Ethnographische Schnitzeljagd: Neues von der Kantstraße

von Lara Fischer, Nicole Risto und Arian Malek*

Im Rahmen von Frau Reihers Kurs zu den Arbeitstechniken und Methoden im sozialwissen-schaftlichen Bereich der Japanologie haben wir Anfang Juni 2024 eine “ethnologische Schnitzeljagd” nahe der Kantstraße in Berlin-Charlottenburg durchgeführt. Als wir das erste Mal von der “ethnologischen Schnitzeljagd” hörten, dachten wir, dass Frau Reiher für uns Hinweise und Rätsel vor Ort verstecken würde, die wir dann mit Hilfe unserer Kenntnisse und Fähigkeiten lösen müssten. Ganz so ist es am Ende nicht gekommen, trotzdem war es eine bereichernde Erfahrung, die japanischen Restaurants und Cafés in Berlin, die in den letzten Jahren stetig zugenommen haben, nicht nur aus Sicht des Gastes, sondern als Sozialwissenschaftler zu erforschen. Aufgabe war es, neben dem Aussehen, der Kundschaft und dem Menü der Restaurants auch das eigene Verhalten während der Feldarbeit zu beobachten und zu reflektieren.

Wir haben uns streng an Frau Reihers Vorgaben gehalten und sind am U-Bahnhof Wilmersdorfer Str. gestartet. Von dort mussten wir uns erst mal zwischen all den Baustellen zurechtfinden, um schließlich beim Gohan anzukommen, an welchen wir fast vorbei gelaufen wären, da es eng zwischen den angrenzenden Gebäuden liegt. Das Gohan ist ein yatai ähnlicher Imbiss, in dem verschiedene donburi (Reisschüssel mit Beilage) angeboten werden. Da der Imbiss in Berlin liegt, hat er sich hinreichend an seine Kundschaft angepasst und neben Varianten mit Hühnchen gibt es auch viele vegane oder vegetarische Gerichte. Nicole kannte die Kantstraße namentlich nicht und war beim Anblick vom Gohan sehr überrascht. Tatsächlich war sie nämlich vorher schon einmal dort gewesen und hatte auch etwas zu Essen bestellt. Zwar erinnert sie sich nicht daran, was sie bestellt hatte, aber daran, dass es ihr sehr gut geschmeckt hatte.

Der Imbiss Gohan
Copyright © Lara Fischer, Nicole Risto und Arian Malek 2024

Lara fragte auf Japanisch die Mitarbeitenden um Erlaubnis, Bilder von dem Restaurant machen zu dürfen, woraufhin sie sich hinter der Theke versteckten, damit sie nicht auf den Bildern zu sehen sind. Das fanden wir irgendwie sehr putzig, und verdeutlichte einerseits wie viele Umstände sich das Personal für die Kundschaft macht, als auch wie wichtig das eigene Recht am Bild für Japaner*innen ist, was einige möglicherweise in Zeiten von Influencern und Social Media zu vergessen geraten und auch wir uns für unsere zukünftige Arbeit an unserem Video für diesen Blog merkten.

Die japanische Bäckerei Kame
Copyright © Lara Fischer, Nicole Risto und Arian Malek 2024

Unser nächster Halt war die “Kame Bakery”, die Lara bisher einmal zuvor mit einer Freundin in der Filiale in der Linienstraße besucht hatte. Ähnlich wie in Mitte, war auch die Stimmung in der Kantstraße sehr entspannt. Passend stand in der Bücherecke ein Kinderbuch mit dem Titel “Donguri mura no panya-san (Die Bäckerei im Eichenwald)“ und die Theke wartete mit vielen kleinen okashi auf: Matcha Brownies, yuzu) Cheesecake, Sesam Cookies und Himbeer mochi. Auch hier ließ sich eine interessante Mischung aus japanischer Tradition und westlichem Charme feststellen, der in Berlin bestimmt ein breites Publikum anspricht. Ähnlich waren auch die Angestellten in allen von uns besuchten Restaurants irgendwie “Freigeister”, die ihren eigenen Weg außerhalb von Japan in einer etwas lockeren Atmosphäre wie der von Berlin zu suchen und gefunden zu schienen haben. 

