Seit dem Wintersemester 2004/2005 gibt es nun Bachelorstudienordnungen an der FU Berlin. Das erklärte Ziel der neuen Studiengänge war und ist es, die StudienabbrecherInnenquote zu verringern und die Studiendauer zu verkürzen. Um zu überprüfen, ob diese Ziele tatsächlich eingehalten werden, beauftragte das Präsidium den „Arbeitsbereich Controlling“ der FU mit der Durchführung einer Studie. Deren Ergebnisse liegen seit Februar 2007 vor, größere Aufmerksamkeit erfuhren sie allerdings nicht. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, v.a. wenn mensch sich das Fazit der Studie ansieht. Da heißt es ganz lapidar:
„Die bisher mit der Einführung der neuen Studiengänge verbundenen Vorstellungen:
– geringerer Studienabbruch aufgrund intensiverer Betreuung und besserer Strukturierung der Studiengänge sowie
– Verkürzung der Studiendauer
werden nicht oder nur teilweise eingehalten.“ (S. 2, Hervorhebung von uns)
Vor allem das Ziel „geringerer Studienabbruch“ wird deutlich verfehlt. So liegt die Abbrecherquote im Magister-Hauptfach nach 5 Fachsemestern im Schnitt bei zehn Prozent, in 60 LP-Bachelorstudiengängen dagegen bei 28 Prozent und in 90 LP-Bachelorstudiengängen sogar bei desaströsen 37 (!) Prozent. Die einzige alte Studienordnung, die da nur ansatzweise „mithalten“ kann, sind Lehramtsstudiengänge – hier beträgt der „Schwund“ 25 Prozent. Gründe dafür nennt die Studie ebenfalls: „Studierende geben im größeren Umfang als bisher ihr Studium auf und die Bewerberzahl einen Studienplatz in einem höheren Fachsemester hat sich verringert. Studierende sind [..] nicht daran interessiert, in ein höheres Fachsemester in den Bachelorstudiengang an der FU zu wechseln [..].“ (S. 5)
Eine detaillierte Auflistung der Abbrecherquoten in den einzelnen Studiengängen folgt. Hierbei zeigt sich, dass v.a. LehramtsstudentInnen mit Bachelor-Studienordnungen überhaupt nicht zurechtkommen. Im 90-LP-Bachelor Biologie auf Lehramt gaben innerhalb der ersten fünf Semester 65 Prozent der Studierenden auf (zum Vergleich: in der alten Studienordnung waren es 17 Prozent). Weitere ähnliche Beispiele unter den Lehramtsstudiengängen finden sich zuhauf.
Ebenfalls unbeliebt: B.A.-Abschlüsse in den Geisteswissenschaften, v.a. wenn mensch den Vergleich mit den alten Studienordnungen zieht. Im 90-LP-Bachelor „Deutsche Philologie“ brachen 18 Prozent der Studierenden ihr Studium vorzeitig ab. Verglichen mit den Durchschnittswerten (s. oben) ist das wenig, verglichen mit dem bisherigen Magisterstudiengang eine Versechsfachung: in der alten Studienordnung brachen nur drei Prozent der Studierenden ihr Studium ab. Über die Philosophen heißt es in der Studie: „Der Schwund in den neuen Studiengängen ist inakzeptabel hoch. Mehr als die Hälfte [53 Prozent, um genau zu sein, Anm. d. Verf.] verlassen diesen Studiengang innerhalb von zwei Jahren. Dies war in dem auslaufenden Magisterstudiengang nicht der Fall.“ (S. 25) In diesem betrug die Abbrecherquote gerade mal 14 Prozent.
