Die FU verschleudert Hunderttausende

Wir alle kennen es: egal was wir von den Verantwortlichen an der FU fordern, egal ob im direkten Gespräch oder nach Vermittlung der Instituts- oder Fachbereichsleitung, egal ob überzeugend begründet („konstruktiv“, wie die LHG immer so gerne sagt) oder nur als Polemik gemeint – stets bekommen wir die gleiche Antwort. Dafür ist kein Geld da. Ideengeschichtsprofessur? Kann nicht finanziert werden. Bezahlte Tutorien? Kann nicht finanziert werden. Ausfinanzierte Projekttutorien? Kann nicht finanziert werden. Ein Fortbestehen der dezentralen Bibliotheken an der FU? Kann nicht finanziert werden.
Ein überflüssiges, aber prestigeträchtiges Auslandsbüro, das Gala-Dinners veranstaltet? Klar, dafür ist Geld da.

Wie – neben anderen Medien – der „Tagesspiegel“ aktuell berichtet (*klick*), hat die FU den „Friends of Freie Universität Berlin“ in New York in den vergangenen Jahren mehr als eine Million Euro gegeben. Dieser Verein, bestehend aus Alumni, sollte in den USA Geld für die FU sammeln, ganz nach dem Vorbild der US-amerikanischen Eliteunis, bei denen Alumni-Beiträge einen beträchtlichen Anteil des Budgets ausmachen. Aber gut gemeint ist halt noch lange nicht gut gemacht. Und so steckte die Zentralverwaltung der FU seit 2003 Jahr für Jahr Tausende Euro in ihr New Yorker Büro, ohne auch nur annähernd für die Investition etwas zurück zu erhalten. Gleichzeitig wurden in Berlin Bibliotheken und Institute geschlossen und Professuren gekürzt.

Henry-Ford-Bau: Sanierung doch nicht über Spenden finanziert?

Dabei hatten die „Friends“ einen recht beachtlichen Erfolg beim Geldeintreiben vorzuweisen: eine Großspende in Höhe von 600 000 Dollar für die Sanierung des Henry-Ford-Baus. Die etwas älteren Semester werden sich erinnern, die fand vor einigen Jahren statt und war pünktlich zur Verkündigung des Exzellenzstatus der FU abgeschlossen. Das Geld kam von der Max-Kade-Stiftung – das frisch sanierte Auditorium Maximum im HFB wurde denn auch prompt nach Max Kade benannt.
Sehr nett, könnte mensch jetzt sagen, aber wie so oft gibt es auch hier einen Haken. Von den 600 000 Dollar ist nämlich so gut wie nichts in Berlin angekommen. Oder, wie das Präsidium in einem internen Prüfbericht selbst zugibt, „die gesamte Renovierung des Henry-Ford-Baus [wurde] aus Mitteln der Freien Universität bestritten [..]“. Na sowas. Merkwürdig nur, dass mensch erst heute etwas davon erfährt, und nicht zu der Zeit, als am HFB noch gebaut wurde.
Allerdings dürfte der angeblich nicht nach dem Antisemiten Henry Ford sr. benannte Henry-Ford-Bau damit auch einen neuen Rekord aufgestellt haben: den für das einzige Universitätsgebäude, das es schafft gleich zwei Namensgebungen mit „Geschmäckle“ in sich zu vereinen. Wenn die FU schon spitze ist, dann wenigstens konsequent.

Eine Million Euro – so what?

Seit einiger Zeit geht ja der/dem geneigten/_m Leser_in ein wenig der Maßstab für Geldbeträge verloren. Kein Wunder, wenn für marode Immobilienbanken oder zur Stützung des Euro Dutzende, wenn nicht gar Hunderte von Milliarden locker gemacht werden. Was ist da schon eine Million?

