Studieren mit Kind

Ein Rückblick mit Zukunftsvision

(Ein Beitrag von Maria)

Wie wird mein Studium mit zwei kleinen Kindern laufen? Das war wohl die Frage, die mich am meisten umtrieb, bevor es im Oktober 2021 für mich mit „Erziehungs- und Bildungswissenschaft“ an der FUB losging. Das erste Semester liegt nun hinter mir und ich blicke zurück auf einen für mich gelungenen Studienstart. Ich könnte also sagen: Bisher läuft’s und es könnte so weitergehen. Und trotzdem sehe ich an der ein oder anderen entscheidenden Stelle noch viel Luft nach oben..

Zuerst aber, was für mich gut lief: Ehrlich gesagt spielte mir der Onlinebetrieb der Lehrveranstaltungen in die Karten. Ich kann mich gut hineinversetzen in enttäuschte Erstis, die sich sehnlichst endlich das richtige Campus-Leben wünschen. Der Austausch und das gemeinsame Essen in der Mensa fehlten mir ebenfalls und auch ich fand das ständige Reden in mein Laptop hinein irgendwann ziemlich öde. Aber eine Sache war für meine Lebensumstände unschlagbar: die Zeitersparnis. Täglich entfielen für mich eineinhalb Stunden Fahrtweg, die ich für die Uni nutzen konnte und die mir ein bisschen Alltagshektik ersparten, weil ich nicht direkt nach der letzten Veranstaltung zum Bus rennen musste, um meine Kinder pünktlich abzuholen. Da ich nur vormittags Zeit und Ruhe für die Uni habe, konnte ich dann die „gewonnene“ Zeit nutzen, um umso gelassener den Nachmittag und Abend mit meiner Familie zu genießen.

Ich bin aber in Hinblick auf das Online-Semester wiederum sehr froh, dass wir noch ein paar wenige Wochen in Präsenz erleben durften. So konnte ich ein paar andere Kommiliton*innen persönlich kennenlernen und mich vor allem mit anderen Eltern vernetzen. Die Umstellung auf die Online-Lehre hinderte uns glücklicherweise nicht an einem regelmäßigen Austausch auch außerhalb der Seminare. Für meinen „Kreis“ kann ich sagen, dass wir einander unterstützt haben und jede*r Rücksicht auf die individuelle Lebenssituation der anderen genommen hat. Meine Bedenken, dass ich keinen Anschluss finden oder auf fehlende Empathie für meine Elternschaft stoßen würde, haben sich glücklicherweise nicht bewahrheitet. Im Gegenteil, es war bestärkend, andere Studierende kennenzulernen, die dieselbe Entscheidung „trotz“ des Kinderhabens getroffen haben und auf auch auf viele kinderlose Kommiliton*innen zu stoßen, die für den Alltag mit Kindern Verständnis zeigen.

Auch seitens der Uni ist das Studieren mit Kind kein unbekannter Sonderfall mehr, sodass verschiedene Angebote für studierende Eltern zur Verfügung stehen: Es gibt mehrere Eltern-Kind-Zimmer, einen beratenden Family-Service und auch das für mich zuständige Studienbüro ist mit den Herausforderungen, denen Studierende mit Kind begegnen, vertraut. Die Vorabquote hat mir ermöglicht, die von mir präferierten Lehrveranstaltungen zu familienverträglichen Zeiten zu belegen und so den alltäglichen Spagat zwischen Studium und Care-Arbeit besser bewältigen zu können. Vor Beginn des Studiums hatte ich oft die Sorge, dass mich der große Druck einer Work-Life-Balance lähmen und ich vieles, was für die Uni zu erledigen ist, aufschieben würde (was ja im Studium aufgrund der eigenverantwortlichen Selbstorganisation besonders auf die Spitze getrieben werden kann). Aber glücklicherweise kann ich bisher behaupten, dass ich (einstige Meisterin im Prokrastinieren) wegen des zeitlichen Drucks, vor dem Abholen der Kinder meine Uni-to-dos zu erledigen, tatsächlich so wenig wie möglich aufgeschoben habe, weil es für mich stets Unangenehmes bedeutete: Das Aufgeschobene wird nachts nachgearbeitet, wenn die Kinder schlafen. Als es dann auf die Prüfungen zuging, war ich umso dankbarer, dass ich meinen eigenen Lernplan grob eingehalten habe, da sich eine meiner größten Befürchtungen gleich im ersten Semester bewahrheitet hatte: Die Kinder sind genau zur Prüfungszeit krank. Das wird nicht das letzte Mal gewesen sein und gerade deshalb werde ich weiterhin so früh wie möglich mit der Prüfungsvorbereitung beginnen.

