Ukraine-Krise

Chronik

In unserem Forschungsprojekt beschäftigen wir uns mit dem Umgang der deutschen Politik mit Russland ab Beginn der Ukraine-Krise 2013/14. Doch worum ging es bei dieser Krise? Was ist in der Ukraine genau geschehen? Im Folgenden möchten wir einen chronologischen Überblick über die Geschehnisse ab November 2013 geben, die grundsätzlich den sogenannten Euromaidan in Kiew, die Annexion der Halbinsel Krim im Süden der Ukraine durch Russland sowie den Krieg in der Ostukraine umfassen.

Die Ukraine-Krise beginnt in Kiew. Am 21. November 2013 entschließt sich der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch auf russischen Druck hin überraschend, ein bereits fertig ausgehandeltes Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen. Am Abend versammeln sich Bürger:innen, vor allem junge Studierende, auf dem zentralen Platz der Stadt, dem Maidan Nesaleschnosti, um gegen diese Entscheidung zu protestieren.

In der Nacht vom 30. November auf den 01. Dezember räumt die Polizei unter Anwendung von Gewalt ein Protestlager der Demonstrierenden. Das harte Vorgehen mobilisiert große Teile der Bevölkerung, die sich in den kommenden Tagen und Wochen den Protesten anschließen, so dass diese bis zu 800.000 Teilnehmende zählen. Sie fordern den Rücktritt der Regierung. Auch im restlichen Land gibt es in den folgenden Wochen Pro- und Anti-Maidan Kundgebungen. Auf der Krim bilden sich aus den Anti-Maidan Protesten Mitte Dezember erste Gruppierungen heraus.

Am 16. Januar 2014 verabschiedet das ukrainische Parlament ein Gesetz, welches die Meinungs- und Versammlungsfreiheit drastisch einschränkt. Unter anderem das Aufstellen von Zelten, Bühnen und Lautsprecheranlagen sowie das Tragen von Masken bei Demonstrationen wird verboten, außerdem kann das Beschädigen sowjetischer Denkmäler mit drei bis fünf Jahren Freiheitsentzug bestraft werden. Die Demonstrationen, die um den Jahreswechsel etwas abgekühlt waren, flammen wieder auf und schlagen in Gewalt um. Barrikaden werden errichtet, um die Räumung des Maidan zu verhindern.

In Simferopol auf der Krim versammeln sich am 28. Januar über 1000 Menschen, um gegen den Maidan zu protestieren. Organisiert von der Partei „Russische Einheit“ gilt die Kundgebung im russischen Narrativ als Beginn des „Krim’schen Frühlings“. Am selben Tag demonstrieren auch Angehörige der krimtatarischen Minderheit auf der Insel gegen den Präsidenten und solidarisieren sich mit dem Maidan.

Zwischen dem 18. und dem 20. Februar eskaliert die Lage auf dem Maidan. Bei heftigen Zusammenstößen der Demonstrierenden und der Sicherheitskräfte werden unter anderem Blendgranaten und Molotov-Cocktails eingesetzt, Scharfschützen schießen von Dächern auf die Aktivist:innen. Im Hotel Ukraina werden Leichen zur Identifizierung aufgebahrt. Insgesamt sterben rund 100 Menschen, um die 1000 werden verletzt. Von russischer Seite ertönen derweil erste Stimmen, dass die Krim eventuell an Russland gehen könnte.

Nach Verhandlungen mit der Opposition unter polnischer, französischer und deutscher Vermittlung kündigt Präsident Janukowitsch am 21. Februar vorgezogene Präsidentschaftswahlen noch für das laufende Jahr sowie die Rückkehr zur Verfassung von 2004 an. Die Protestierenden auf dem Maidan fordern jedoch den sofortigen Rücktritt Janukowitschs, sowie einen Prozess gegen ihn.

Am 22. Februar unterstützt die Werchowna Rada mit 328 Stimmen die Entschließung zur Absetzung von Janukowitsch aus der Präsidentschaft im Zusammenhang mit seiner Selbstentlassung aus seinen Pflichten und ernennt eine vorzeitige Präsidentschaftswahl für den 25. Mai.

Am 23. Februar demonstrieren in Sewastopol auf der Krim 25.000 Menschen gegen den Maidan und die neue Regierung. Parallel findet erneut eine von den Krimtataren organisierte Gegendemonstration statt, die sich mit der neuen Regierung solidarisiert.

Am 25. Februar gibt die Generalstaatsanwaltschaft bekannt, dass Janukowitsch wegen Verdachts auf Massaker gesucht wurde. Zwei Tage später wird bekannt, dass der flüchtige Ex-Präsident in Russland Zuflucht gefunden hatte.

