Die Arbeit als Kita-Leitung

Ein Interview mit Einblick in den Arbeitsalltag

(Ein Beitrag von Lucie Münichová)

Anmerkung der Editorin Ronja Kumpe:
Als Teil der Projektarbeit in Modul 11 des Ewi-Bachelors hat Lucie mit einer Ewi-Fachkraft – einer Leitung einer Kindertageseinrichtung – gesprochen. Sie macht damit auf ein mögliches Arbeitsfeld für Erziehungswissenschaftler*innen aufmerksam und zeigt Ewi-Studierenden mögliche Praktikumsstätten. Mit diesem Interview wird der Vertiefungsbereich „Frühkindliche Bildung“ beleuchtet.


Frau Yıldız Saklı ist seit Mai 2022 Leiterin des INA.KINDER.GARTENs Rosenheimer Straße. Davor hat sie mehrere Jahre als Erzieherin gearbeitet und zudem die Stelle „Gender und Diversity Beauftragte“ bei dem Träger INA.KINDER.GARTEN ausgeführt. In einem Interview erzählt sie über ihren Beruf.

Sie arbeiten also als Leiterin der INA.KINDER.GARTEN Rosenheimer Straße. Können Sie bitte ihre Einrichtung und den Träger vorstellen?

Im Jahr 2004 übernahm der Träger INA.KINDER.GARTEN die Kita, wo ich gearbeitet habe (Kita Dresdner Str.). Wir sind ein gemeinnütziger Träger, unter welchem insgesamt 20 Kitas sind.

In der Einrichtung betreuen wir 80 Kinder. Das Haus arbeitet mit einer offenen Arbeit. Wir haben unten kleine Kinder 0–3 Jahre und oben 3–6 Jahre. Unten gibt es 30 kleine Kinder und oben sind es 50. Die Räume sind so gestaltet, dass es verschiedene Bereiche gibt. Die Kinder dürfen überall sein. Wir haben einen Bewegungsraum, eine Werkstatt usw.

Wir haben zwölf bis dreizehn Fachkräfte. Manche haben andere Berufe gelernt und haben sich dann dazu entschieden, Erzieher_innen zu werden. Manche sind Quereinsteiger_innen, manche noch in der Ausbildung. Andere haben noch die früheren Ausbildungsmodelle gelernt. Es ist eine interessante Mischung mit verschiedenen Sichtweisen. Wir haben beim Träger 15% männliche Fachkräfte. Bei uns im Haus arbeiten vier Männer. Ich habe noch eine Trainee.

Wir haben verschiedene Sprachen sowie Kulturen im Haus. Ebenso haben wir vielfältige Fachkräfte. Uns ist es wichtig, dass wir den Schwerpunkt von unserem Träger, „Gender und Diversity“, hier leben können. Gesundheit ist auch ein Schwerpunkt des Trägers, der uns hier begleitet. Unsere Köchin ist darin sehr fit. Wir haben auch einen eigenen Acker. Eine Erzieherin kümmert sich um das Gemüse und die Pflanzen. Unser Profil beim Träger ist Situationsansatz, an welchem wir uns orientieren. Das Berliner Bildungsprogramm ist auch ein Muss.

Wie sind Sie dazu gekommen als Kitaleiterin zu arbeiten?

Ich bin seit Mai frisch hier. Es sind nicht mal zwei Monate. Ich bin von Beruf Erzieherin. Angefangen habe ich in dem Kindergarten Dresdnerstraße. Dort habe ich mehrere Praktika gemacht und danach erhielt ich eine Einstellung. Ich habe dort 15 Jahre als Erzieherin gearbeitet.

Danach habe ich Interesse gezeigt, dass ich was Neues lernen möchte. Der Träger hat Gender-Beauftragte gesucht, einen Mann und eine Frau. Zufällig waren ich und ein Kollege im Haus und wir wurden angesprochen.

