Gestern, am 25.11.2009, tagte ein so genannter „erweiterter Institutsrat“ am OSI. „Erweitert“ deshalb, weil bei dieser Sitzung viel mehr als sonst eine breite öffentliche Beteiligung gewünscht war. Die war denn auch vorhanden, etwa 100 Zuschauer_innen, v.a. Studierende, fanden sich trotz der frühen Uhrzeit (8:30 Uhr) ein. Der wichtigste Tagesordnungspunkt, der auch für das große öffentliche Interesse verantwortlich war, war die Diskussion der BA-/MA-Reform, die ja teilweise auch schon am Institutstag geführt wurde. Eins vorweg: die Sitzung stellte in einem selten erlebten Ausmaß die Selbstherrlichkeit der die Gremien dominierenden Gruppe der Professor_innen dar. Aber dazu später mehr.
Die Vorgeschichte
Um zu verstehen, worum es gestern ging, muss mensch ein wenig in die Vergangenheit blicken. Vor gut eineinhalb Jahren beschloss der Fachbereichsrat (FBR), das OSI-Diplom auszusetzen, um einen Erhalt des Selbigen zu ermöglichen (s. hier). So untauglich dieser „Rettungsversuch“ auf den ersten Blick auch klingt, so wirkungslos war er im Endeffekt auch. Das Diplom wurde im letzten Sommersemester offiziell eingestellt, gegen einstimmige Beschlüsse des Institutsrats (IR) und des FBR.
In der Zwischenzeit fanden der Bildungsstreik und die Besetzung des OSI statt. Während dieser Besetzung gab es auch ein Gespräch mit dem Dekanat des Fachbereichs PolSoz, bei dem die Besetzer_innen ihre Forderungen präsentierten. Bei der Forderung „Erhalt des OSI-Diploms“ wurde uns Unterstützung durch das Dekanat zugesichert, gleichzeitig bewegte sich im Zuge des Bildungsstreiks der öffentliche Diskurs immer mehr in eine Richtung, wonach eine weitere Fixierung auf die dreijährigen, starren Bachelorstudiengänge nicht mehr haltbar sein würde. Das Präsidium der FU, immer schnell dabei wenn es um das Aufspüren neuer Trends geht, sah seine Chance, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: Die Studierenden, gerade am „renitenten“ OSI, sollten durch eine Reform der ungeliebten BA-Studiengänge besänftigt werden, während sich gleichzeitig die FU an die Spitze des universitären Fortschritts respektive der „Reform der Reform“ setzen könnte.
So kam es, dass schon kurz nach dem Bildungsstreik der IR des OSI einen Fahrplan für die BA-Reform entwarf. Dieser Fahrplan hatte drei Stationen:
– die Einrichtung einer BA-Reformkommission, der neben Vertreter_innen des Prüfungsbüros und Professor_innen vor allem Studierende angehören sollten und die transparent arbeiten sollte
– ein Institutstag im Wintersemester 2009/10, bei dem die Kommission ihren Vorschlag vor dem gesamten Institut zur Diskussion vorlegen sollte
– eine „erweiterte“ Sitzung des Institutsrat im Anschluss an den Institutstag, wo die Ergebnisse der Institutstagsdiskussion in formale Beschlüsse gefasst werden sollten.
Wenn alles glatt liefe, so der Gedanke im letzten Semester, sollte die BA-Reform bis Ende des jetztigen Wintersemesters verabschiedet worden sein, so dass zum Wintersemester 2010/11 die ersten Studierenden im neuen Studiengang immatrikuliert werden sollten.
Die Kommission machte sich dementsprechend schnell an die Arbeit; auch während der Sommerferien wurden fleißig Studienverlaufspläne diskutiert und Modulgewichtungen ausbalanciert. Transparenz wurde großgeschrieben: es gab (und gibt immer noch) beispielsweise eine öffentliche Blackboardgruppe, wo Protokolle und Entwürfe zur Ansicht bereitstehen, die Termine wurde öffentlich gemacht. Hin und wieder berichtete Fr. Rossa-Dubray vom Prüfungsbüro auch in den Gremien über die Fortschritte bei der Erstellung eines vierjährigen Bachelorstudiengangs.
