Ballett ist Vision und Leidenschaft

Eine bulgarische Rentnerin unterrichtet klassischen Tanz in Eisenach

von Daniela Ivanova

Skript zum Audio-Beitrag

https://www.youtube.com/watch?v=sydBoAAZhM4

Mod: Willkommen im Ballettworkshop in Lauterbach, Hessen.

Und das ist die Leiterin des Workshops, Penka Karow. Bei ihr gibt es keine Kompromisse mit der Sauberkeit der Bewegungen, auch wenn es um Hobbytanzen geht.

Für ihre Stunde muss man auch sein Französisch Frisch halten.

Die erfahrene Tänzerin, Pädagogin und Choreografin Penka Karow konnte auch als Rentnerin das Ballett nicht aufgeben. Seit 1996, nachdem sie in den Ruhestand ging, leitet sie Tanzworkshops an Schulen und Kindergärten, sowie auch in Tanzstudios wie diesem hier.

Ballett war für sie seit der Kindheit eine Leidenschaft. Geboren und aufgewachsen in Bulgarien, hatte sie mit 18 die damals große Chance ihr Tanzstudium in der Sowjetunion zu machen – in Taschkent, dem heutigen Usbekistan.

Zum ersten Mal verließ sie ihre Heimat, nur um zurück zu kommen und als Balletttänzerin eine Karriere in Bulgarien zu machen. 1969 ergab sich eine neue Chance ihr Talent im Ausland zu entwickeln.

Ein Kulturvertrag zwischen den Konzertdirektionen der Volksrepublik Bulgarien und der DDR ermöglichte es talentierten und ausgebildeten Künstlern nach Ostdeutschland zu reisen und an bestimmten Theater- und Operhäusern tätig zu werden.

So ist sie nach Eisenach, im Westen Thüringens, gekommen.

O-Ton: Nach Deutschland bin ich gekommen 1969 am 9. September.

Mod: Und warum?

O-Ton: Um meine Vision weiter zu geben, besonders diese Ballettkunst, an die kleinen Kinder, auch an Erwachsene. Dafür gebe ich sehr viel Kraft und Liebe zu dieser Kunst.

Mod: Das hat sie wohl seit 1969 gemacht, in Eisenach sowie in vielen Nachbarstädten.

Nach der Wende konnte sie auch in den alten Bundesländern arbeiten. Was hat sich sonst in der Welt der Künste nach 1989 verändert?

O-Ton: Kunst bleibt Kunst, egal ob Ballett, Musik, Oper…

Und doch zog sie spanische Musik immer an – ein Problem, weil der kulturelle Austausch mit dem Westen begrenzt war. Die technische Ausführung, die Schritte in der spanischen Musik, hatte sie schon früh aus den klassischen Tanzbüchern gelernt. Trotzdem entgingen ihr das emotionale und das folkloristische Gefühl der Bewegungen.

Bis sie nach der Wende in den Westen durfte und mit einer spanischen Tänzerin in Frankfurt am Main das klassische und das traditionelle Tanzen austauschte.

Obwohl sie ihr Talent für Ballett ihren Tanzschülern und Schülerinnen in Deutschland gewidmet hat, ist Bulgarien für sie immer noch ein sehr emotionales Thema.

Allein als Waisenkind unter den harten Bedingungen der Nachkriegszeit in Bulgarien aufgewachsen, wollte sie unbedingt einen Weg aussuchen, auf welchen sie Waisenkindern und sozial schwachen Menschen in Bulgarien helfen konnte. Was hat sie gemacht?

O-Ton: Humanitäre Hilfe. Ich war selber ein Kind ohne Eltern…

Mod: Und so fing sie 1998 an, zuerst ihre Freunde in Eisenach dann durch Anzeigen auch eine größere Gemeinde zu organisieren. Ganz ohne große Ansprüche begann alles: Allein den Wagen aufladen und dann Kleider, Spielzeuge, Möbel, sogar Waschmaschinen und Lebensmittel in verschiedene Städte in ganz Bulgarien transportieren. Schon seit mehr als 10 Jahren.

O-Ton: Deutsche Bürger haben sehr große Hilfe geleistet.

Mod: Jeder half mit, wo er konnte, so dass sich Kinderheime, Krankenhäuser und arme Gemeinden ein besseres Leben leisten konnten.

O-Ton: Die Leute waren sehr glücklich, besonders die Kinder. Den Kindern haben wir sehr viel Freude gemacht.

Mod: Und die Leute waren mit dem Einfachsten zufrieden. Das versteht Penka Karow wohl.

O-Ton: Mit großer Freude und Liebe – das ist alles für mein Land, für die Kinder.

Mod: Manchmal sind Kleinigkeiten der größte Mangel. Bedauert Penka etwas?

O-Ton: Im Leben bedauere ich gar nichts. Ich bin glücklich und ich liebe Ballett.

Mod: Das lässt sich wohl bemerken. Künstlerin, Abenteurerin und pflichtbewusste Bulgarin, ist Penka Karow einem treu geblieben – immer mit dem Herzen zu denken.

Die Autorin

Daniela Ivanova ist in Bulgarien geboren und aufgewachsen. 2010 absolvierte sie ihr Studium der Gesellschaftswissenschaften an der Wesleyan University, CT. Ab dem Herbst 2010 ist ein weiteres Studium geplant, ein Master an der Oxford University, Bereich Politikwissenschaft. Ihr Leidenschaften  sind Osteuropa, die EU und altes europäisches Kino.

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