Beim Träger gibt es ein Trainee-Programm. Das ist ein Programm für angehende Führungskräfte. Ich habe es abgeschlossen. Es dauert ca. 2 Jahre. Man ist dann nicht mehr als Erzieherin tätig, besucht andere Kitas und sammelt Erfahrungen. Mal ist man im Gruppeneinsatz, mal im Büroeinsatz. Man schreibt Berichte und bereitet sich auf die Führungsposition vor. Ich habe viele Kitas kennengelernt. Es waren insgesamt 6 oder 7. Zuletzt war ich in der Kita in der Lützowstraße Dort war ich ungefähr 2 Jahre, erst als Trainee und dann als Co-Leitung. Ich habe mit einer tollen Leiterin zusammengearbeitet, von der ich viel gelernt habe.

Glücklicherweise hat sich die Möglichkeit ergeben, hier die Leitungsposition zu übernehmen. Die Kitaleitung (in der Rosenheimerstraße) ist in die regionale Leitung weitergegangen. Ich war mit dem Traineeprogramm fertig und habe ihre Stelle bekommen. Da ich als Leitung präsent sein muss, habe ich die Stelle Gender und Diversity Beauftragte abgegeben.

Können Sie die Stelle Gender und Diversity näher vorstellen? Was haben Sie genau gemacht?

Ganz am Anfang hieß die Stelle Männerbeauftragte. Im sozialen Bereich sind wenig Männer. Unser Ziel war es, mehr Männer für den Beruf zu gewinnen. Das hat sich zu den Genderbeauftragten entwickelt. Auch Menschen mit anderen Geschlechtern sollen für den Beruf angesprochen werden. Am Anfang haben wir erkannt, dass es nicht nur Gender Beauftragte sein sollen, sondern Diversity und Gender Beauftragte. Diese Vielfal wird auch im Begriff Gender widergespiegelt.

Dann gab es die Überlegung, was unsere Aufgaben sein sollen. Beim Träger haben wir eine AG gegründet, um ein Leitbild zu erstellen. Wir haben die Kitaleitungen und die Fachberatungen eingeladen. Ein bis zwei Jahre hat es gedauert, das Leitbild zu erstellen. Es war ein partizipativer Prozess.

Wir wollten die Fachkräfte ansprechen. Sie kennen sich in ihrer Arbeit gut aus. Sie sollen die Möglichkeit dazu haben, sich mit Fragen auseinanderzusetzen wie: Was heißt es Vorurteile zu haben? Was heißt Vorurteilsbewusstsein? Was heißt Rassismus? Solche Themen.                                           

Wir haben Artikel geschrieben für die interne Zeitschrift des Trägers. Wir haben eine Diversity und Gender AG gegründet als ein Sensibilisierungsraum, wo alle Themen angesprochen werden können. Wir überlegten auch, wie eine vorurteilsbewusste Belegungsplanung gestaltet werden kann. Belegungsplanung ist immer schwierig, weil man die Eltern auswählen muss und da gibt´s viele Fallen. Wir haben Dienstbesprechungen geführt und weiter gefragt, was wir als Beauftragte machen können. Wir haben Interviews mit Expert_innen geführt und zu den Themen selbst geforscht.

Immer mehr Menschen interessieren sich für diese Themen. Es sind Themen, die uns als Menschen ausmachen. Werte, die wir leben wollen. Wir haben versucht, die Menschen, die in Kitas arbeiten zu sensibilisieren. Das braucht Gespräche und Offenheit. Gespräche werden über Folgendes geführt: Wann fängt es an, dass ich einen Menschen in eine bestimmte Schublade reinstecke? Habe ich Menschen in Schubladen gesteckt? Wie gehe ich damit um, sodass die Mitarbeiterinnen auch gerne hier beim Träger sind und sich gut aufgenommen fühlen. Wie erreicht man es, dass man sie als Personen mit unterschiedlichen Dimensionen sieht.