Am 14.10., in der ersten Sitzung des neuen Semesters, beschloss der IR offiziell die Einrichtung eines Institutstags für den 13.11. Die Organisation des Institutstags wurde weitgehend in studentische Hände gelegt. Keine zwei Wochen später, am 25.11., auch das beschloss der IR am 14.10., sollte die „erweiterte“ Sitzung des IR stattfinden.
Der Institutstag
Der Institutstag (http://institutstag.blogsport.de) sollte einen ganzen Nachmittag Zeit bieten, um die BA-Reform vorzustellen und um die in der Kommission noch nicht endgültig geklärten Fragen zu entscheiden. Doch es kam ein wenig anders. Nur wenige Tage vor dem Institutstag wurde bekannt, dass eine Gruppe Professor_innen (darunter definitiv Tanja Börzel, Thomas Risse und Susanne Lütz) einen eigenen Entwurf erarbeitet hatten – an der vom IR eingesetzten Kommission vorbei. Dieser Entwurf ist weitgehend von dem der Kommission abgeschrieben (Zitat eines Studierenden aus der Kommission: „Das ist bis hin zu manchen Formulierungen identisch“), unterscheidet sich aber in einem wesentlichen Punkt: in der Zahl und Struktur der Kernbereiche im Grundstudium.
Der Kommissionsentwurf sieht hier, wie bisher auch, fünf verpflichtende Kernmodule zu jeweils 10 Leistungspunkten vor: Politische Ideengeschichte, Moderne Politische Theorie, Politisches System der BRD, Vergleichende Analyse politischer Systeme und Internationale Beziehungen. Die für einen reformierten Bachelor versprochene Entschlackung findet vor allem im Wahlpflichtbereich und im zweiten Studienabschnitt („Hauptstudium“) statt, da der Kommission die inhaltliche Breite ebenfalls essentiell erschien. Der zweite Vorschlag (der Einfachheit halber in Zukunft „Börzel-Vorschlag“ genannt) nimmt bei den Kernbereichen jedoch eine wichtige Veränderung vor. Aus den fünf Bereichen werden drei – Politische Theorie, Politische Systeme und Internationale Beziehungen. Diese bestehen aus einer Überblicksvorlesung und zwei Proseminaren und bieten 15 Leistungspunkte. Dabei ist klar, wohin die Reise geht: alle Bereiche ausser den IB werden abgewertet. Zusätzlich werden mehrere Module, die früher im Wahlpflichtbereich waren, zum Pflichtbereich, z.B. Friedens- und Konfliktforschung oder Europäische Integration. Denn während im Bereich „Politische Theorie“ ein Proseminar aus der Ideengeschichte und eins aus Moderner Politischer Theorie zu belegen ist – um die derzeitige Verteilung wenigstens ein Stück weit abzudecken – muss das zweite Proseminar im Bereich IB aus einem der IB-nahen, bisher nicht verpflichtenden Bereiche gewählt werden.
(Beide Entwürfe im Vergleich: Kommissionsentwurf (PDF) und Entwurf Börzel (PDF).)
Dieser zweite Vorschlag provozierte sowohl formell als auch inhaltlich großen Widerspruch am Institutstag. Viele Anwesende kritisierten heftig, dass sich die Fürsprecher_innen des Börzel-Vorschlags kein einziges Mal in der Kommission hatten blicken lassen. Inhaltlich befürchteten zahlreiche Redner_innen während der Diskussion, dass durch die neue Struktur ein weiteres Argument für den Erhalt umstrittener Professuren, wie beispielsweise der Ideengeschichte, verloren gehen würde. Es kam schließlich zu einer Art Kampfabstimmung, bei der der Börzel-Vorschlag in den meisten Punkten mit übergroßer Mehrheit (in einigen anderen „nur“ mit großer Mehrheit) abgelehnt wurde. Mit diesem Votum des Institutstags im Rücken ging es in die gestrige Institutsratssitzung.