Nun, wer sich schon mal die Haushaltssitzungen des Instituts- oder Fachbereichsrats angesehen hat, wird sich wundern, mit welch schmalem Budget an der FU gewirtschaftet wird. Eine Million Euro entsprechen denn auch ziemlich genau dem Jahresbudget (!) des OSI; wir gehen nicht davon aus, dass das an anderen Instituten nennenswert anders sein dürfte. Der Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften musste in den letzten Jahren – also in genau dem Zeitraum, als die „Friends of Freie Universität“ in New York nutzlose Preise an Chefideologen des Neoliberalismus vergaben – kontinuierlich 7,5% des Haushalts pro Jahr einsparen. Das ging soweit, dass am OSI zwischenzeitlich das Klopapier aus den Kostenstellen vakanter Professuren bezahlt werden musste, weil dafür im regulären Haushalt kein Geld mehr da war.

Grundsätzlich macht sich wieder einmal bemerkbar, dass Intransparenz in Verbindung mit einer zu großen Machtfülle zu einer systematischen Verschwendung von Geldern führt. Beispiele dafür lassen sich genug finden, von der „Amigo-Affäre“ der bayerischen CSU über den Kölner Klüngel bis hin zum Berliner Bankenskandal. Wir erneuern daher unsere Forderung nach einer Abschaffung der Erprobungsklausel, die den Präsidialabteilungen aller Berliner Unis weitgehende Vollmachten eröffnet, und nach einer Einführung größerer Mitspracherechte aller Statusgruppen bei universitätsweiten Entscheidungen. Die Verlagerung von Kompetenzen aus den gewählten akademischen Gremien hin zu vom Präsidium verwalteten Exzellenz- und Strategiezentren muss aufhören!

Konsequenzen?

Es bleibt aber abzuwarten, welche Konsequenzen an der FU nun gezogen werden. Eine erste Folge dieser skandalösen Geldverschwendung steht schonmal fest, das Büro der „Friends“ in New York wird geschlossen. Spannend wird es eher bei der Frage, ob auch persönliche Konsequenzen gezogen werden. Dieter Lenzen hat es sich ja schon mal in Hamburg bequem gemacht. Darüber hinaus unterhält die FU im Rahmen ihrer Exzellenzstrategie der „Internationalen Netzwerkuniversität“ weitere Auslandsbüros in aller Welt – ein Vorhaben, das von Studierenden schon länger als Geldverschwendung kritisiert wird. Ob die Misswirtschaft des New Yorker Büros Auswirkungen auf das Wirken der anderen Auslandsbüros haben wird, ist ebenfalls noch nicht klar.

Klar ist dagegen: wir fordern die komplette Aufklärung dieser Mittelverschwendung, und wir fordern ein Ende der Sachzwangausreden als Absage an unsere Forderungen!

Nachtrag: Der „Tagesspiegel“ zu den Hintergründen und eher hilflosen Erklärungsversuchen des Präsidiums

Ein Kritiker weniger für das neue Präsidium

Am kommenden Mittwoch wählt der Erweiterte Akademische Senat (AS) der FU Berlin einen neuen Präsidenten und eine neue 1. Vize-Präsidentin. Überschattet wird die Wahl von Vorwürfen, dass das Ergebnis von vornherein fest stünde. Diese Vorwürfe kommen nun aber fast nur noch von Seiten der Studierenden – einer der prominentesten Kritiker des Präsidialamtes in den vergangen Jahren, OSI-Professor Hajo Funke, wurde vor Kurzem in einer fragwürdigen Aktion abgesägt.

