Binationale Paare suchen, finden und verlieren ihr Glück
von EKATERINA DOLGINA
Die Globalisierung kennt keine Grenzen. Sie hat die Wirtschaft, die Politik und die Wissenschaft ergriffen. Aber das ist nicht alles. In der Metro oder im Nachtclub auf einer Party fallen immer öfter gemischte Paare auf. Gelangt die Globalisierung schon bis in unser Privatleben? Und wie fühlt man sich, wenn man in einer internationalen Beziehung steckt? Mit welchen Schwierigkeiten muss man sich dann befassen? Und gibt es eigentlich eine Liebe ohne Grenzen?
Maria, ein 25jähriges Mädchen aus Russland, sagt, sie wolle sich nicht mehr mit russischen Männern verabreden. In den letzten Jahren hatte sie genauso viele ausländische Freunde wie russische. Die Beziehung mit Russen seien aber nur „Affären“ gewesen, die mit Ausländern schon „etwas ernster“. Wenn ihre Freunde hören, dass ein neuer Gast aus irgendeinem Land in ihre Stadt kommt, fällt ihnen sofort Maria ein und sie scherzen, dass sie wieder einen Versuch machen wird, ihre große Liebe zu finden. Böse Zungen behaupten, dass sie „viel zu international“ sei und dass sie einfach die Staatsangehörigkeit ersetzen wolle, um damit ein neues, besseres Leben zu beginnen. Jedoch beweist Maria, dass dies so nicht stimmt, denn in der Liste ihrer Liebhaber sind auch Männer, die aus weniger wohlhabenden Ländern stammen. Sie ist der Meinung, russische Männer können nicht lieben.
Diese Behauptung kann auch Angelina, eine winzige Moskauerin bestätigen. Sie hat mit ihrem zerbrechlichen Äußeren aber einem starken Charakter bei einem Sommerkurs an der Universität Ilmenau die Aufmerksamkeit von Matthias auf sich gezogen. Für den Ingenieur aus München war diese russische Frau mit ihren asiatischen Gesichtszügen reine Exotik. Er wollte sie besser kennenlernen und es entspann sich eine Beziehung zwischen den beiden. Die deutschen Männer schienen in Angelinas Augen perfekt, ihre Ordnung und Pünktlichkeit haben ihr gefallen. Ihre Beziehung zu Matthias hat sich ungestüm entwickelt, sie ist nach Deutschland gereist, er hat sie oft in Russland besucht. Ein Jahr nach ihrem ersten Treffen war die Journalistin bereit, ihre Karriere, Freunde und Verwandte zu verlassen und nach Deutschland zu ziehen. Aber kurz vor der Hochzeit hat Matthias beschlossen, die Beziehung zu beenden. „Es ist eine zu große Verantwortung, eine ausländische Frau zu haben”, hat er ihr seine Entscheidung erklärt. Für Angelina war es nicht leicht, die Trennung zu verwinden. Heute bedauert sie nicht, dass er sie nicht geheiratet hat. Zu Beginn, als die beiden sehr verliebt waren, seien die Unterschiede in der Mentalität nicht bemerkbar gewesen. Aber im Laufe der Zeit hätten sich die Gegensätze immer mehr offenbart. Die Impulsivität und Emotionalität der russischen Frau waren manchmal zu viel für den deutschen Mann. Matthias wollte eine ruhigere Freundin, und auch die bunten Kleider von Angelina schienen ihm manchmal ungehörig. Die Verliebten stritten sich ums Geld. So wollte Matthias, dass seine Zukünftige in ihrer gemeinsamem Urlaubsreise die Hälfte des Benzingeldes zahle. Die Russen hingegen sind überzeugt, dass der Mann alle Kosten selbst tragen müsse. Solche Unterschiede gab es häufig und führten immer wieder zu Streit.
Auch Katja und Mattia streiten häufig. Jedoch ist die Ursache ihres Zwistes der Jähzorn der beiden. Sie haben sich an einer Universität in Russland kennen gelernt, wohin der italienische Student über ein Austauschprogramm gekommen war. Mattia reist gern durch die Welt und liebt die Sprachen und Kulturen anderer Länder. Über Russland hatte der 23-Jährige viel gehört: Roter Platz, Wodka, KGB und die schönen schlanken Blondinen. Vor seiner Ankunft in Russland hat er schon mehrmals eine ausländische Freundin gehabt. Die Idee, eine russische Frau zu finden, gefiel ihm. Aber er konnte sich nicht vorstellen, dass er sich so sehr verlieben würde. Katja ist keine Blondine und wird im Ausland selten als Russin wahrgenommen. Die 25-Jährige hat allerdings sofort bemerkt, dass Mattia aus dem Ausland kommt. Zuerst war sie sehr neugierig und wollte wissen, ob die italienischen Männer wirklich so leidenschaftlich sind, wie sie gehört hatte. Aber bald spielte die Nationalität keine Rolle mehr. Katja hatte sich in seine persönlichen Eigenschaften verliebt, nicht in seine Herkunft. Für Mattia war es ein Glück, eine russische Freundin zu finden. Sie hat ihm geholfen, alle Probleme, die im Leben in Russland erscheinen können, zu lösen. Mit ihr war die Integration in den russischen Alltag viel leichter. Sie hat ihm auch geholfen, Russisch zu lernen. Heute reden Katja und Mattia miteinander nur auf Russisch. Aber wenn sie sich streiten, wechseln sie sofort ins Englische. In solchen Momenten, sagt sie, wolle sie nicht mit ihm Russisch sprechen und die russische Kultur mit ihm teilen. Jedoch könne der Streit mit dem Liebsten auch ein bisschen Spaß machen. Gerade in solchen Momenten, wenn Mattia sein wahrhaftes italienisches Temperament zeigt. Katja und Mattia sind schon neun Monate zusammen. Jetzt gibt es außer der Mentalitätsschwierigkeit auch noch ein Distanzproblem zwischen ihnen. Momentan müssen sie ihre Ausbildung in verschiedenen Ländern fortsetzen. Noch können sie nicht ahnen, was aus ihnen wird. Aber sie wissen gut, dass eine gemeinsame Zukunft nur dann möglich ist, wenn sie sie zusammen bilden.