Der Institutsrat
Die Institutsratsitzung am 25.11. war ausdrücklich dafür vorgesehen, die Ergebnisse des Institutstags soweit wie möglich in einen formal korrekten Beschluss umzusetzen. Vor großem studentischem Publikum und gegen einigen Widerstand von professoraler Seite gelang dies zunächst beim Punkt Strukturplan: der IR des OSI folgte dem Institutstag in dem Wunsch, die Vollprofessuren Ideengeschichte, Rechtliche Grundlagen und Politisches System der BRD zu erhalten und möglichst bald zu besetzen, bzw. bei Freiwerden weiterer Mittel damit diese Stellen zu finanzieren.
Anschließend stellten eine Studierende und Fr. Stelter vom Prüfungsausschuss den Entwurf der Kommission und die Abstimmungsergebnisse am Institutstag vor. Prof. Ladwig hatte die Zeit seit dem Institutstag zudem genutzt, einen eigenen Vorschlag auszuarbeiten, den er ebenfalls dem IR vorstellte. Dieser „Kompromiss“ folgt weitestgehend dem Börzelvorschlag und kann hier (PDF) nochmal nachgelesen werden. Es entwickelte sich eine teils sehr emotional geführte Diskussion, bei der auch immer wieder darauf hingewiesen wurde, dass der IR hier sein vor einem halben Jahr noch selbst gewünschtes Verfahren in Sachen BA-Reform obsolet macht.
Susanne Lütz meldete sich als eine der wenigen Verteidiger_innen des Börzel-Vorschlags zu Wort und versuchte, diesen zu begründen. Ihre Argumentation war jedoch inhaltlich äußerst schwach.
Der Börzel-Vorschlag passe sich lediglich den Realitäten in der Lehrplanung an, z.B. in den Bereichen Methoden und System der BRD – dass der Methodenbereich im Propädeutikum jedoch zu 100% dem jetztigen Zustand entspricht (übrigens in beiden Vorschlägen), ficht sie nicht an. Und wenn das OSI anscheinend nicht in der Lage ist, seine Durchlaucht Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Joachim-Jens Hesse zur Erfüllung seiner Lehrverpflichtungen anzuhalten, ist das wohl kaum ein Grund um eine neue Studienordnung zu entwerfen, bei der die Eigenständigkeit des gesamten Bereichs eingestampft wird.
Auch von Studierendenseite wurde darauf hingewiesen, dass die Realitäten am Institut, denen mensch sich „anpassen“ müsse, in den letzten Jahren durch bewusste politische Entscheidungen geschaffen wurden. Die beiden studentischen Vertreter – von der FSI OSI und den JuSos – brachten schließlich einen Antrag ein, mit dem der IR ausdrücklich dazu aufgefordert wurde, dem Votum des Institutstags in Sachen BA-Reform zu folgen. Damit sollte zum einen sichergestellt werden, dass überhaupt eine Abstimmung stattfindet und sich nicht Dutzende Leute frühmorgens an die Uni begeben haben, um einer ergebnislosen Diskussion zu lauschen. Zum anderen sollte die Kommission eine formale Grundlage und die Absegnung grundsätzlicher Ergebnisse ihrer bisherigen Arbeit bekommen, um die noch offenen Punkte effektiver angehen zu können. Hajo Funke entschied sich dafür, den Antrag zu übernehmen und dezent abzuändern: bei der formalen Verabschiedung der Ergebnisse des Institutstags sollte es nur noch um die weitgehend unstrittigen Punkte gehen, etwa um die Schaffung eines Y-Modells (6- und 8-semestriger BA mit Auswahlmöglichkeit nach vier Semestern) oder die Möglichkeit der Streichung bestimmter Modulnoten. Die Entscheidung über die Modulstruktur im Pflichtbereich (also „5-vs.-3“) sollte hingegen vertagt werden.
