Max Rosenbaum

Wie würdest Du Deinen sozialen Hintergrund beschreiben?

Ich wuchs nur kurze Zeit in der DDR auf und bin dann als Flüchtlingskind in der BRD groß geworden. Nachdem meine Eltern (beide damals Schriftsetzer) und ich aus der DDR übergesiedelt und sie dafür längere Zeit inhaftiert waren, ließen sie sich scheiden. Ich wuchs dann bei meiner Mutter auf und hatte nur wenig Kontakt zu meinem Vater. Das Viertel, in dem ich aufwuchs, war ein multikulturelles Arbeiterviertel, in dem niemand große Sprünge machen konnte. Bei den meisten meiner Bekannten stand schon fest, dass sie den Weg ihrer Eltern übernehmen würden. Meine Mutter und ich waren dort aber auch diejenigen, die fast obdachlos wurden, weil es eben ständig an Geld fehlte. Dennoch hat meine Mutter meine Neugier am Lernen immer unterstützt und mir auch klar gemacht, dass, wenn meine Noten auch mal schlecht sein sollten, ich keine Angst davor haben sollte, sie ihr zu zeigen. Denn ich würde nicht für sie lernen, sondern für mich selbst. Somit wurde ich auch der erste in meiner Familie, der ein abgeschlossenes Studium vorweisen konnte.

Was waren für Dich besondere Schwierigkeiten, die mit Deinem Hintergrund zu tun hatten oder haben, und gibt es ein Beispiel für eine Erfahrung oder Anekdote, die diese gut veranschaulicht?

Mir fallen zwei Beispiele ein, die ein wenig aufeinander fußen und sehr prägend waren.

Am Ende der Orientierungsstufe erhielt ich das Prädikat „Geeignet für Hauptschule“. Nachdem ich dann das dritte Mal umzog, probierte ich es dennoch an einer Realschule, wo mir von Anfang an ganz klar gesagt wurde, dass es Kinder mit einer Hauptschulempfehlung hier so oder so nicht schaffen würden. Seltsamerweise hatte ich in allen Fächern durchschnittlich gute Leistung, bis auf die drei Hauptfächer Deutsch, Mathe und Englisch. Nach einem Jahr wechselte ich dann die Schule, weil ich dadurch nicht in die nächsthöhere Klasse kam, so wie es „prophezeit“ wurde.

Später wollte ich dann Abitur machen. Der Oberstufenleiter riet mir davon ab, schließlich kannte er meinen Werdegang. Er rief sogar meine Mutter auf Arbeit an, um ihr zu sagen, dass sie mir das doch bitte ausreden solle, weil meine Noten nicht so aussahen, als würde ich den erweiterten Realschulabschluss und überhaupt das Abitur schaffen.  Als ich dann mein Abitur in der Tasche hatte, kam er zu mir und entschuldigte sich bei mir, weil er wirklich gedacht hatte, dass ich es nicht schaffen würde. Das war zwar eine nette Geste, dennoch war es wahrscheinlich steiniger, als es hätte sein müssen. Das waren für mich nicht nur Schwierigkeiten, sondern ich hatte an mehreren Stellen aktiven und harten Gegenwind, den man teilweise nur extrem schwer aushalten konnte. Andererseits denke ich, wenn ich diesen harten Weg nicht gehabt hätte, wäre ich vielleicht nicht zur Philosophie gelangt.

Was hat Dir dabei besonders geholfen, diese oder andere Schwierigkeiten zu überwinden, und gibt es auch hier ein Beispiel für eine Erfahrung oder Anekdote, die dies gut veranschaulicht?

Ich denke, hierbei hat mir die Mischung aus zwei Denkweisen geholfen.

Einerseits eine gewisse Flexibilität, die ich aber erst in viel späteren Jahren aktiv wahrnahm, die aber sicher teilweise auch durch die ständigen Umzüge mitverursacht wurde. Andererseits das Mindset für Situationen, in denen niemand an dich glaubt und du ganz alleine auf weiter Flur stehst. So nach dem Motto, wenn andere behaupten: „Das schaffst du nie!“ und man antwortet: „Ich werde euch zeigen, wie ich es mache!“ Diese Kombination aus beiden Denkarten hat bei den Problemen und deren Bewältigung eine große Rolle gespielt, denn ich habe aktiv etwas unternommen, in einer fast ausweglosen Situation, und sie nicht einfach über mich hinwegrollen lassen.

Ein Beispiel dafür ist sicherlich meine Zeit nach dem Studium, wo ich sofort in Hartz IV rutschte. Beim Arbeitsamt wurde ich wehleidig angesehen, als ich offerierte, was ich studiert habe, und eine Dame sagte mir im geheimen Kämmerlein, dass ich so gut wie keinerlei Marktwert hätte, selbst wenn ich mit Magister mein Studium vollendet habe. Diesen Marktwert konnte ich mittlerweile verbessern, durch ständige Weiterbildungen in anderen Bereichen, aber auch eben durch meine Arbeit als Blogger. Es ist dann eben nicht der typische Weg, den man als Philosoph vielleicht einschlägt, aber es ist mein Weg und andere hätten das möglicherweise nicht so geschafft. Andererseits habe ich auch noch vor zu promovieren, und selbst die Suche nach einem Doktorvater bzw. einer Doktormutter gestaltete sich bisher schwierig; doch auch das werde ich sicherlich noch schaffen.

 Max Rosenbaum ist Philosophie Blogger auf unter www.denkatorium.de.

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