Von Abwehrrufen, professoralem Zerfleischen – Zur Diskussion im FBR vom 10.12.08

So viele Profs auf einem Haufen sieht man nicht alle Tage. Am vergangenen Mittwoch platzte der Hörsaal B in der Ihnestr. 21 nur so angesichts der an- und unangemeldeten TeilnehmerInnen, die zur Sitzung des Fachbereichsrates (FBR) Politik- und Sozialwissenschaften erschienen waren. Hintergrund war die erneute Befassung des Gremiums mit der Berufung von Prof. Chonjacki (Friedens und Konfliktforschung) und Prof. Zürcher (Sicherheitspolitik). Nachdem die Entscheidung über einen Ruf bereits im Sommer vom FBR verabschiedet worden war, gaben eine Gruppe von OSI-Profs, die Studierenden im Fachbereichsrat sowie die Frauenbeauftragte ein Minderheitsvotum bei Wissenschaftssenator Zöllner ab. Dies schien den Senator letztlich dazu bewegt zu haben, die Entscheidung über eine Berufung der beiden Juniorprofs an den FBR zurückzugeben – eine Ohrfeige für die noch amtierende Dekanin Prof. Riedmüller (Sozialpolitik und Komparatistik), die sich während ihrer gesamten Amtszeit durch eine äußerst intransparente, ignorante und aggressive Politik hervorgetan hatte.

Dementsprechend aufgeladen zeigte sich die Stimmung am Mittwoch Morgen. Schnell wurde klar, dass es für viele der Anwesenden nicht nur um die erneute Entscheidung über zwei umstrittene Berufungsverfahren ging. Viele der das Verfahren kritisierenden Profs, die wie Prof. Bolle (Politische Ökonomie), Prof. Mielke (Gewerkschaftspolitik) und Prof. Berghahn (Politik und Recht) zu den Dienstältesten gehören, kritisierten vor allem die oft informelle aber mächtige Einflussname der im Sonderforschungsbereich und den Internationalen Beziehungen tätigen KollegInnen, wie Prof. Risse (Internationale Beziehungen) und Prof. Börzel (Europäische Integration). Da es sich also um eine Gemengelage an Kritikpunkten gepaart mit persönlichen Konflikten handelte, versprach die Sitzung einigen Zündstoff, der sich auch sehr schnell in einer offenen Debatte zum Thema Berufung von Chonjacki und Zürcher entlud. Mehrmals wurde Prof. Riedmüller persönlich attackiert und auf Grund der fragwürdigen Führung ihrer Amtsgeschäfte kritisiert. Weiterhin stellten sich viele Redebeiträge gegen eine Verlagerung des Schwerpunktes des OSI als ganzem hin zu einem „reinen IB-Institut“ (Bolle). Allerdings blieb es während der öffentlichen Debatte sehr oberflächlich und kam eher nur zu Äußerungen allgemeinen Unwohlseins über die Situation.

Die studentische Kritik stützte sich größtenteils auf den Zustand, dass eine Vollprofessur für Politische Theorie und Ideengeschichte gestrichen würde , um dafür zwei weitere Stellen in IB nahen Fächern zu schaffen. Der Geschäftsführende Direktor des OSI, Prof. Massing (Sozialkunde), führte hier ein starkes Gegenargument an, was meiner Meinung nach einen großen Teil der Stimmberechtigten, die vielleicht noch unentschlossen waren, überzeugte. Es sei gar nicht so, dass für zwei IB Professuren eine Theorie Professur gekürzt würde, da die Ausschreibung für die Juniorprofessur „Politische Theorie und Ideengeschichte“ mit einem „Tenure Track“ versehen werden solle. Normalerweise sind Juniorprofessuren zeitlich befristet, was sie maßgeblich von unbefristeten Vollprofessuren unterscheidet. Juniorprofessuren mit „Tenure Track“ dagegen besitzen eine Art Versicherung automatisch, nach einer gewissen Zeit, zu einer Vollprofessur zu werden. Somit habe das OSI nicht eine voll Stelle aufgegeben sondern mittelfristig 3 volle Stellen hinzugewonnen.