Gegen diese Vertagung rannten die Studis mit aller Macht an. Weder Polemik, noch der sachliche Versuch einer Diskussion, noch der Verweis auf die drängende Zeit – schließlich soll die Lehrplanung mit Beginn des neuen Semesters für den vierjährigen Bachelor planen können – brachten irgendeine Einsicht auf professoraler Seite zum Vorschein. Eine inhaltliche Diskussion wurde nicht zuletzt dadurch erschwert, dass sich die Unterstützer_innen des Börzel-Vorschlags nicht darauf einließen. Auch auf mehrfache Nachfrage nach den inhaltlichen Vorteilen von nur drei Kernmodulen im Pflichtbereich kam keine Antwort. So konnten die Vertreter_innen der Kommission, die studentischen Vertreter im IR und die zahlreichen Zuschauer_innen zwar immer wieder betonen, dass der Börzelvorschlag weitreichende, problematische Auswirkungen auf den Strukturplan haben könnte, dass der Kommissionsvorschlag auch in anderen Punkten ausgereifter ist, dass eine weitere einseitige Aufwertung der IB stattfindet – es nutzte nix.
Die professorale Mehrheit im IR gab uns stattdessen unmissverständlich zu verstehen, dass sie zur Not den Börzel-Entwurf einfach durchstimmen würde. Eine Vertagung sei somit noch das kleinere Übel, denn dann könnte sich die Kommission noch ein wenig mit Ladwigs „Kompromiss“ beschäftigen. Und so kam es dann auch: der studentische Antrag wurde mit Hajo Funkes Änderungen angenommen, der Punkt „5-vs.-3“ sollte gesondert abgestimmt werden – und wurde schließlich vertagt.
Wie weiter?
Die gestrige Sitzung des IR war nicht nur für die Gremienvertreter unglaublich frustrierend. Es stellt sich die Frage, ob mensch an dieser Farce, an dieser Inszenierung von Demokratie und Mitbestimmung in Zukunft überhaupt noch mitwirken sollte. Die Statusgruppe der sonstigen Mitarbeiter_innen am OSI haben es vorgemacht und sind bei den letzten Wahlen zum IR gar nicht mehr angetreten, wohl wissend dass ihre Interessen ohnehin nicht gehört werden. Zugleich legt der gestrige Tag wieder einmal offen, dass die zwischenzeitlich etwas flacher wirkenden Gräben am OSI so tief sind wie eh und je. Unbeeindruckt und unbeeindruckbar von jeglichen Sachargumenten und gelegentlich auch weitgehend unbeschwert von elementarer Sachkenntnis geriert sich ein Teil der Professor_innen als die selbstbewussten Sonnenkönig_innen vom OSI, die genau wissen dass ihnen ihre Gremienmehrheit, ihre Kontakte zum Präsidium und ihre durch Drittmittel gesicherte Finanzkraft jeglichen Spielraum zur Durchsetzung ihrer Agenda lassen. Kritik ist unerwünscht und perlt entweder wie an Teflon ab, oder wird hart sanktioniert: so forderte ein Antrag des Sonderforschungsbereichs (SFB) 700 die „scharfe Verurteilung“ zweier Studierender durch den IR, die es gewagt hatten, in einem Brief an die Deutsche Forschungsgesellschaft gewisse „Ungenauigkeiten“ im Förderungsantrag des SFB richtig zu stellen – etwa was die rechtlich nach wie vor ungeklärte Berufung von Christoph Zürcher angeht. Dieser Antrag wurde vertagt, weil nach der BA-Diskussion dafür gestern keine Zeit mehr war.
Als Reaktion auf die gestrige IR-Sitzung wurden die Lehrveranstaltungen am OSI sowie die Büros von Tanja Börzel und Thomas Risse heute blockiert. Wichtig ist nun, dass der Druck nicht nachlässt, daher hier noch einige Termine:
Nächstes Treffen der Kommission: 2.12., 16 oder evtl. 17 Uhr, im Konferenzraum 202 des OSI (zweiter Stock, Ihnestr. 21)
Nächster Institutsrat: Mittwoch, 2.12., 8:30 Uhr, im Hörsaal B der Ihnestr. 21