Mit einem ehrgeizigen Programm von 11 Punkten auf der Tagesordnung ging der Fachbereichsrat (FBR) in seine Sitzung am 1.06.2011. Mit auf der Tagesordnung stand ein Bericht des Vizepräsidenten für Lehre und Studium der FU Berlin, Michael Bongardt, der zuvor um die Möglichkeit der Teilnahme an einer FBR-Sitzung gebeten hatte.
Weil so hoher Besuch ja bekanntlich selten ist und mensch immer wenig Zeit hat, wurde Herrn Bongardt dann auch gleich zu Beginn der Sitzung das Wort erteilt, welches er auch bis zum Ende behalten sollte.
Mal was Anderes: Ein Antrag der FU scheitert
Der eigentliche Grund warum der Vizepräsident den FBR Politik- und Sozialwissenschaften hatte aufsuchen wollen, war eine Vorstellung des Verfahrens der Systemakkreditierung, welches bald an der FU anlaufen soll. Allerdings brannten vorerst vielen Mitgliedern des FBR andere, aktuellere Fragen auf der Seele. Zum Beispiel wie der Antrag der FU auf Gelder aus dem Qualitätspakt Lehre ausgegangen ist. Der Qualitätspakt Lehre ist eine Initiative des Bundesbildungsministeriums, um die Lehre an deutschen Hochschulen zu fördern, welche ein Gesamtvolumen von 3 Milliarden Euro umfasst. Die FU stellte einen Antrag, welcher unter anderem den Ausbau von Tutoring u. Mentoring-Programmen, den Ausbau von E-Learning Möglichkeiten sowie eine Initiative zur Verbesserung der Lehrqualität durch hochschuldidaktische Fortbildungen vorsah. Unerwartet und entgegen aller inoffiziellen Voraussagen scheiterte der Antrag, nach Informationen des Präsidiums aus politischen Gründen.Die Enttäuschung und Empörung auf Seiten der FU-Verantwortlichen ist offenbar groß, im September will sich die Uni erneut um ein diesmal kleineres Fördervolumen bewerben. Für Projekte, die bereits fest mit dem Geld geplant haben, sollen bis dahin Zwischenfinanzierungen gefunden werden. An dieser Stelle sprach Bongardt das Problem der unbezahlten Tutorien am OSI an (FSI berichtete) für welches das Institut auf Gelder aus dem Pakt gehofft hatte.
Börzel und Risse bald mit wehenden Fahnen?
Thomas Risse entlud daraufhin einen Sturm von Entrüstung über das Vorgehen des Präsidiums, dem OSI das Ausschreiben unbezahlter Tutorien zu untersagen. Es sei vollkommen richtig, Tutor_innen zu bezahlen, und er hätte das auch immer gewollt, aber es sei am Institut kein Geld dafür da. Wenn das Präsidium das unbedingt wolle, müsse es also dem OSI auch das Geld dafür geben, sonst müsste der Lehrbetrieb zum Wintersemester wohl eingestellt werden, und, so Risse wörtlich: „Wir sind die ersten, die mit den Studierenden auf die Kaiserswertherstraße (dort befindet sich das Präsidium, Anm. der Verf.) marschieren!“ Eine interessante Vorstellung…
Gefragt nach den Dimensionen, die eine solche Finanzierung denn haben sollte, errechnete Tanja Börzel anhand einer Liste des Tutorienbedarfs einen Betrag von 250 000 Euro, miteinberechnet bereits eine höhere Zahl von Studienanfänger_innen zum nächsten Wintersemester.
Wie viel mehr Studierende die Fächer im Bereich Politik- und Sozialwissenschaften aufgrund der doppelten Abiturjahrgänge in Bayern und Niedersachsen und der ausgesetzten Wehrpflicht aufnehmen müssen, steht noch nicht fest. Die FU hat sich im Rahmen der Hochschulverträge gegenüber dem Land Berlin verpflichtet, 600 Studierende über ihre eigentlichen Kapazitäten hinaus aufzunehmen. Diese werden sich hauptsächlich im Bereich der Geistes- und Sozialwissenschaften verteilen. Bongardt kündigte an, bei Vorliegen der Bewerber_innenzahlen Mitte Juli das Gespräch mit den Fachbereichen zu suchen und in Verhandlung über die zusätzliche Aufnahme von Studierenden zu treten, hierfür soll es dann auch eine finanzielle Entschädigung von Seiten des Präsidiums geben. Wie diese dann sinnvoll einzusetzen ist, muss zu gegebenem Zeitpunkt diskutiert werden.