Hajo Funke – beliebter Dozent, schwieriger Verbündeter

Hajo Funke dürfte vielen am OSI ein Begriff sein. Als einer von mittlerweile wenigen Profs war er ein Überbleibsel aus der Zeit, als das OSI als „rote Kaderschmiede“ in der ganzen BRD bekannt (um nicht zu sagen: berüchtigt) war. Seine Stelle, Politik und Kultur, wurde schon vor Jahren aus dem Strukturplan gestrichen, Funke blieb als Inhaber einer „Überhangsprofessur“ jedoch weiterhin am Institut. Seine Seminare waren bei vielen Studierenden beliebt und folglich gut besucht; seine Forschungen zu Rechtsextremismus in der BRD und zu den politischen Verhältnissen in den USA machten ihn auch einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Darüber hinaus war Hajo Funke stets auch ein politischer Akteur im Institut, am Fachbereich, und im Akademischen Senat. Hier ist seine Rolle jedoch deutlich zwiespältiger zu bewerten als seine Leistungen in Lehre und Forschung. Zwar gab sich Funke häufig als einer der schärfsten Kritiker des BA-/MA-Systems, der Ökonomisierung der Uni, der IB-lastigen Ausrichtung des OSI und nicht zuletzt des Lenzen-Präsidiums. Sein tatsächliches Abstimmungsverhalten blieb jedoch oft weit hinter seiner Rhetorik zurück: so stimmte Hajo Funke mehrmals gegen das Diplom am OSI, trug die Hinhaltetaktik des alten Dekanats in Sachen Ideengeschichte zumindest teilweise mit und versuchte immer mal wieder, mit fragwürdigen Kompromissen die Positionen der studentischen Gremienvertreter_innen aufzuweichen – natürlich ohne, dass ein vergleichbares Entgegenkommen von professoraler Seite gefordert wurde oder eingetreten wäre. Diese Politik hat in den letzten Jahren – leider – zu einer Entfremdung zwischen vielen der politisch aktiven Menschen am OSI (auch aus dieser Fachschaftsini) und Hajo Funke geführt.

Wie fehlende Drittmittel zur politischen Waffe werden

Doch während den Studierenden allenfalls eine Schimpfkannonade beim abendlichen Bier nach der Institutsratssitzung bleibt, um ihrer Verärgerung über bestimmte Aktionen von Hajo Funke Ausdruck zu verleihen, stehen natürlich einem Präsidium – zumal einem so mächtigen wie dem der FU – ganz andere Mittel zur Verfügung. Denn bei aller Kritik an der von ihm vertretenen Politik, eins muss mensch Hajo Funke zu Gute halten: er war einer der hartnäckigsten Kritiker des Präsidiums und des „Die Uni bin Ich“-Präsidenten Dieter Lenzen (Zitat „ZEIT“). Sowohl bei der Affäre um die Berufung von Albert Scharenberg (dazu der Uni-SPIEGEL) als auch im Streit um die Bibliotheken des Fachbereichs Politik- und Sozialwissenschaft (wir berichteten) und bei der Nominierung der studentischen Vertreter_innen in die Kommission für Lehrangelegenheiten (KfL) bezog Hajo Funke konsequent und wortmächtig Stellung gegen das Präsidium.

Dass das Präsidium und vor allem die frühere 1. Vizepräsidentin Ursula Lehmkuhl nicht gut auf den OSI-Professor Funke zu sprechen war, ist seit Langem ein offenes Geheimnis. Umso anrüchiger wird die Ablehnung des Antrags auf Verlängerung von Funkes Stelle. Diese lief nämlich zum Ende des Wintersemester 2009/10 wegen Erreichen der Altersgrenze aus, auf gut Deutsch: Hajo Funke sollte in Rente gehen. Nun ist es für Hochschullehrer_innen möglich, ihren Vertrag bis zu dreimal um jeweils ein Jahr verlängern zu lassen. Eine solche Verlängerung verlangt aber die Zustimmung des Präsidiums, ausserdem muss die Finanzierung gesichert sein – das heißt, die Verlängerung erfolgt entweder auf einer vorgesehenen Stelle, für die ohnehin Geld da ist, oder wird durch Umlagen oder Drittmittel finanziert.

Hajo Funke stellte nun kurz vor Ende seiner Dienstzeit einen Antrag auf Verlängerung. Die Finanzierung aus Mitteln des Dekanats am Fachbereich PolSoz war gesichert, dem Präsidium wären keine Kosten entstanden. In einer internen Abstimmung sprachen sich drei von fünf Mitgliedern des Präsidiums für die Verlängerung aus. Doch nun schlug die Stunde der Ursula Lehmkuhl: als derzeit geschäftsführende Präsidentin machte sie von ihrer „Richtlinienkompetenz“ Gebrauch und lehnte die Verlängerung ab. Der (angebliche) Grund: die fehlende Beteiligung Funkes an Drittmittel-finanzierten Forschungsprojekten in den letzten Jahren. Der nicht nur von Studierenden erhobene Vorwurf lautet dagegen: hier sollte ein bekannter Kritiker des Präsidiums mundtot gemacht werden.