Im nichtöffentlichen Teil der Sitzung des FBRs wurde es nochmals etwas konkreter was die Personalien Chonjacki und Zürcher betraf. Vor allem die Berufung Zürchers löste einige Debatten aus, die sich vor allem um einige formelle Schwierigkeiten handeln. Sogenannte schnelle Berufungsverfahren als Abwehr auf einen Ruf von einer anderen Universität , wie sie im Fall der beiden Politikwissenschaftler angewandt wurden, sind nämlich nur rechtens, wenn es sich beim Ruf der anderen Universität um eine unbefristete volle Stelle handelt. Dies stand bei Chonjacki außer Frage. Zürcher dagegen hatte in seinen Personalien keinen solchen Ruf vorliegen. Dies wurde damit begründet, dass nur das Präsidium der FU diese Rufe vorliegen hätte und diese nur dort eingesehen werden könnten. Aus diesem Zustand ergab sich eine gewisse Unsicherheit, da de facto kein Mitglied der zuständigen Berufungskommission oder des FBR’s jemals diese Berufung eingesehen hatte.

Von studentischer Seite wurde der Fall Zürcher zusätzlich anhand dessen wissenschaftlicher Ausrichtung kritisiert. So hatte Zürcher auf einer Afghanistanreise nachweisbar sowohl für den Sonderforschungsbereich geforscht als auch eine Auftragsarbeit für das Bundesverteidigungsministerium erstellt. Diese Umfrage, die den Studierenden in Papierform vorlag, legitimiert den Einsatz der Bundeswehr im Ausland und fordert indirekt zur Entsendung von mehr Truppen auf. Zwar wurde dieser Vorwurf der Verstrickung des SFB mit Auftragsforschung zurückgewiesen, da das eine öffentliche Forschung sei und das andere Privatsache. Überzeugend wirkte das Argument auf uns Studierende jedoch nicht.
Schließlich kam es zur geheimen Abstimmung. Insgesamt stimmten 32 ProfessorInnen, 3 Studierende und 3 Wissenschaftliche MitarbeiterInnen ab. Im Fall von Chonjacki war das Wahlergebnis sehr eindeutig. Sein Ruf wurde mit einer klaren Mehrheit verabschiedet. Etwas knapper viel die Entscheidung über den Ruf Zürchers aus. Doch letztlich war auch hier die Mehrheit der Stimmen für die Aussprache eines Rufes. Leider können genaue Wahlergebnisse nicht genannt werden, da 2 ProfessorInnen es versäumten auf ihren Wahlzetteln zu Kennzeichnen, ob sie nun Profs waren oder nicht.

Nach dieser langen Auseinandersetzung über die Besetzung oder Nichtbesetzung von Professuren und die Kürzung oder den Ausbau von wissenschaftlichen Teildisziplinen am OSI, bleibt die Erkenntnis, dass die Gruppe der im Sonderforschungsbereich aktiven ProfessorInnen auch in Wahlen die Überlegenheit gewonnen hat. Flankiert werden sie durch den geschäftsführenden Direktor des OSI, Massing, und seinen Stellvertreter, Funke, die hoffen, durch die Ausstattung der Juniorprofessur für die Politische Theorie mit einem „Tenure Track“ das OSI und dessen breites Angebot zu bewahren. Und es wäre ja auch eine prima Sache, wenn dieses Vorhaben nun gelänge. Allein mir fehlt der Glaube daran. Schon wurde von FU-Präsidialer Seite angekündigt jeder Fachbereich der FU müsse im Jahr 2009 7,5 % seines Etats einsparen. Die Vermutung liegt hier nahe, dass gerade hier wieder noch unbesetzte Stellen, wie die Professur für Politische Theorie und Ideengeschichte zusammengekürzt werden. Damit würde das Pendel noch stärker auf die Seite der IB schwingen, die sich durch ihre starke Präsenz im SFB bereits größten Teils unabhängig von den öffentlichen Mitteln des Fachbereichs und der FU gemacht hat. Hallo du neoliberale Wissenschaftswelt!

Für uns Studierende bleibt den weiteren Prozess zur Juniorprofessur genau im Auge zu behalten. Am Mittwoch den 17. Dezember 2008 um 9 Uhr findet im Hörsaal B der Ihne 21 die nächste Sitzung des Institutsrates des OSI statt. Hier wird die Juniorprofessur erneut Thema sein. Ein Möglichkeit nochmals genau hinzuschauen!

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