Als Erzieher_innen hatten wir uns für die Stelle in der Woche zwei Stunden freigenommen. Wir sind aber auch über diese Zeitkontingent rübergegangen. Ohne sich weiterzubilden, kommt man nicht voran. Es ist von Person zu Person abhängig, wie man die Stelle gestaltet. Vielleicht entwickelt sich jetzt was ganz Neues. Darauf bin ich neugierig und freue mich darauf, dass es sich so weiterentwickelt.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Das ist eine spannende Frage. Als ich in anderen Kitas war, konnte ich auch viel von den anderen Leitungen sehen. Von guten Leitungen lernt man viel. Von Leitungen, die chaotisch sind, lernt man auch viel. Man kann daraus lernen, um Sachen besser zu machen. Ich mag kein Chaos. Ich mag meinen Tag strukturiert.

Früh morgens mache ich mir eine To-do-Liste und dann arbeite ich sie ab. Meine erste Priorität, wenn ich ankomme, sind jedoch eher die spontanen Sachen. Zum Beispiel, wenn ein Elternteil vor der Tür steht. Es gibt unvorhersehbare Sachen, für die man Zeit einplanen muss. Für Fehler sollte man auch Zeit haben. Es ist mir wichtig, sich im Team zu zeigen. Früh morgens mache ich eine Runde, begrüße alle Mitarbeiter_innen und spreche mit ihnen. Ich begrüße auch die Kinder, dann komme ich wieder ins Büro. Danach schalte ich meinen Computer an und da kommen weitere Aufgaben durch die E-Mails. Interviews, Verträge usw. plane ich dagegen in die Woche ein. Ich probiere meine Tür immer offenzuhalten. Wenn eine Fachkraft was zu besprechen hat, dann hat es immer Vorrang.

Das ist der grobe Ablauf. Dann gibt es noch die Dienstbesprechungen, Inforunden usw. Ich bin neu hier und mache auch Kennenlernengespräche mit den Fachkräften. Wir haben einen Hausmeister und externe Partner, mit welchen ich auch Sachen besprechen muss. Es gibt noch andere Termine, wie das Hoffest, das Sommerfest, der Begegnungstag für neue Eltern usw. Einmal im Monat haben wir Leitungsforen mit allen Leitungen vom Träger. Für mich ist auch Weiterbildung sehr wichtig. Auf dem Stand bleiben und nach neuen Ansätzen auszuschauen. Es gibt auch die Jahresplanung und andere organisatorische Sachen. Ich muss auch die Fortbildungen für die Fachkräfte organisieren. Es kommt immer was.

Die Kitaplatzanfragen sind sehr zeitaufwändig. Ebenso die Nachfragen zu beantworten. Man nimmt die Geschwister, die Kinder von Kooperationsfirmen, die Mitarbeiterkinder, dann auch die Kinder mit anderen Sprachen, Herausforderungen, Beeinträchtigungen an. Danach gibt es nicht viele Plätze übrig. Man muss überlegen, wie man da ran geht. Vielen Eltern muss ich leider absagen.

Welche Fähigkeiten sollte man für den Beruf mitbringen?

Mit Menschen zusammen zu arbeiten, zusammen mit dieser gemeinsamen Struktur. Das erfordert ein Zugehen, Verstehen, Aufnehmen, Klären und Umsetzen. Sehr wichtig ist, sich dabei selbst zu reflektieren. Sich klar über die eigenen Grenzen zu sein. Was geht und was nicht geht. Man muss es aber auch erklären können, warum Sachen nicht gehen. Das betrifft sowohl die Eltern als auch die Fachkräfte.

Jeder Tag fängt von neuem an. Man muss die Aufgaben aufarbeiten können. Überlegen, was einem bei seiner Arbeit wichtig ist. Mir ist zum Beispiel eine wertschätzende Umgebung sehr bedeutend. Das man sich im Team gegenseitig versteht, die Arbeit zusammen gestaltet, sich präsent zeigt. Zu signalisieren, dass wir an einem Strang ziehen.

Das andere sind die technischen Voraussetzungen oder auch Kommunikationskompetenz. Das entwickelt sich mit der Zeit. Dafür muss man aber aufgeschlossen sein.

Die Vernetzung ist auch sehr wichtig. Ich möchte im Kiez gut vernetzt sein, damit ich mich und die Kita entfalten kann und damit die Kinder gute Möglichkeiten haben. Da muss man auch das Wissen darüber haben, was die Kinder brauchen.

