Bildungsstreik: Versuch eines Überblicks

Vorneweg: in der letzten Woche sind viele Dinge passiert, über die einen Überblick zu behalten schwer war/ist. Deshalb wird dieser Artikel auch nur einzelne Teilaspekte des Bildungsstreiks beleuchten.

Montag: wie hier bereits geschrieben, begann die Woche mit der auf der VollVersammlung in der Woche zuvor beschlossenen Besetzung des OSI. Die von uns nur für einen Tag geplante Aktion stieß auf große, überwiegend positive, Resonanz: ein für Montagmittag einberufenes Streikplenum wurde von mehr als 200 Menschen besucht. Dieses Plenum beschloss, die Besetzung für den Rest der Woche aufrecht zu erhalten und auch die zuvor noch zugängliche Ihnestraße 22 zu blockieren. Auch der Umgang mit DiplomandInnen und Wissenschaftlichen MitarbeiterInnen wurde diskutiert und eine Kompromisslösung gefunden.

Dienstag: mit (je nach Schätzung) 1300-1500 TeilnehmerInnen fand eine der am besten besuchten VollVersammlungen der letzten Jahre an der FU statt. Im Anschluss besetzten 400 Studierende das Präsidium der FU bzw. blockierten die Straße davor. Das Präsidium rief die Polizei, die mit 200 BeamtInnen die Straße räumte, den BesetzerInnen aber bei freiwilligem Abzug Straffreiheit versprach. Die etwa 250 im Gebäude verbliebenen Studis verließen daraufhin Lenzens Allerheiligstes.

Mittwoch: einige wenige Streikposten mussten die Stellung am OSI halten, denn die meisten politisierten Studentinnen und Studenten machten sich auf den Weg zur Bildungsstreikdemo nach Mitte. Über die Größe der Demonstration gibt es unterschiedliche Angaben: die Polizei spricht von 12 000 Menschen, das Bildungsstreikbündnis von 27 000. Unserem Eindruck nach dürfte eine Größe zwischen 15 000 und 20 000 realistisch sein – es waren jedenfalls richtig, richtig viele. Bundesweit demonstrierten etwa eine Viertelmillion SchülerInnen, Studierende und Gewerkschaftsmitglieder im Rahmen des Bildungsstreiks. Am Abend wurde an der TU die ehemalige AStA-Villa erneut besetzt; die BesetzerInnen halten bis jetzt durch, es gibt eine Menge Veranstaltungen – hinfahren lohnt sich also!

Donnerstag: Bei der Aktion „Banküberfall“ im Rahmen des Bildungsstreiks sammelten sich mehr als 1000 DemonstrantInnen in der Nähe der Gedächtniskirche, um Geld für Bildung statt für Banken zu fordern. Die Deutsche Bank und die Commerzbank am Wittenbergplatz wurden kurzzeitig besetzt, dabei ging die Polizei recht rabiat gegen BesetzerInnen und UnterstützerInnen vor.
EDIT: Bei einem mehrstündigen Treffen mit dem Dekanat des Fachbereichs Politik- und Sozialwissenschaften wurde über unsere Forderungen (PDF) diskutiert; bis zum Abend antwortete das Dekanat mit einer in vielen Punkten leider unzureichenden Stellungnahme (PDF). Der Dialog geht jedoch weiter.

Freitag: Der Protest gegen die Kultusministerkonferenz (KMK) fiel weitgehend aus, da sich die Verantwortlichen für die Bildungspolitik der letzten Jahre lieber an geheimen Ort trafen, statt mit uns zu reden. Die etwa 500 DemonstrantInnen zogen daher in einer Spontandemonstration vor das Büro von Wissenschaftssenator Zöllner, unterwegs wurden kurzzeitig mehrere große Kreuzungen (etwa am Potsdamer Platz oder an der Friedrichstraße) blockiert. Nachdem sich Zöllner kurzzeitig einem Gespräch gestellt hatte, wurde spontan die Senatsverwaltung für Finanzen besetzt, anschließend liefen die Menschen zum Roten Rathaus, welches in Windeseile von der Polizei abgeriegelt wurde. Ein halbes Dutzend Personen schafften es trotzdem hinein. Am Abend war für die OSI-BesetzerInnen aufräumen angesagt, die Besetzung wurde beendet, da wir einerseits keine Kapazitäten und andererseits kein gut genug ausgearbeitetes Konzept hatten.

Wie Weiter?

Es wird sich zeigen, was mit dem Bildungsstreik konkret erreicht wurde. In jedem Fall ist das Thema wieder auf der politischen Tagesordnung, zumindest vorübergehend. Ein großer Erfolg ist auch, dass viele Menschen politisiert und motiviert wurden, etwas zu machen – im Präsidium etwa waren viele Leute dabei, die zum ersten Mal mit der Frage „freiwillig gehen oder von der Polizei wegtragen lassen?“ konfrontiert wurden und von denen viele auch bereit gewesen wären, sich wegtragen zu lassen. Bei den abendlichen Plena am OSI meinten Studierende von anderen Fachbereichen, dass ihnen bisher gar nicht bewusst gewesen sei, dass mensch ein Institut besetzen könnte. Auch für uns in der FSI, die wir in letzter Zeit zunehmend das Gefühl hatten, dass wir uns nur noch in Gremien aufreiben, war es ein gutes Gefühl zu zeigen, dass wir als Studierende auch anders können.