Süßigkeiten in der Bäckerei Kame
Copyright © Lara Fischer, Nicole Risto und Arian Malek 2024

Im Heno Heno”, dem vorletzten Restaurant auf unserer Route, begrüßte uns draußen bereits die verkleidete henoheno moheji Puppe mit einem Grinsen. Hier entschieden wir uns dazu, etwas Rast zu machen, und aßen alle jeweils Soba oder Udon Nudeln. In den Lokalen davor hielten wir uns jeweils nur für ein paar Minuten auf, so dass es schwer fiel Veränderungen in der Kundschaft oder der Atmosphäre festzustellen, was uns aber erst im Heno Heno bewusst wurde, da wir hier mehr Zeit verbrachten. Wir liefen ebenfalls an der Sake Sushi Bar vorbei, die sich auf der anderen Seite des Blocks befand. Anders als die bisherigen Restaurants schienen die Betreiber hier nach einem luxuriöseren Stil zu streben, der eine gehobenere Atmosphäre vermittelte. So gehoben, dass wir ehrlicherweise zu eingeschüchtert waren, die Bar zu betreten, ohne etwas zu kaufen, sodass wir letztendlich nur Bilder von außen machten. Die “ethnologische Schnitzeljagd“ machte uns somit auch auf unsere Schwächen aufmerksam und resultierend daraus bewusst, an welchen Stellen wir an uns arbeiten müssen. Sie war allerdings auch in dem Sinne hilfreich, dass sie eine gute erste Erfahrung war, wie es in etwa ist, Feldarbeit durchzuführen. Insbesondere auch an belebten Orten, an denen man sich im ersten Moment vielleicht etwas unwohl fühlt, in die Sphäre anderer Menschen einzudringen, etwa durch das Notizenmachen oder Fotografieren.

Das haben wir im Heno Heno gegessen
Copyright © Lara Fischer, Nicole Risto und Arian Malek 2024

Hier noch unsere subjektiven Eindrücke der ethnographischen Schnitzeljagd:

Spannend war auch zurück im Unterricht zu hören, dass viele durch ihre Beobachtungen und Nachfragen doch irgendwie den Besitzer*innen oder Mitarbeitenden aufgefallen sind, und so viele interessante Gespräche zustande kamen. Am Ende hat die “ethnologische Schnitzeljagd“ mich wohl am meisten gelehrt, dass, wenn man aus diesem Unwohlsein herauskommt und sich traut, verschiedene Menschen anzusprechen, jeder irgendwie etwas Wichtiges zu erzählen hat, dem sonst möglicherweise viel zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird.

~ Lara

Natürlich ist die Theorie wichtig, um sich erst mal ein Fundament aufzubauen, mit dem man dann arbeiten kann, die Praxis allerdings ist der wirklich spannende Teil, in welchem man Antworten und vielleicht ganz neue Fragen entdeckt. Im Unterricht kann man immer viel reden und planen, aber nichts ist so “erleuchtend“ wie die praktische Feldarbeit.

~ Arian

Für mich war dies eine sehr fundamentale Erfahrung. Mir wurde bewusst, dass man sich für die Feldforschung nicht selten in unangenehme Situationen begeben muss. Dies ist zwar nicht dringend notwendig, jedoch birgt die Feldforschung eine gewisse Schwierigkeit für eher introvertierte Menschen. Nichtsdestotrotz ist die Feldforschung eine Art der Forschung, welche es erleichtert, bestimmte Informationen aus nächster Nähe und meist ungefiltert zu erlangen. Daher sehe ich sie für den weiteren Verlauf meines Studiums als äußerst wichtig. 

~ Nicole

* Lara Fischer, Nicole Risto und Arian Malek sind Studierende in den BA und MA Studiengängen Japanstudien und Japanologie an der Freien Universität Berlin.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Captcha
Refresh
Hilfe
Hinweis / Hint
Das Captcha kann Kleinbuchstaben, Ziffern und die Sonderzeichzeichen »?!#%&« enthalten.
The captcha could contain lower case, numeric characters and special characters as »!#%&«.