Nur ein Name auf einem Zettel

Der Syrer Sebu Azad vermisst echte Freundschaft in Berlin

von Zarine Arakelyan

Deutschland gibt Ausländern die Möglichkeit, sich frei zu fühlen. So meint Sebu Azad, ein Migrant aus Syrien. „Frei bedeutet, dass ich Zeit habe, über mein Leben nachzudenken, um zu wissen, wer ich bin, was ich will, wie viele Personen in mir stecken“, schwärmt der 35-Jährige von seinem Leben in Berlin. „Wenn ich diese Freiheit in Syrien haben würde, würde ich zurückfahren“, so Sebu Azad.

Seit 1998 wohnt Sebu Azad in der deutschen Hauptstadt. Nur wegen privater Probleme sei er nach Deutschland gekommen. Schwierigkeiten mit Geld und Arbeit hatte er in Syrien nicht gehabt. In seiner Heimatstadt Hassake hat er in seinem eigenen Unternehmen Autoscheiben verkauft.

Weil er keine Papiere hatte, musste er in seinen ersten Jahren in Berlin ab und zu schwarz arbeiten. Es reichte für Essen, Trinken und eine Unterkunft im Wohnheim. Dieses Leben hat acht Jahre gedauert.

„Als ich das erste Jahr in Deutschland war, war ich der deutschen Gesellschaft bedeutungslos. Ich war ein Nichts, nur ein Name auf einem Zettel. Das war alles“, erinnert er sich. „Die Leute hat nur gestört, dass sie mir Sozialgeld gegeben haben“, sagt Sebu ruhig.

Nachdem er seine Aufenthaltserlaubnis bekommen hat, beginnt der junge Mann mit den traurigen Augen als Internettelefonverkäufer zu jobben. Später arbeitet er in einer Leihfirma, einer Holzfirma und einer Autoglaserei. Seit fünf Jahren hat Sebu Azad eine eigene Wohnung.

Sprachlich habe er sich ganz gut integriert, schaut er zurück, aber nicht kulturell. „Als ich in Syrien war, habe ich Werte gelernt, die es hier nicht gibt: Die Sittlichkeit, der Umgang mit älteren Leuten und Frauen.“ Auch Freundschaften zu knüpfen, sei nicht leicht. „Es dauert oft sehr lange, bis die Menschen einander nahekommen. Und wenn sie einander nahe sind, dauert es vielleicht nur Sekunden, dass sie auseinander gehen“, sagt er. Sebu hat nur einen deutschen Freund. In Syrien tun Freunde alles füreinander. Das vermisst Sebu in Berlin. „Es ist eine Ausnahme, eine richtige enge Freundschaft zu finden. Man braucht mindestens zwölf Jahre, um sie zu finden“, erzählt er über diese Beziehung.

In seiner Zeit in Berlin hat Sebu Azad als freier Zuhörer zwei Jahre Psychologie an der Freien Universität studiert. In fünf Jahren wird er die deutsche Staatsbürgerschaft kriegen. Seit 1998 konnte er nur einmal seine Familie in Syrien besuchen. Trotz der guten Beziehungen zu seiner Familie und jener Schwierigkeiten, die er in Berlin erlebt hat, fühlt sich Sebu Azad nicht als Syrer: „Es ist schön, wenn man diese Familiengefühle hat, aber es hat gute und schlechte Seiten. Negativ ist, dass sich die Verwandten sehr viel in das Privatleben einmischen“, erzählt er mit trauriger Stimme. „Natürlich genieße ich das Leben in Syrien mehr als hier. Aber die Leute sind dort ganz anders. Ich fühle mich als Berliner.“

Die Autorin

Zarine Arakeljan, ist in der Republik Armenien, in der Stadt Sewan geboren. Sie hat an der Jerewaner Staatlichen Linguistischen Universität an der Fakultät für Russisch, Literatur und Deutsch studiert. Bis Mai 2010 hat sie für die  Fernsehorganisation „A1+“ als Journalistin gearbeitet. Aktuell macht sie ein Praktikum beim Offen Kanal „Alex“ in Berlin.

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