Ob und wie das Studium mit Kind letztlich gelingt, hängt aber sicherlich nicht nur mit in Eigenverantwortung liegenden Aspekten wie einem angemessenen Zeitmanagement zusammen, sondern auch mit günstigen Rahmenbedingungen. Zuträglich für ein gelungenes erstes Semester war bei mir ganz klar, dass ich durch das Bafög und ein Stipendium finanziell abgesichert bin. Aber ich weiß, dass das Glück des Gefördert Werdens anderen studierenden Eltern nicht zuteilwurde, was mir einige erhebliche Probleme des Bafögs bewusst werden ließ, die es in Zukunft zugunsten einer Bildungsgerechtigkeit zu lösen gilt: Warum wird ein Teilzeitstudium nicht gefördert, das aber gerade ein Studium mit Kind so viel lebenswerter und attraktiver machen würde? Wieso müssen einige die unzumutbare Entscheidung treffen, fürs Bafög die eigenen Eltern zu verklagen? Und warum reicht der Bafög-Fördersatz vor allem in Großstädten mit hohen Mietpreisen kaum fürs Überleben aus? Um wirksamer zur Bildungsgerechtigkeit beizutragen, ist es fürs Bafög noch ein langer Weg. Auch die für ein Stipendium gängige Voraussetzung, sich ehrenamtlich zu engagieren, ist schon ein Privileg für sich: Ehrenamtlich zu arbeiten, bedeutet nämlich nichts anderes, als sich fernab von monetären Zwängen engagieren zu können, ohne dafür Geld verlangen zu müssen. Aber gerade jemand, der aus schwierigen finanziellen Verhältnissen, kann sich oft gar kein Ehrenamt leisten. Weitere systembedingte finanzielle Hürden ergeben sich beispielsweise für studierende Eltern oft allein aufgrund ihres Alters. Statt wie vom System erwünscht mit über 30 auf dem Arbeitsmarkt produktiv zu sein, wollen sie zur Uni gehen und dürfen sich (als Strafe für das Abweichen vom Normallebenslauf!?) nun „freiwillig“ gesetzlich oder privat krankenversichern lassen und müssen damit deutlich höhere Beiträge zahlen als studentisch Versicherte. Ist das Bildungschancengleichheit?

Aber nicht nur Fragen der Finanzierung sind für den Studienerfolg entscheidend. Auch für viele erstmalig Studierende mit Kindern ist das universitäre Umfeld an sich eine neue Erfahrung, die je nach individueller Vorerfahrung und den eigenen Bewältigungsmechanismen verarbeitet wird. Auch was dieses Thema betrifft, kann ich für mich sagen: Ich bin gut angekommen. Aber dafür war unter anderem ausschlaggebend, dass ich erstens schon eine Uni von Innen kannte, zweitens aus einer akademisch-interessierten Familie komme und daher drittens in der akademischen Welt kein Gefühl der Entfremdung erfuhr. Ich habe aber auch Kommiliton*innen kennengelernt, die mit dem akademischen Habitus mehr oder weniger zu kämpfen haben. Die soziale Filterfunktion ist eben auch im Anschluss an die Schule an der Universität nach wie vor aktiv, was wieder zur Verstärkung der eh schon unterschiedlichen Lernvoraussetzungen beträgt.

Insgesamt möchte ich aber sagen, dass es für mich persönlich kaum eine bessere Zeit für dieses Studium geben könnte. Oder anders formuliert, könnte ich mir keine bessere „legitime Beschäftigung“ als dieses Studium neben der Care-Arbeit vorstellen. Es ermöglicht mir Flexibilität, geistige Bereicherung in mir persönlich wichtigen Themen und eine willkommene Abwechslung in sozialen Kontakten. Vor allem ist es mir als Studentin im Vergleich zu meiner Erfahrung im Arbeitsverhältnis eher möglich, meinen Ansprüchen an mein Elterndasein gerecht zu werden und trotzdem dem gesellschaftlich-ökonomischen Druck entsprechend „tätig“ zu sein. Daher wage ich zu behaupten, dass es ohnehin die schönste Zeit für mich persönlich sein wird, weil alles, was danach kommt-Spoiler- tendenziell nicht weniger von mir abverlangen wird. Ich will hiermit nicht die alltäglichen Herausforderungen eines Studiums mit Kind beschönigen geschweige denn eine allgemeine Empfehlung aussprechen, mit Kind zu studieren. Ich will nur sagen, dass es – wenn die Umstände passen und hier muss noch nachjustiert werden, damit sie für möglichst alle passen- ein erfüllender Weg abseits des zwar brüchig gewordenen aber immer noch strukturell verankerten institutionalisierten Lebenslaufs sein kann. Wichtig ist aber genau dieser Punkt: Es ist nicht der idealtypische Weg und geht daher nicht selten (noch immer) mit gewissen Schwierigkeiten einher, den Übergang zu diesem Lebensabschnitt sowie das Studium selbst zu bewältigen – wohlgemerkt in Eigenverantwortung, weil das System in Sachen Bildungsgerechtigkeit noch hinterherhinkt. Ich erhoffe mir für die Zukunft, dass es immer mehr Eltern ohne strukturell bedingte Hindernisse ermöglicht wird, ein Studium (oder andere Ausbildungen) zu bewältigen.

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