Am 26. Februar 2014 finden im Rahmen des Obersten Rates der Autonomen Republik Krim in Simferopol zwei Kundgebungen und Zusammenstöße zwischen ihren Teilnehmern statt. Pro-russische Organisationen fordern die Annexion der Halbinsel an Russland, und die Krimtataren und Maidan-Unterstützer befürworten die territoriale Integrität der Ukraine und blockieren das Regionalparlament auf der Insel. Bei den Zusammenstößen werden zwei Menschen getötet und 30 verletzt.

In der Nacht vom 27. Februar 2014 werden die Gebäude des Krimparlaments und der Regierung von unbekannten bewaffneten Personen ohne Erkennungszeichen beschlagnahmt und mit der russischen Flagge über ihnen geführt.

Am 1. März appelliert der selbsternannte „Regierungschef der Krim“ Sergei Aksyonov an Wladimir Putin mit dem Appell, „Frieden und Ruhe auf der Halbinsel zu gewährleisten“. Zur gleichen Zeit beginnen russische Truppen, ukrainische Militärbasen auf der Krim zu blockieren. Am selben Tag gibt der Föderationsrat der Russischen Föderation Putin offiziell das Recht, Truppen in das Gebiet der Ukraine zu entsenden.

Nach der Krim beginnen am 1. März in Donezk und Lugansk groß angelegte pro-russische Demonstrationen. An diesem Tag hissen die Demonstranten russische Flaggen über den Gebäuden der regionalen Staatsverwaltungen von Donezk und Lugansk. Die Separatisten werden von den selbsternannten „Volksgouverneuren“ Pavel Gubarev und Valery Bolotov angeführt, die noch niemandem bekannt sind.

Am 9. März in Luhansk und am 13. März in Donezk kommt es zu ersten Zusammenstößen zwischen pro-ukrainischen und pro-russischen Streitkräften. Am 9. März zerstreuen die Separatisten anlässlich des 200. Geburtstages von Taras Shevchenko eine Kundgebung, und am 13. März greifen sie eine Kundgebung für die Einheit der Ukraine in Donezk an. Das erste Opfer der Zusammenstöße ist der Student Dmitry Chernyavsky, der bei einer Kundgebung in Donezk von einem separatistischen Anhänger erstochen wird.

Am 16. März 2014 veranstalten die Besatzungsbehörden das sogenannte „Referendum“  über die Unabhängigkeit der Autonomen Republik Krim, das den Anschein der Legitimität der Annexion der Halbinsel durch Russland erwecken sollte.

Bereits zwei Tage später, am 18. März, unterzeichnet Präsident Wladimir Putin in Moskau ein Abkommen mit den Führern der Krim-Separatisten, das die Annexion besiegelte. Die Weltgemeinschaft verurteilt die Annexion der Halbinsel und verhängt eine Wirtschaftsblockade gegen die Krim. Russlands Aktionen werden nur von Ländern wie Nauru, Nicaragua und Venezuela unterstützt.

Die wirkliche Eskalation der Gewalt in der Region beginnt jedoch im April. Am 6. April 2014 umzingeln und beschlagnahmen unbekannte bewaffnete Personen die Räumlichkeiten der regionalen Staatsverwaltung von Donezk.

Im April werden im Donbass die sogenannte „Volksrepublik Donezk“ und die „Volksrepublik Lugansk“ proklamiert. Ein Versuch, eine „Volksrepublik“ zu proklamieren, wird auch in Charkow unternommen, ähnliche Pläne werden für andere Regionen des Ostens und Südens der Ukraine ausgearbeitet, aber dort schlägt der „russische Frühling“ nach dem Szenario der russischen Sonderdienste fehl.

Am 12. April 2014 erscheinen in Sloviansk und Kramatorsk bewaffnete Personen ohne Erkennungszeichen.

Am 13. April 2014 beginnen die ukrainischen Behörden im Osten der Ukraine in den Regionen Donezk und Luhansk mit der Antiterroroperation (ATO).  Die Militanten erhalten aus Russland Waffen, Arbeitskräfte und dann die verschiedensten militärischen Ausrüstungsgegenstände – Panzer, Kanonen, gepanzerte Personaltransporter, „Grads“ und vieles mehr. Die Konfrontation entwickelt sich immer mehr zu einem echten Krieg. Eine Reihe ukrainischer und westlicher Politiker und Experten bezeichnen den Konflikt in Donbass als „hybriden Krieg“ zwischen Russland und der Ukraine.

Am 2. Mai kommt es in Odessa, später als Odessa-Tragödie bekannt, zu Zusammenstößen und Unruhen. Der Kampf wird zwischen den pro-ukrainischen Ultras der Fußballclubs Chernomorets und Metalist, Aktivisten des örtlichen Euromaidan einerseits und pro-russischen Aktivisten andererseits begonnen.