Doch auch die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer, die angeblich mannigfaltig von den neuen, „strafferen“, „praxisbezogeneren“ usw. usf. B.A.-Abschlüssen profitieren sollten, schneiden geradezu desaströs ab. Als – zugegebenermaßen sehr negatives – Beispiel sei hier der Informatik-Studiengang erwähnt. Die Einführung des Bachelors verzehnfachte (!) hier die Abbrecherquote im Vergleich zum Diplomstudiengang: von sieben auf 71 Prozent im Monobachelor. Im 90-LP-Modul betrug der Schwund noch einmal mehr: nur gut jedeR zehnte (14 Prozent) blieb länger als fünf Semester dabei. Mit ein Grund: Studierende wechseln in höheren Fachsemestern offenbar „in erheblichem Umfang“ (S. 17) in den Diplomstudiengang.
Dies passiert übrigens auch am OSI; während der Diplomstudiengang sogar noch dazugewinnt, also quasi einen „negativen Schwund“ aufweist, verlassen 36 Prozent der PolitikstudentInnen ihren Bachelorstudiengang.
Der zweite Teil der Studie befasst sich mit der anderen angekündigten, um nicht zu sagen versprochenen, Segenswirkung der neuen Abschlüsse: der Verkürzung der Studienzeit. Hier wurde allerdings ein etwas fragwürdiges System angewandt – anhand der Daten über erreichte Leistungspunkte wurde prognostiziert, wieviele Studierende ihr Studium in der Regelstudienzeit würden abschließen können. Ganz abgesehen davon, dass diese Methode mögliche persönliche Entwicklungen – etwa einen plötzlichen Motivationsschub, plötzlich einsetzende oder aufhörende Geldsorgen, Liebes- oder sonstigen Kummer usw. – aussen vor lässt, und auf diese Weise natürlich jeweils nur die Momentaufnahme eines Semesters entsteht, beruhen die Daten auch auf dem notorisch unzuverlässigen Campus Management. Die Zahlen sind also ein wenig mit Vorsicht zu genießen.
Dennoch haben sie es in sich. Weniger als ein Drittel, gerade mal 30 Prozent, aller Studierenden im dritten Fachsemester, hat laut Studie bereits die notwendige Menge an Leistungspunkten erbracht. Der große Rest wird für die Beendigung des Studiums länger brauchen, als vorgesehen.
Ein klarer Trend, in welchem Fach besonders „fleißige“ StudentInnen am Werk sind, lässt sich aus der Studie nicht erkennen – sowohl in den Geistes- und Sozial- als auch in den Naturwissenschaften gibt es Fächer mit unter- und überdurchschnittlichem Lernverhalten.
„Das Studierverhalten im Fach Politikwissenschaft ist überdurchschnittlich“, heißt es übrigens auf Seite 55. Hach, was sind wir doch exzellent.
Fazit: Es ist doch etwas merkwürdig, wenn eine Universitätsleitung, die sonst nicht müde wird, auf allen medialen Kanälen die neuen Studienordnungen und -abschlüsse anzupreisen, die Ergebnisse einer selbst von ihr in Auftrag gegebenen Studie so herunterspielt. Vielleicht, weil sie Lenzen und Konsorten nicht genehm sind? Doch diese Studie leistet mehr, als nur das bekanntermaßen dialektische Verhältnis zwischen vollmundigen Ankündigungen unserer „ExzelLenzen“ und der Wirklichkeit zu belegen. Sie liefert auch eine weitere Begründung frei Haus, warum die Einführung der Bachelor- (und Master-) Studiengänge höchst kritisch zu sehen ist: selbst wenn mensch sich auf das neoliberale Argumentationsniveau von Studienzeitverkürzung und Verringerung der AbbrecherInnenquoten herablassen wollte, zeigt die Studie, dass nicht einmal diese „Versprechen“ eingehalten werden.
Vielleicht verstehen Dieter Lenzen, die Hochschulrektorenkonferenz und die Kultusministerkonferenz besser, was wir meinen, wenn wir uns in ihrem Wirtschaftsneusprech ausdrücken: „Never change a winning team.“
Nachtrag: der Bericht ist unter http://www.wiki.bildung-schadet-nicht.de/images/d/d1/Studienerfolg_FU.pdf mittlerweile online verfügbar.
5 Gedanken zu „Der „Erfolg“ der Bachelor-Studienordnungen“