Die Konzeption der Lernplattform

Genome Editing – unter dem Begriff versammeln sich mehrere biochemische Methoden, die es ermöglichen das Erbgut, die DNA, eines Lebewesens und somit dessen Merkmale zu verändern. Neben der Anwendung bei Pflanzen und Tieren wird auch die Anwendung beim Menschen diskutiert, da sich abzeichnet, dass sich mit Genome Editing z. B. Erbkrankheiten behandeln, Risikofaktoren für HIV oder Krebs beeinflussen oder bestimmte Eigenschaften von Menschen verändern lassen könnten.

Diese Plattform konzentriert sich auf die ethischen Fragen, die mit dem Genome Editing beim Menschen verbunden sind. Sie berühren viele unserer grundlegenden Werte, wie etwa Gesundheit, (reproduktive) Selbstbestimmung, Forschungsfreiheit, Verantwortung, Gerechtigkeit und Solidarität. Am drastischsten zeigt sich das bei der Anwendung der Technologie auf ungeborenes menschliches Leben – dem sogenannten Keimbahneingriff. Über kein anderes Einsatzgebiet wird heftiger gestritten.

Das Ziel der Plattform ist es daher, über das Genome Editing beim Menschen und die mit ihm verbundenen ethischen Herausforderungen zu informieren, zu einer eigenen ethischen Urteilsbildung anzuleiten und Anstöße für die Ethik-Vermittlung in Schule, Hochschule und Erwachsenenbildung zu geben. Die Plattform hat dementsprechend zwei Teile: Den Schwerpunkt bilden eine Reihe von Selbstlernmodulen zur ethischen Urteilsbildung, die dann durch Konzepte, Materialien und Informationen zur Ethik-Vermittlung ergänzt werden.

Die Plattform versucht, einen ausgeglichenen Zugang zum Thema anzubieten, der die biologischen Grundlagen und ethischen Aspekte gleichrangig auf einer Ebene behandelt und verschiedene Perspektiven aufzeigt, aus denen heraus man sich mit den ethischen Fragen des Genome Editing auseinandersetzen kann. Es soll möglichst ergebnisoffen die Kompetenz gefördert werden, sich selbstständig ein Urteil zu bilden. Zugleich sollen ethische Grundlagen vermittelt werden, die sich auch auf andere Themenfelder übertragen lassen.

Versteht man die Vermittlung von ethischen Kompetenzen als Teil einer ethischen Grundbildung im Rahmen des allgemeinbildenden Auftrags des Bildungssystems, so wird noch eine weitere Anforderung deutlich: Die leitende Zielgruppe der Plattform müssen Menschen aus verschiedensten Lebensverhältnissen sein, die sich mit eher weniger als mehr Vorkenntnissen und Vorerfahrungen einer neuen ethischen Fragestellung nähern – es geht also nicht um die Ausbildung einer ethischen Expertise, sondern um eine „didaktische Exploration“, eine grundlegende Eröffnung ethischen Denkens. Was ist es denn im Kern, was Menschen können müssen, um sich ein ethisches Urteil zum Genome Editing beim Menschen bilden zu können? Diese Frage ist nicht etwa so zu verstehen, als sei irgendetwas als Vorbedingung nötig, um sich am ethischen Diskurs beteiligen zu können. Im Gegenteil: Sie fordert dazu auf, sich zu überlegen, was vom Bildungssystem für alle zu ermöglichen und zu leisten ist, wenn ethische Kompetenzen gefördert werden sollen. Verschiedene und durchaus unterschiedliche Antworten auf diese Frage wurden im Rahmen einer Tagung diskutiert, deren Beiträge – kurze Videoclips – hier auf der Plattform zu finden sind.

