraufträge weiterzumachen – dafür gibt es allerdings nur noch ein Drittel so viel Geld wie für die (ohnehin nicht üppig bezahlte) Gastprofessur. Roth lehnte dieses Angebot denn auch als „sittenwidrig“ ab. Ein kleiner Trost für seine (ehemaligen) Studierenden: Roth übernimmt weiter die bereits zugesagten Betreuungen aus vergangenen Semestern – Diplom- und B.A.-Prüfungen, Hausarbeits- und Klausurenkorrektur usw.
Nach dieser – völlig richtigen – Entscheidung sieht es nun noch einmal düsterer für die Politische Ideengeschichte aus, als ohnehin schon. Zum einen entfallen natürlich die Lehrveranstaltungen, die Roth im Sommersemester angeboten hätte. Zum anderen hat der Bereich Politische Ideengeschichte nun vorerst keinen prüfungs- und damit betreuungsberechtigten (Gast-)Professor mehr an der Spitze. Hauptseminare, Projektkurse und die darin geschriebenen Arbeiten dürfen aber nur Lehrenden mit Habilitation durchgeführt bzw. bewertet werden (anders als Proseminare, wo eine Promotion reicht). So betrifft der Weggang von Roth vermutlich mehr Veranstaltungen, als nur die von ihm selbst angebotenen. Es sei denn, aber hier betreten wir das Reich der Spekulation, ein anderer Professor übernimmt die Betreuung für Veranstaltungen und Notenvergabe im Modul Ideengeschichte. Bernd Ladwig würde sich hier natürlich wegen fachlicher „Nähe“ anbieten, ausserdem hat er schon mehrmals erwähnt dass er bereit wäre die Ideengeschichte mit zu betreuen. Das könnte – Betonung auf dem Konjunktiv – letzten Endes dazu führen, dass die Ideengeschichte entweder jetzt oder nach dem Auslaufen der neu eingerichteten Juniorprofessur doch komplett abgewickelt wird.

Was tun?

Diese Frage stellte sich schon Lenin, eindeutig beantworten können wir sie aber natürlich auch nicht. Allerdings gibt es mehrere Möglichkeiten: die politische Situation am Fachbereich und am Institut hat sich seit den Wahlen zu den akademischen Gremien deutlich verschoben. Das neue Dekanat und die neue Institutsleitung könnten durchaus bereit sein, das komplette Verfahren um den neuen Strukturplan (einer von vielen Artikeln dazu: hier) neu aufzurollen und der Ideengeschichte wieder zu mehr Gewicht zu verhelfen. Darauf verlassen sollten wir uns allerdings nicht. Und von allein passiert da sowieso nichts – deshalb wird es wohl darauf hinauslaufen (müssen), dass wir als Studierende wieder einmal selbst aktiv werden, ausserhalb der Gremien. In diesem speziellen Fall stehen auch die Chancen nicht schlecht, Unterstützung von anderen Wissenschaftlichen MitarbeiterInnen, PrivatdozentInnen und anderen Lehrenden zu erhalten.

Unsere Solidarität gilt in jedem Fall zunächst einmal Klaus Roth, dem ab Beginn des Sommersemesters (1. April) nur noch der Weg zum Arbeitsamt bleibt.

FUwatch ist Geschichte

„Nach gut 4 Jahren und über 500 Beiträgen schließt FUwatch heute seine Pforten.“ So leitet der stets anonym gebliebene Niklas seinen letzten Artikel auf dem studentischen Blog FUwatch ein („And so FUwatch faces the final curtain“, vom 28.2.2009) . Damit geht der Studierendenschaft an der FU eines der wenigen aktuellen, kritischen und dennoch lagerübergreifenden Informationsmedien verloren.
Das ist schade, und es bleibt abzuwarten ob sich ein Ersatzmedium (egal ob als Blog oder gedruckt) etablieren kann. In jedem Fall wünschen wir „Niklas“ 😉 alles Gute, und danken für die erhellenden Artikel, die auch uns oft genug als Inspiration, Quelle und Bezugspunkt dienten.