Das ist Marcello und Miriam gelungen. Beide haben sich vor fünf Jahren im süditalienischen Lecce kennen gelernt. Miriam war im Rahmen eines Studentenaustauschs aus Barcelona dorthin gekommen. Sie hatte keinen einzigen Bekannten in Italien, und Marcello wusste über die katalonische Kultur rein gar nichts. Ihr Treffen war rein zufällig, aber das Interesse aneinander um so größer. Miriams katalonischer Charakter, ihre Würde und Demut und die Achtung vor seinen Landsleuten haben Marcello bezaubert. Abgesehen davon, dass sie verschiedene Mentalitäten haben, finden sie immer eine gemeinsame Lösung. Dafür ist Marcello seiner Freundin sehr dankbar. Wenn Miriam ihm ihre Meinung zeigt, bereichert das immer wieder seine Vorstellungen und er versteht, dass er manchmal zu definitiv und ungerecht ist.
In der ersten Zeit ihrer Beziehung, hatten Miriam und Marcello sprachliche Schwierigkeiten. So musste er sich anpassen und einfacher Italienisch mit Miriam sprechen, um Missverständnisse zu vermeiden. Dennoch haben die verschiedenen Sprachen ihnen geholfen, einander näher zu kommen. Zu guter letzt haben sie eine eigene gemischte Sprache entwickelt, die nur sie beide verstehen. Heute wohnen Marcello und Miriam zusammen in Italien. Aber sie fahren oft gemeinsam nach Barcelona. Viele Dinge gefallen Marcello in Spanien: die Offenheit und der Zivilisationgrad der katalonischen Leute, und wie das Leben in Spanien organisiert wird. Marcello ist sicher, dass die katalonische Kultur ihn nicht so bezaubern würde, wenn Miriam nicht bei ihm wäre. Gerade sie hat ihm das Wesen Kataloniens geöffnet, hat ihm Orte gezeigt, die für gewöhnliche Touristen nicht sichtbar sind. Das Konzept der internationalen Paare gefällt Marcello sehr. Er stimmt total den Worten eines italienischen Sängers zu, die er einmal gehört hat: „Es ist ausreichend, dass eine Generation Leute aus einem anderen Land heiratet, um den Faschismus in der Welt auszurotten”.
Ihren Beitrag zur Rettung der Welt vom Faschismus leisten auch Nadja und Alpaslan. Sie sind schon seit elf Jahren zusammen. Sie nennt sich „Biodeutsche“, er ist ein Berliner mit türkischen Wurzeln. Sie haben sich im Hauptgebäude der Technischen Universität kennengelernt. Obwohl sie verschiedene Fachrichtungen studiert haben, überschneiden sich ihre Arbeit und ihre sozialen Aktivitäten. Schon vor ihrem Treffen mit Alpaslan wusste Nadja viel über die türkische Kultur, denn sie ist in Kreuzberg, dem wohl multikulturellsten Stadtteil von Berlin, aufgewachsen. So hat sie sich nie über die Herkunft ihres Freundes Gedanken gemacht. Natürlich, im Alltag, wie bei jedem Paar, gibt es Streit zwischen beiden. Aber er ist nicht mit der Herkunft der Verliebten verbunden und betrifft nicht die Frage ihrer Kultur. Der Streit passiert zwischen den Menschen, nicht zwischen den Nationalitäten. Nadja und Alpaslan sind sich bewusst, dass sie eine binationale Beziehung führen. Sie vergleichen ihre Traditionen und Kulturen, aber bewerten sie nicht. Er kritisiert seine Kultur genauso wie Nadja ihre kritisiert. Dazu kommt, dass heute die Kulturen und die Nationalitäten so gemischt sind, dass es schwierig ist, eine von der anderen zu trennen. Nadja ist nie in einer „rein deutschen“ Umgebung aufgewachsen und auch Alpaslan ist in Kreuzberg nicht nur unter Türken groß geworden. Deshalb fühlen sich beide wie Berliner, und diese Gemeinsamkeit ist viel wichtiger für sie, als die zahlreichen Unterschiede in den Mentalitäten. Das wichtigste ist eine echte Liebe. Eine Liebe ohne Grenzen.
Die Autorin
Ekaterina Dolgina wurde in Zlatoust, in der Tscheljabinsker Region in Russland geboren. Sie hat Journalistik an der Uraler Staatlichen Universität in Ekaterinburg studiert. Sie arbeitet am Universitätsfernsehstudio „TRK UrGU“, wo sie als Korrespondentin, Redakteurin, Schnitterin und Moderatorin tätig ist. Zusammen mit den Studenten der Fakultät der Journalistik produziert sie eine Studiensendung. Außerdem hat sie eine eigene Jugendsendung, die im Stadtsender ausgestrahlt wird.