Die Konfrontation beginnt im Zentrum der Stadt auf den Straßen von Grecheskaya und Deribasovskaya und führt dann zu Zusammenstößen auf dem Kulikovo-Feld, auf dem sich das örtliche Anti-Maidan-Lager befindet . Auf dem Kulikovo-Feld wird das Gebäude des Gewerkschaftshauses in Brand gesteckt , in dem sich Anhänger der Separatisten verstecken.

Infolge von Zusammenstößen und einem Brand im Haus der Gewerkschaften werden 48 Menschen getötet, mehr als zweihundert wenden sich an medizinische Einrichtungen, um Hilfe zu erhalten.

Nachdem Viktor Janukowitsch aus dem Land geflohen war, kündigte die Werchowna Rada eine vorgezogene Präsidentschaftswahl für den 25. Mai an. Der Sieg wird von einem der reichsten Ukrainer, dem Eigentümer der Roshener Firma Petro Poroshenko, errungen .

Die Einweihung von Petro Poroshenko findet am 7. Juni statt .

Eine der ersten Initiativen von Poroshenko ist ein Friedensplan für Donbass. Aber die Militanten stimmen einem Waffenstillstand nicht zu. Die Anti-Terror-Einsatzkräfte starten nach Befehl des Präsidenten erfolgreich eine Gegenoffensive und erobern einen erheblichen Teil von Donbass von Terroristen zurück

In der Nacht des 5. Juli verlassen die Militanten der DVR Slavyansk wegen der Offensive der ukrainischen Truppen. Zweieinhalb Monate lang gelang es den Militanten, die Stadt zu halten und die Angriffe der ATO-Streitkräfte abzuwehren. Während dieser Zeit wurde Slavyansk für die Separatisten ein Symbol des Widerstands gegen die ukrainischen Truppen, und Girkin, von einem gewöhnlichen Führer der Militanten, wurde zu einem kultigen „Feldkommandanten von Novorossiya“. Deshalb war die Eroberung von Slawjansk durch ukrainische Truppen für die gesamte Antiterroroperation von besonderer Bedeutung.

17. Juli 2014: Ein Passagierflugzeug von Malaysia Airlines mit 298 Menschen an Bord wird über der Ostukraine wohl von einer Flugabwehrrakete getroffen und stürzt ab, alle Insassen kommen ums Leben. Regierung und Rebellen geben sich gegenseitig die Schuld.

22. August 2014: In Luhansk trifft ein russischer Hilfskonvoi ein – jedoch ohne Genehmigung Kiews. Die ukrainische Regierung wirft Moskau eine „direkte Invasion“ vor.

5. September 2014: Bei einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Minsk vereinbaren Regierung und Separatisten unter anderem eine Waffenruhe. Bei den Kämpfen wird immer klarer, dass die ukrainische Armee den Krieg nicht gewinnen kann. Dazu kommen immer mehr Hinweise über eine mögliche Präsenz russischer Soldaten. Später wird das Minsker Abkommen durch eine Vereinbarung ergänzt, die insbesondere eine demilitarisierte Pufferzone entlang der Frontlinie vorsieht.

2. November 2014: In den „Volksrepubliken“ Donezk und Lugansk lassen die Separatisten ein Parlament und einen Präsidenten wählen. Damit unterwandern sie das Minsker Abkommen. Kiew spricht von illegaler „Machtübernahme“, Russland akzeptiert die Abstimmung.

20. November 2014: Trotz Waffenruhe kommt es immer wieder zu Gefechten zwischen der ukrainischen Armee und prorussischen Separatisten.

Quellen

Halling, Steffen/Klein, Eduard (2019): Vom Maidan bis zur Angliederung – eine Chronik. In Dekoder. https://crimea.dekoder.org/chronik.

Rietzschel, A.; Munzinger, P. (12.02.2015): Krieg in der Ukraine: Und wieder Minsk. Abgerufen 4.02.2021 von https://www.sueddeutsche.de/politik/krieg-in-der-ukraine-und-wieder-minsk-1.2338633

Weisflog, Christian/Mijnssen, Ivo (2019): Chronologie der Maidan-Revolution. https://www.nzz.ch/international/ukraine-chronologie-der-maidan-revolution-ld.1290571

Заяц, П. (22.12.2014): Хроника-2014. Все самые важные события переломного для Украины года. Abgerufen 22.01.2021 von https://news.obozrevatel.com/politics/40283-itogi-goda–chast-1.htm?_gl=1*78pp72*_ga*MTE3NTQzNTA0OS4xNjExNjgwOTI5*_ga_JBX3X27G7H*MTYxMTc1OTA2NC4yLjEuMTYxMTc1OTEzMi4w&_ga=2.99990360.713142257.1611680936-1175435049.1611680929

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