Politikberatung

À la recherche de la définition perdue

Wäre ich Vater und mein Kind fragte mich: „Papa, was ist eigentlich Politikberatung?“, so müsste ich weit ausholen. Das liegt läge daran, dass der Begriff Politikberatung in den letzten Jahrzehnten in mehrfacher Hinsicht eine Bedeutungsausdehnung erlebt hat (siehe Falk et al. 2019).

Politikberatung kann sich an verschiedene Adressaten richten. So gibt es beispielsweise die Politiker- und Regierungsberatung und die Öffentlichkeits- und Gesellschaftsberatung oder anders ausgedrück: Politikberatung und Politikerberatung. Die Beratungsleistung kann einerseits Politikinhalte betreffen (Policies), oder Hilfestellung bei der Gestaltung von politischen Prozessen geben (policy consulting im Bereich der Politics), oder gar die Expertise über die Polity an sich bereitstellen (ebd.: S14ff; Falk/Römmele 2099: 10f).

Somit ist Politikberatung, wie es Siefken polemisch zuspitzt: „Politikberatung ist Beratung von allen, durch alle und zu allen!“ (Siefken 2010: 129). Er macht einen berechtigten Punkt, denn in der Tat erscheint auch mir nach der Lektüre der Primo-Hitliste zu Politikberatung der Begriff in Gefahr zu sein konzeptionell überdehnt zu sein. Sartori lässt grüßen!

Unsere Forschung beschäftigt sich zwar mit einem Subtypen der Politikberatung, nämlich der wissenschaftlichen Politikberatung, doch nichtsdestotrotz müssen wir auch den Überbegriff „Politikberatung“ angemessen definieren, um unseren Forschungsgegenstand einzugrenzen.

Daher plädiere ich an dieser für die von Siefken vertretene engere Perspektive auf Politikberatung (Siefken 2010: 131): Politikberatung ist demnach

  • (was?) die Bereitstellung von Expertise über Politikinhalte, sie zielt darauf ab, was der Staat tun soll (ebd.: S. 131 und 135),
  • (wer?) von Leuten mit Fachkompetenz, die aber nicht notwendigerweise Wissenschaftler:innen sein müssen (ebd.: 129f)
  • (für wen?) für Politiker:innen/Beamt:innen (ebd.: 131f).

Ziel der Beratenden ist es „die Sichtweisen des Beratenen zu flexibilisieren und Unterstützung für die selbstständige Verhaltenswahl anzubieten“ (Buchholz in In der Smitten 2010 S.78). Im Gegensatz zu Lobbyismus geht es darum, auf Basis des Wissensvorsprung gegenüber dem Beratenen (der wiederum über die alleinige Entscheidungsgewalt verfügt) einen Beitrag zur sogenannten Problemlösung zu leisten. (ebd.: 78) Lobbyarbeit dagegen orientiert sich am eigenen Interesse am Outcome (siehe Kopka et al. 2019: 2).

Wie sich diese „Politikberatung im engeren Sinne“ abgrenzt, hat Siefken in einem aufschlussreichen Schaubild zusammengefasst (S.135):

S. 135

Politikberatung beschäftigt sich also mit konkreten Politiken und Handlungsoptionen, wohingegen Political Consulting oder Politikberatung im weiteren Sinne sich auch auf die Gestaltung von Prozessen und Strategien erstreckt. Auf den ersten Blick erscheint die Trennlinie klar, in der Praxis kann ich mir aber vorstellen, dass sie nicht eindeutig verläuft und erkennbar ist.

Unklar bleibt noch, welchen Output die Politikberatung liefert bzw. in welcher Form die Beratungsdienstleistung erfolgt. In einer ersten Annäherung an die Politikberatung hat Thilo bereits Policy-Paper und instutionalisierte Orte (Gremien, Kommissionen) genannt. In diesem Zusammenhang lohnt es sich in einem weiteren Blogartikel die Interaktionsformen der Beratung genauer zu untersuchen. In der Smitten weißt darauf hin, dass Politikberatung unbewusst oder ungewollt erfolgen kann, wenn beispielsweise Politiker:innen Forschungstexte lesen und daraus Handlungsoptionen ableiten ohne dass dies von den Verfasser:innen intendiert war (In der Smitten: 78f)

Darüber hinaus bleibt zu klären, inwiefern Politikberatung das Outcome, die Entscheidung über Politik A oder Politik B, beeinflusst. Gerade bezüglich des Outcomes war die erste Runde der Literaturrecherche wenig ergiebig.

Literaturverzeichnis

Falk, Svenja; Glaab, Manuela; Römmele, Andrea; Schober, Henrik; Thunert, Martin (Hg.) (2019): Handbuch Politikberatung. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. 2. Auflage 2019. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH; Springer VS. S. 15.

Falk, Svenja; Römmele, Andrea (2009):
Der Markt für Politikberatung. Wiesbanden: Springer VS.

Kopka, Artur; Minkenberg, Michael; Piontek, Dorota (2019): Einführung: Politikberatung und Lobbyismus in ländervergleichender Perspektive. In: Artur Kopka, Dorota Piontek und Michael Minkenberg (Hg.): Politikberatung und Lobbyismus im parlamentarischen Entscheidungsprozess. Deutschland und Polen im Vergleich. 1. Auflage 2019. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 1–24.

Siefken, Sven T. (2010): Ist denn alles Politikberatung? Anmerkungen zum Begriff und der Diagnose institutionalisierter Kooperation. In: Politische Vierteljahresschrift 51 (1), S. 127–136.

Smitten, Susanne in der (2010): Die Hochschulforschung in der Politikberatung. In: Z Politikberat 3 (1), S. 75–87. DOI: 10.1007/s12392-010-0236-x.

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