Auf Seiten einiger Profs des FBR bestanden große Vorbehalte gegenüber der Idee noch mehr Studierende als sonst aufzunehmen. Es wurde mehrmals betont, dass die Kapazitäten schon jetzt mehr als ausgelastet seien, und dass ohne eine angemessene Entschädigung auf keinen Fall mehr Studierende zugelassen werden könnten. Besonders Tanja Börzel zeigte in einem höchst engagierten Redebeitrag auf, dass Sie an dieser Stelle auch Zugeständnisse der Berliner Landespolitik erwarte, für die das Präsidium sich aktiv einsetzen soll, und verwies auf das „enorme Mobilisierungspotenzial“ des OSI. Abschließend kam Thomas Risse auf die fixe Idee, bevor über zusätzliche Zulassungen verhandelt würde, solle das Präsidium die Tutorien am OSI ausfinanzieren.
Ob es sich hierbei um ein wirkungsvolles Druckmittel handelt, bleibt abzuwarten. In jedem Fall muss zeitnah eine Lösung für das Tutorienproblem gefunden werden, die Diskussionen werden wir weiter kritisch begleiten.
Von Regelkreisen und Qualitätsverständnissen
Der ursprüngliche Anlass des Besuchs, die Informationen zur Systemakkreditierung, drohten schon wegen fortgeschrittener Zeit hinten runterzufallen, als der FBR sich mehrheitlich entschied die anderen 10 Punkte der Tagesordnung zu verschieben. So kamen dann doch noch alle zu den Informationen über den Stand des Systemakkreditierugsverfahrens und des Qualitätsmanagments an der FU.
Wie Bongardt erklärte, präferiert das Präsidium der FU die sogenannte Systemakkreditierung gegenüber der Programmakkreditierung, bei der jeder einzelne Studiengang alle 5 Jahre von einer Akkreditierungsagentur konzeptionell geprüft wird. Die Systemakkreditierung bietet demgegenüber den Vorteil, dass nur alle 10 Jahre die gesamte Universität daraufhin geprüft wird, ob sie in der Lage ist, gute Studiengänge zu konzipieren und umzusetzen, in erster Linie indem das Qualitätsmanagment der Uni geprüft wird. Außerdem ist die Systemakkreditierung schlicht billiger.
In den Genuss eines kleinen Vorgeschmacks, wie eine solche Akkreditierung ablaufen könnte, kam das OSI Anfang des Jahres 2010 (FSI berichtete). Wie Bongardt allerdings bemüht war zu vermitteln, sei das ein schlechtes Beispiel gewesen, was so nicht noch einmal vorkommen wird.
Bisher hat die FU den Vertrag mit der gewählten Akkreditierungsagentur Aqas noch nicht geschlossen, dies soll aber nach Willen des Präsidiums bald passieren. Da für das Verfahren natürlich das Qualitätsmanagment der FU eine zentrale Rolle spielt stellte Bongardt anschließend die Zielsetzungen für diesen Bereich vor. Die Institutionen zur Qualitätssicherung sind bereits weitgehend auf zentraler und dezentraler Ebene eingerichtet, so auch am FB PolSoz durch den Bereich des Studienbüros Qualitätssicherung Studium/Lehre. Am wichtigsten, so stellte sich heraus, ist für ein erfolgreiches Verfahren ein klares Verständnis davon, was mensch unter Qualität verstehen will.
Dieser Punkt, soviel steht fest, ist stark umstritten und ein wichtiges Kampffeld, wenn es darum geht, wie unser Studium in Zukunft gestaltet sein wird. Zurecht kann mensch Qualtitätsmanagment als Strategie des New Public Managment zur Selbstoptimierung und Implementierung zweifelhafter Best Practice Modelle kritisieren. Nichtsdestotrotz ergeben sich für Studis bei der Frage der Definition nach Qualität im Studium aus unserer Sicht Möglichkeiten, sich für ein selbstbestimmtes und interessantes Studium einzusetzen, und gute Lehre einzufordern.