Um zu besprechen, wie wir konkret in den nächsten Wochen und vielleicht sogar im nächsten Semester weiter machen, treffen wir uns am Dienstag, den 23.6., um 14 Uhr am/im Roten Café.

3 Gedanken zu „Bildungsstreik: Versuch eines Überblicks“

  1. Vorab: Um Mißverständnisse zu vermeiden: Ich habe sehr viel Hochachtung vor allen Leuten, die sich hochschulpolitisch engagieren, ob in der Fachschaft, in Gremien, etc… und vor allem vor allen politisch Aktiven, die sich für die Organisation des Bildungsstreiks 2009 den Arsch aufgerissen haben.

    Was war gut und was war schlecht in der Bildungsstreikwoche

    1. Es war gut, daß wir vom 15.-19.06. mit der Bestreikung der Lehre am Otto-Suhr-Institut (OSI) gegen die Lehre am OSI protestiert haben. Den Boykottmaßnahmen einer Minderheit der OSI-Studenten ist eine Mehrheit der OSI-Studenten gefolgt und zu Hause geblieben. Das war Anstoß für Studenten, sich aktiv mit der Situation am OSI zu beschäftigen.

    2. Dem Aufruf der „Projektgruppe Bildungsstreik 2009“ und der Gewerkschaften zur Demonstration am 17.06. in Berlin-Mitte sind Tausende Studenten gefolgt und haben so für ihre Anliegen die Aufmerksamkeit von Massenmedien bekommen.

    3. Am 16.06.09 haben 500 FU-Student_innen, unter ihnen auch OSI-Student_innen, das FU-Präsidium besetzt. Die Besetzer_innen des FU-Präsidiums haben ihre Forderungen beschlossen, unter anderem „1) Anwesenheitskontrollen FU-weit abschaffen“

    4. Am 17.06. gab es die von protestierenden OSI-Student_innen organisierte Diskussion „Präsidialdiktatur oder demokratische Hochschule? Wer entscheidet eigentlich wie wir studieren?“ unter anderem mit dem Professor Hajo Funke und der Studentin Sarah Walz.

    5. Die protestierenden OSI-Studenten sammelten Punkte für ein Gespräch mit dem Dekanat am 18.06., zum Beispiel „1) Es sollte keine Anwesenheitskontrollen geben“

    6. Es gab einen Resolutionsentwurf für die Vollversammlung der FU am 16.06., in dem die Studierenden der FU unter anderem die „Aufstockung der finanziellen Zuschüsse des Landes Berlin an die Berliner Hochschulen“ zur Erhaltung des Status Quo fordern.

    7. Als die Kultusministerkonferenz am 19.06. in Berlin-Tiergarten tagte, wurde eine Delegation von sechs Studenten zu einem 30-minütigen Gespräch empfangen. Unsere FU-Kommilitonin, die uns in der Delegation vertreten hat, Alina Herbing, sagte der „jungen Welt“: „Die Minister haben zugegeben, daß der Bologna-Prozess zwar nicht gescheitert ist, aber auf jeden Fall nicht richtig funktioniert. Etwaige Probleme müssten aber die einzelnen Hochschulen und Bundesländer klären, so die Minister.“

    8. Am 23.06. beschloss eine Gruppe von OSI-Studenten, eine Podiumsdiskussion zur Situation der Studenten am OSI zu organisieren. BETEILIGT EUCH AN DISKUSSIONEN ZU EUREN STUDIEN- UND PRÜFUNGSBEDINGUNGEN!

    1. Als Studenten des OSI eine Woche gegen das OSI protestierten, beteiligten sich daran kontinuierlich und organisiert 30 von 3000 Studenten des OSI. Daß alle Institutstüren, bis auf eine, geschlossen waren, bedeutet nicht, daß das OSI „besetzt“ war. Das OSI war scheinbar besetzt. 30 Studenten sind nicht stark genug, um das OSI eine Woche zu besetzen. Das OSI besteht unter anderem aus drei großen Gebäuden (Ihnestr. 21, Ihnestr. 22, Gerrystr. 55).

    Das Häuflein Protestler hat die Lehre an Deutschlands größtem Institut für Politikwissenschaft eine Woche lang lahm gelegt, weil alle drei Gebäudeteile dieses Jahr eine elektronische Schließanlage installiert bekamen und der konservative OSI-Chef Detlef Brose, der über das Hausrecht verfügt, und Vorgesetzter der Hausmeister ist, die Schein-Besetzer unterstützt hat. OSI-Boss Brose kontrolliert die elektronische Schließanlage. Nur wenn er es will, bleiben alle Türen elektronisch gesperrt. Denn die OSI-„Besetzer“ hatten keine direkte Kontrolle über das Schließsystem ausgeübt.

