Die Schwächen eines Argumentes erkennen

Ein Beitrag von Hannah Schickl

Oft erscheinen Argumente vordergründig als gute Argumente, bis man genauer und kritisch hinsieht. Deswegen bedarf es bestimmter Methoden, um die Schwächen eines Arguments zu entdecken. Zwei Methoden werden hier vorgestellt: einerseits Argumente in eine logische Form zu bringen und andererseits analoge Argumente zu bilden.

1. Logisch umformulieren

Ein Hilfsmittel ist zum Beispiel, ein Argument in eine Standardform zu bringen: Prämisse P1, Prämisse P2 etc., Konklusion K. Dabei können beispielsweise implizite Prämissen verdeutlicht werden, das heißt Annahmen, die das Argument braucht, aber (bewusst oder unbewusst) nicht ausgesprochen werden. Zum Beispiel können bestimmte Grundüberzeugungen oder persönliche Meinungen bei einem Argument im Hintergrund mitschwingen, denen nicht jeder zustimmen kann, die aber ebenfalls überprüft werden müssen.

Beispiel-Argument: „Die genetische Ausstattung sollte nicht verändert werden, weil sie natürlich ist.“

Standardform

P1: Natürliches hat einen Eigenwert. [Implizite Prämisse]

P2: Was einen Eigenwert hat, sollte nicht verändert werden. [Implizite Prämisse]

K1 Natürliches sollte nicht verändert werden. [Implizite Konklusion]

P3: Die genetische Ausstattung ist natürlich.

K2: Die genetische Ausstattung sollte nicht verändert werden.

Die logische Umformulierung macht die impliziten Prämissen P1 und P2 sowie die implizite Konklusion K1 deutlich. Halten diese (Vor-)Annahmen einer kritischen Prüfung nicht stand, fehlt K2 die begründende Basis.

2. Analoge Argumente bilden

Ein weiteres Hilfsmittel ist, ein analoges Argument zu bauen, das dieselbe Struktur hat, dessen Konklusion aber offensichtlich falsch ist. Dies ist dann ein Hinweis darauf, dass das ursprüngliche Argument ebenfalls fehlerhaft ist.

Beispiel-Argument: „Die genetische Ausstattung sollte nicht verändert werden, weil sie natürlich ist.“

Standardform:

P1: Natürlichkeit hat einen Wert an sich. [Implizite Prämisse]

P2: Was einen Wert an sich hat, sollte nicht verändert werden. [Implizite Prämisse]

P3: Die genetische Ausstattung ist natürlich.

K: Die genetische Ausstattung sollte nicht verändert werden.

Analoges Gegenbeispiel:

P1: Natürlichkeit hat einen Wert an sich.

P2: Was einen Wert an sich hat, sollte nicht verändert werden.

P3: Krankheiten sind natürlich.

K: Krankheiten sollten nicht durch Therapie oder Ähnliches verändert werden.

Das Gegenbeispiel verdeutlicht das inhaltliche Problem des Arguments, dass die präskriptive Annahme in P1, dass Natürlichkeit an sich wertvoll ist, zu weit geht und damit an sich fraglich wird. Es ist ein häufiger inhaltlicher Fehler, dass „natürlich“ mit „gut“ gleichgesetzt wird.

Ein Argument ist allerdings nicht allein deswegen unschlüssig oder ungültig, weil die Konklusion der eigenen Meinung oder Position widerspricht. Wenn wir das Gefühl haben, dass mit einem Gegenargument etwas nicht stimmt, es prüfen und für korrekt befinden, müssen wir unsere eigene Meinung oder Position auch kritisch hinterfragen. Aus diesem Grund wechseln oder passen die meisten Philosophen im Laufe ihres Lebens mindestens einmal oder auch mehrmals ihre eigene Position an.