Die Absage an Hajo Funke ging so kurzfristig ein, dass eine gerichtliche Einigung nicht mehr möglich war. Somit ist Hajo Funke seit dem 1.4.2010 offiziell im Ruhestand. Dem OSI geht damit eine der letzten kritischen Stimmen und einer der wenigen Verfechter der Ansicht, dass Politikwissenschaft mehr sein müsse als IB und Governanceforschung, verloren.

Das neue Präsidium – Perpetuierung der ALTen Zustände

Seitdem Dieter Lenzen nach Hamburg entschwunden ist und nun dort die Studierenden mit neoliberaler Konkurrenzscheiße, Exzellenzwahn und Top-Down-Verwaltung beglücken darf, sucht die FU eine_n neue_n Präsident_in. Ein transparentes Verfahren sollte es werden, in dem viele Bewerber_innen eine gleichberechtigte Chance haben sollten. Dass das nicht funktionieren würde, so lange der bisherige Lenzen-Klüngel im Akademischen Senat die Zügel in der Hand hält, hätte eigentlich klar sein müssen. In der Sichtungskomission für mögliche Kandidat_innen war gerade mal ein Sitz für die Studierenden reserviert; unter 14 Bewerber_innen wurde ein Einziger als Kandidat vorgeschlagen: Peter-André Alt, Literaturwissenschaftler und Direktor der Dahlem Research School. Selbst die Berliner Zeitung berichtete von einem abgekarteten Spiel, da gleichzeitig mit Alt das AS-Mitglied Monika Schäfer-Körting als 1. Vizepräsidentin gewählt werden soll. Schäfer-Körting ist über die Liste der so genannten „Liberalen Aktion“ in den AS gewählt worden, einer Wahlliste die den parlamentarischen Arm der „Notgemeinschaft für eine Freie Universität“ (NoFU) darstellte. Die NoFU machte in den 1970er und 80er Jahren von sich reden, weil sie (vermeintlich) linke Studierende bespitzelte und deren Namen an mehr als 1700 Stellen in der gesamten BRD verschickte, was für viele in Zeiten des Radikalenerlasses ein vorzeitiges Karriereende bedeuten konnte. (Vgl. auch Pressemitteilung des AStA FU vom 29.3.2010)

Um den Anschein einer demokratischen Wahl unter mehreren Kandidat_innen zu wahren, wurden schließlich noch ein Bewerber und eine Bewerberin eingeladen, sich vor dem AS vorzustellen: Raúl Rojas, Informatiker an der FU, und Christiane Lemke, Politikwissenschaftlerin von der Uni Hannover. Nach der Vorstellung ihrer jeweiligen Programme im Akademischen Senat zog Rojas seine Kandidatur direkt im Anschluss zurück; Christiane Lemke folgte zu Beginn dieses Semesters (Artikel im „Tagesspiegel“). Somit bleibt nur Peter-André Alt als Kandidat für das Amt des Präsidenten und Monika Schäfer-Körting als 1. Vizepräsidentin übrig. Das Studierendenparlament hat die studentischen Vertreter_innen im Erweiterten Akademischen Senat dazu aufgerufen, die Wahl zu boykottieren (Presseerklärung des AStA FU vom 23.4.2010). Da die professorale Mehrheit aber bereits im Vorfeld so wunderbar ausgeklüngelt wurde, ist durchaus mit einer Wahl von Alt und Schäfer-Körting zu rechnen.

Einen Kritiker weniger haben sie, dank des – nach dem Geziehe um die Juniorprofessur von Albert Scharenberg – erneut rechtswidrigen Eingriffs von Prof. Dr. Ursula Lehmkuhl in Personalangelegenheiten schon mal. Und auch worauf sich protestierende Student_innen unter dem neuen Präsidium gefasst machen können, gibt Monika Schäfer-Körting einen ersten Vorgeschmack: die Anzeigen gegen die Besetzer_innen des Hörsaals 1A, die am 14. Februar aus dem Gebäude geräumt wurden, werden von der Unileitung aufrecht erhalten.

Wahl des neuen Präsidiums durch den Erweiterten Akademischen Senat: Mittwoch, 12.5., um 15 Uhr im AS-Sitzungssaal (Henry-Ford-Bau). Kritische Stimmen sind mit Sicherheit erwünscht…