    Es war schlecht für die Durchsetzung der Forderungen, daß die OSI-Student_innen sich am ersten Tag der Protest-Aktionen mit dem OSI-Chef Brose fraternisiert haben. So wurde eine wirkliche Besetzung des OSI SELBSTVERSCHULDET selber verhindert, die am Montag historisch möglich gewesen wäre, weil so viele OSI-Student_innen noch zum OSI kamen SELBER VERHINDERT, wie sie von den Student_innen des GESAMTEN FACHBEREICHES POLITIK- UND SOZIALWISSENSCHAFTEN AM 15.06. in der Vollversammlung beschlossen wurde.

    Gerade der Prüfungsbetrieb ist das zentrale Mittel der derzeitigen Fachbereichs-Ordnungen, um die Studenten funktional zu machen und die Kreativität des wissenschaftlichen Nachwuchses zu verhindern. Wenn der Prüfungsbetrieb und die gesamte Verwaltung blockiert gewesen wäre, WIE ES AM 15.06. VON UNS BESCHLOSSEN WURDE, hätten unsere Forderungen besser umgesetzt werden können.

    2. Dem Aufruf der „Projektgruppe Bildungsstreik 2009“ und der Gewerkschaften zur Demonstration am 17.06. in Berlin-Mitte sind mit nur einigen Tausenden Studenten zu wenig Student_innen gefolgt. Wenn wir uns nicht besser organisieren, werden wir unsere Forderungen niemals durchsetzen. Es ist falsch, was Peter Grottian erzählt, daß der Bildungsstreik ein Erfolg gewesen sei. Ich frage Peter Grottian: Welche unserer Forderungen wurden von uns durchgesetzt?

    3. Die Besetzung des FU-Präsidiums durch 500 FU-Student_innen, unter ihnen viele OSI-Student_innen war eine für uns erbärmliche Niederlage. Keine der Forderungen der Präsidiums-Besetzer_innen wurde umgesetzt. Zu früh wurde die Präsidiums-Besetzung aufgegeben durch die Vermittlung des OSI-Professors Hajo Funke. Hajo Funke war der Funke, der das Feuer löschte. Wozu brauchen wir einen Professor als Vermittler? Wir Studenten sind organisiert und haben z. B. den Asta, deren Refernten für die Student_innen vermitteln müssen. Wenn wir Student_innen unsere gemeinsam beschlossenen Forderungen durchsetzten wollen, dürfen wir keinem Professor trauen, der über 30 ist!

    4. Eine Podiumsdiskussion ist eine wunderbare Sache wie jede organisierte Diskussion. Es hilft der Durchsetzung unserer Forderungen nicht, wenn wir Professor_innen daran beteiligen, die sowieso nichts an unseren Studien- und Prüfungsbedingungen verändern können. Das kann nur der FU-Präsident, die deutschen Gesetzgeber und der EU-Ministerrat.

    5. Die protestierenden OSI-Studenten haben nur Punkte gesammelt für ein Gespräch mit dem Dekanat am 18.06, z. B. „1) Es sollte keine Anwesenheitskontrollen geben“. Es wurden keine knackigen Forderungen abgestimmt wie: Keine Anwesenheitskontrollen am OSI!

    6. Die VV, an der 1.500 Student_innen teilnahmen, hat keinen Entschluss getroffen, weil 500 Student_innen die VV spontan verließen als sich die Besetzung des FU-Präsidiums herum sprach. Zuerst müssen wir über unsere Forderungen abstimmen. Erst dann können wir beschließen, wie wir unsere Forderungen durchsetzen wollen, ob durch Besetzung, Hungerstreik oder andere Mittel, welche die Zustimmung der Mehrheit erhalten.

    7. Das Gespräch unserer Delegation mit den Ministern hat Alina nach nichts gebracht. Solche Gespräche werden erst etwas bringen, wenn unser Protest besser organisiert ist.

    FORDERT EINEN LEHRSTUHL FÜR KRITISCHE THEORIE AM OSI!

    Bietet selber Seminare an! Bohrt Tunnel zu anderen Fachbereichen! Bestimmt mit!

    FRAGT EUCH, OB ZWANGS BERATUNGEN, -AUFLAGEN & -EXMATRIKULLIERUNG NACH § 13 ABS. 4 & 5 SATZUNG FÜR STUDIENANGELEGENHEITEN DER FU VON EUCH SO GEWÜNSCHT IST!

    Von Martin Lejeune, Herderstraße, 27, 12163 Berlin, martin.lejeune@fu-berlin.de

    http://www.facebook.com/prisonerofuniversity

    Tel. (0049 30) 20 31 85 69
    Fax (0049 30) 484 983 114
    Mobil (0049 172) 185 26 58

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