Man muss sich selbst führen können, das Team gut begleiten sowie den Eltern Transparenz und Offenheit zeigen und mit ihnen gut kommunizieren können. Man braucht hierzu also viele Fähigkeiten.

Was ist das Schönste an der Arbeit? Und was ist herausfordernd?

Ich finde es schwierig. Was heißt „schön sein“.

Ich kann hier das, was ich gelernt habe, umsetzen. Ebenso kann ich an den Zielen arbeiten, welche für das Haus wichtig sind. Schön ist, wenn das Team an demselben Strang zieht. Ich möchte nicht eine Leitung sein, die sagt: „Ich ziehe es jetzt einfach durch!“ Den Erzieher_innen ist es auch wichtig, eigene Ideen einzubringen.

Ganz schön war für mich besonders ein Moment. Wir hatten Kinderfahrräder im Keller, die kaputt waren. Ich habe unseren Hausmeister gebeten, sie zu reparieren. Er hat die Räder repariert und hochgestellt. Dann hat ein Erzieher es sich zur Aufgabe gemacht, es so zu gestalten, dass die Kinder einen Fahrradkurs machen können. Ebenso hat er Fahrradführerscheine eingeführt. Er hat die Idee weitergebracht. Schön ist, wenn die Kinder aus der Kita rausgehen und sagen können, ich habe in der Kita Radfahren gelernt. Das ist eine wichtige Fähigkeit, auch wenn man nicht ganz fit ist, es ist wichtig, damit in Berührung zu kommen.

Das ist das Schöne an der Arbeit, wenn man ein Team hat, mit dem auf Augenhöhe kommuniziert und Ideen weiterentwickelt werden. Ich mag es, wenn Sachen weitergedacht werden und man dadurch Ideen auf die Beine stellen kann. Sehr viel Freude habe ich daran sich selbst und die Organisation weiterzuentwickeln.

Es gibt auch Teile, die nicht so schön sind, wie die Konflikte oder die Missverständnisse. Sowas zerrt an der Energie. Es gibt energieraubende Konflikte, weil jemand emotional nicht klarkommt oder in Machtverhältnisse reinfällt. Wir sind nun Menschen und haben auch andere Fragen im Leben, die uns beschäftigen. Das kommt auch hier auf den Tisch, weil man hier nicht nur als Fachkraft, sondern auch als Mensch ist.

Bieten Sie Praktika an?

Ja. Wir freuen uns über Praktikanten_innen. Jederzeit können sich Interessierte bei uns melden. Es ist auch interessant, wenn man sich in dem Praktikum an Studien orientiert und nach konkreten Themen ausschaut. Wir wünschen uns Interesse.

Was kann man in einem Praktikum bei euch erfahren?

Je nachdem, welchen Schwerpunkt man mitbringt. Man kann immer eigene Perspektiven einbringen. Erstmal muss man erkunden und beobachten. Danach kann man überlegen, was notwendig ist. Dann setzt man sich Ziele und handelt danach. Danach kommt die Reflexion.

Beispielsweise bringen viele Familien ihre Kinder mit dem Auto in die Kita. Was heißt das? Welche Folgen kann es haben? Man muss in die Erkundung gehen. Beispielsweise kann es ein Übergewicht mit sich bringen. Nach einer Orientierung setzt man sich Ziele. Dann kommt man in die Handlung. Es kann beispielsweise ein Bewegungsprogramm für die Kinder gestaltet werden. Danach reflektiert man das Projekt.

Bei solchen Sachen sind Vernetzungen sehr wichtig. An der FU gibt es viele Forschungsprojekte, wo man in der Vernetzung arbeiten kann. Die Theorie kann man für die Praxis nutzen.

Möchten sie noch gerne was ergänzen?

Ich freue mich immer, wenn sich Leute für die Kita interessieren. Die Vernetzung ist mir wichtig. Wir haben einen Träger, der uns gut trägt, uns unterstützt und sehr offen gegenüber uns ist. Wir haben also viele Möglichkeiten, wie wir uns weiterentwickeln können.

An der Einrichtung interessiert? Hier geht es zu der Webseite.

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