Hochschulseminar: Die Plattform in Aktion
Challenging (Human) Nature:
Interdisziplinäre Fallstudien zur Förderung einer „Ethical Literacy“ in den Lebenswissenschaften
Ein Beitrag von Julia Dietrich und Henrik Hörmann
Im Sommersemester 2021 wurde an der FU Berlin das interdisziplinäre Seminar „Challenging (Human) Nature: Interdisziplinäre Fallstudien zur Förderung einer „Ethical Literacy“ in den Lebenswissenschaften“ durchgeführt (Leitung: Dr. Julia Dietrich), das 2019 den zentralen Lehrpreis der FU Berlin für innovative Lehrprojekte gewonnen hatte. In dem Lehrprojekt kooperierten u. a. Vertreter_innen aus den Fächern bzw. Fachbereichen Philosophie, Biologie/Chemie/Pharmazie und der Veterinärmedizin der FU Berlin. Ein thematischer Schwerpunkt lag auf der ethischen Vertretbarkeit von Tierversuchen.
Die Seminarkonzeption folgt den 6 Fragen der Plattform und setzt verschiedene Bausteine der Plattform zur Vermittlung der ethischen Grundlagen ein.
Philosophische Visionen
Ein Höhepunkt des Seminars im Sommersemester 2021 war ein öffentlicher Roundtable, welcher das Seminar in einen größeren philosophischen Horizont stellte. Die zwei Referentinnen hatten 3 Minuten Zeit, im Sinne eines sog. Elevator Pitches, eines Kürzeststatements, ihre Visionen zu entwickeln:
Prof. Dr. Birgit Beck, Technische Universität Berlin, entwickelte eine Vision, wie lebenswissenschaftliche Forschung ohne Tierversuche gelingen könnte. Klick hier! (PDF)
Kerstin Weich Ph.D., Veterinärmedizinische Universität Wien, unterzog die Mensch-Tier-Beziehung einer grundsätzlichen Kritik. Schau sie dir hier an! (Video)
Wie funktionieren interdisziplinäre Fallstudien?
Für wen ist das gedacht?
Interdisziplinär: Eine bunte Mischung von Studierenden und Nachwuchswissenschaftler_innen aus Philosophie/Ethik und aus den Naturwissenschaften!
Die Arbeitsgruppen sollten möglichst so verteilt sein, dass aus beiden Fachbereichen mindestens eine Person dabei ist.
Woran wird gearbeitet?
Das Projekt: Gemeinsam werden aktuelle Forschungsvorhaben aus dem Feld der Lebenswissenschaften wissenschaftsethisch reflektiert.
Die Forschungsvorhaben bzw. die (ggfs. vertraulich zu behandelnden) „Fälle“ werden zu Beginn von einem Fallberichterstatter/einer Fallberichterstatterin vorgestellt, der/die die ethischen Dimensionen der eigenen wissenschaftlichen Arbeit reflektieren möchte. Es geht also um ganz konkrete, aktuelle Fragen!
Was kommt dabei am Ende heraus?
Das Ziel: Als bündelndes „Produkt“ werden für den Fallberichterstatter/die Fallberichterstatterin ethische „points to consider“ für die Durchführung des Forschungsvorhabens formuliert.
„Points to consider“: Welche ethischen Aspekte sollten unter welchen Gesichtspunkten abgewogen werden? Welche Voraussetzungen und Konsequenzen des Forschungsvorhabens müssten noch genauer untersucht werden? Welche Werte und Normen fließen in die abwägende Reflexion der Chancen und Risiken ein?
Was gibt es zu lernen?
Die Teilnehmenden gewinnen einen Überblick über:
- Grundlagen der ethischen Argumentation und Abwägung
- die Wissenschafts- und Forschungsethik im gesellschaftlichen und politischen Kontext
- gegebenenfalls weitere Ansätze aus verschiedenen Bereichsethiken
Sie üben die Fähigkeit zur:
- selbstständigen Erschließung wissenschaftsethischer Fragen
- Überführung spontaner Urteile in wissenschaftsbasierte Argumentationen
- Anwendung theoretischer Grundlagen auf einen konkreten Fall
- Berücksichtigung theoriegeleiteter Kriterien bei der ethischen Abwägung
- Reflexion und Vermittlung des eigenen fachlichen und professionellen Selbstverständnisses
- interdisziplinären Reflexion und Kommunikation.
Zu Grundzügen einer Didaktik Angewandter Ethik siehe auch hier.