In fachdidaktischer Hinsicht basiert die Plattform auf dem Entwurf einer Didaktik Angewandter Ethik (Dietrich, Julia: Didaktik Angewandter Ethik (in Vorbereitung); siehe auch hier), die Vermittlungsprozesse als integralen Bestandteil Angewandter Ethik versteht und ein Profil (wissenschafts-) ethischer Grundbildung entwirft. Dabei zeigt der einschlägige Forschungsstand, dass in den Bereichsethiken zwar eine Vielzahl von Urteilsbildungsmodellen entwickelt wurden, dass diese aber im Kern auf den Praktischen Syllogismus nach Aristoteles zurückgehen und eine Situationsanalyse mit einer normativen Analyse verbinden, aus deren Zusammenspiel ein handlungsorientierendes Urteil erwächst. Diese Grundstruktur hat sich in der Philosophie- und Ethikdidaktik als sog. Fallanalyse in verschiedenen Varianten etabliert (eine kurze Darstellung findet sich hier) und liegt auch dem Hauptteil der Plattform, den Selbstlernmodulen, zugrunde.

Die Selbstlernmodule sind in drei Ebenen gegliedert. Auf der obersten Ebene wurden die verschiedenen Schritte einer Fallanalyse zu 6 Fragen umformuliert, die als solche themenunabhängig sind. Auf der nächst tieferen Ebene wurde eine systematische Steigerung der Komplexität angezielt – so wird beispielsweise die Vorstellung des naturwissenschaftlichen Forschungsstands um den Schritt ergänzt, diesen anhand einer Vervielfältigung der Perspektiven und der Hinterfragung der Inszenierungen kritisch zu kontextualisieren. Auch die Struktur dieser Ebene kann auf andere Themenstellungen übertragen werden. (Einen Überblick auf die Fragen, die die Lernplattform auf diesen zwei Ebenen formuliert, gibt es hier.) Auf der dritten Ebene werden nun die Fragen und Gesichtspunkte der ersten beiden Ebenen durch eine Vielzahl von Einzelbeiträgen verschiedener Autor_innen themenspezifisch für die ethischen Fragen des Genome Editing beim Menschen konkretisiert. Auf dieser Ebene wurde keinerlei Systematik oder Vollständigkeit angestrebt. Dies bedeutet auch: Vergleichbar mit der Herausgeberschaft eines Buches, übernehmen wir als Herausgeber_innen die Verantwortung für die Grundstruktur der Plattform und die Anordnung der einzelnen Beiträge. Für die Inhalte der einzelnen Beiträge sind allein die jeweiligen Autor_innen verantwortlich, das heißt, dass die Beiträge nicht unbedingt die Positionen der Herausgeber_innen widerspiegeln.

Die Selbstlernmodule sind so angelegt, dass sie zum einen, den 6 Fragen folgend, systematisch nacheinander abgearbeitet werden können. Sie bauen aber nicht in dem Sinne aufeinander auf, als sie nicht auch, je nach Vorkenntnissen, Interessen oder Neugier in einer anderen Reihenfolge bearbeitet werden könnten.

Im zweiten Teil der Plattform werden Konzepte, Materialien und Informationen geboten, welche die Ethik-Vermittlung unterstützen sollen und sich an Multiplikator_innen insbesondere in der Schule, aber auch an der Hochschule und in der Erwachsenenbildung richten. Unter dem Punkt „Konzepte“ wird die Plattform in einen fachdidaktischen Kontext eingebettet. Unter „Materialien“ werden erprobte Unterrichtsbausteine vorgestellt, welche im Rahmen von Creative-Commens-Lizenzen verwendet werden dürfen. Die „Informationen“ unterstützen eigenständige Recherchen zur Angewandten Ethik und insbesondere zur Bioethik.

Die konzeptionelle Arbeit wurde durch einen Wissenschaftlichen Beirat begleitet, für dessen Anregungen, Kommentare und konstruktive Kritik wir uns hier herzlich bedanken möchten.

Sebastian Brodkorb, Julia Dietrich, Annett Wienmeister

Design und technische Umsetzung

Sebastian Brodkorb, Annett Wienmeister mit Laila Benz, Henrik Hörmann, Julia Prudlo, Fabio Sciascia

(Wir danken dem Center für digitale Systeme der Freien Universität Berlin (CeDiS), insbesondere Lyubomir Zhivkov, für die freundliche Unterstützung.)  

Rechtsberatung

Rechtsamt der Freien Universität Berlin (wir danken Merlin Backer).

Veranstaltungsorganisation

Sebastian Brodkorb, Annett Wienmeister mit Laila Benz, Yoo Yung Lee, Catherina Neumann, Felix Werfel