Heute fand die erste Sitzung des Institutsrats im neuen Semester statt. Die Sitzung kann, trotz teilweise harter inhaltlicher Auseinandersetzungen, als eine der harmonischeren bezeichnet werden. Womöglich sind die Beteiligten noch ein wenig entspannt von den gerade zurückliegenden Ferien. Größter Streitpunkt war auch heute wieder die Berufungspraxis des OSI, die sich zunehmend vom Standardverfahren, wie es im Berliner Hochschulgesetz (BerlHG) und im Grundgesetz der BRD festgelegt ist, entfernt – aber dazu später mehr.
Weitgehend unstrittig blieben einige der kleineren Tagesordnungspunkte, so werden die Kopierer in den Bürotrakten des OSI nun mit einer Scanfunktion ausgestattet, das Institut übernimmt die notwendigen Kosten. Nach einer kurzen Diskussion über den Termin beschloss der Institutsrat (IR) ausserdem, einen Institutstag am Freitag, den 3. Dezember einzuberufen. Diese Veranstaltung gab es bereits im letzten Jahr und soll einen Raum schaffen, in dem sich alle Statusgruppen mit der Ausrichtung des OSI, der Studiensituation und anderer Diskussionspunkte auseinandersetzen können. Die Vorbereitung übernimmt wie im letzten Jahr eine spektrenübergreifende Gruppe von Studierenden, für Lehrveranstaltungen an diesem Tag wird die Teilnahmepflicht ausgesetzt. Über weitere Entwicklungen – etwa wie mensch sich beteiligen kann – berichten wir zu gegebener Zeit.
Zwei Professuren – ein Streitpunkt
Zunächst ging es wieder einmal um die Einrichtung einer sog. „sektoralen oder S-Professur“ für Afrikalehre und -Forschung am OSI. Auf S-Professuren werden Wissenschaftler_innen berufen, die eigentlich an anderen Forschungseinrichtungen (etwa Stiftungen) beschäftigt sind, diese Einrichtung bezahlt dann auch die Stelle. Genaure Hintergründe gibt es in diesem Artikel vom Juli 2010. Ein Versuch, die Abstimmung zu diesem Thema in den nicht-öffentlichen Teil der Sitzung zu verlagern, wurde abgeschmettert, da es ohnehin nur um einen kurzen Austausch von Argumenten gehen sollte. Die Abstimmung war heute erneut notwendig geworden, weil in der letzten Sitzung vor den Ferien die studentischen Vertreter_innen ein Gruppenveto eingelegt hatten. Prof. Mengel vertrat bei dem kurzen Streitgespräch die Ansicht, dass diese Professur ja Verbesserungen in der Lehre bringen würde, und da könne mensch auch mal von grundsätzlich richtigen Positionen abweichen. Der Zweck heiligt also die Mittel. Dass dieser Zweck aus studentischer Sicht durchaus fragwürdig ist, wurde deutlich als die Höhe der möglichen Lehrverpflichtung dieser Professur herauskam: es handelt sich um ganze zwei (!) Semesterwochenstunden, sprich ein Seminar oder eine Vorlesung.
Bei der zügig herbeigeführten Abstimmung sprachen sich denn auch Wissenschaftliche Mitarbeiter_innen und Professor_innen geschlossen für die Einrichtung der S-Professur aus, folglich wird diese nun eingerichtet.
Methoden mit fragwürdigen Methoden sichern?
Die zweite Professur, um die es ging, war die für den Bereich „Methoden der empirischen Sozialforschung“. Hier gibt es zur Zeit am OSI eine befristete Stelle, die zu Beginn des Wintersemesters 2011/12 ausläuft. Diese soll nun nach dem Willen der Professor_innen, des Dekanats und des Präsidiums entfristet werden, wodurch der derzeitige Stelleninhaber eine Professur auf Lebenszeit erhält. Das Problem an der ganzen Sache: dieses Vorgehen verstößt – wieder einmal – gegen das im BerlHG vorgeschriebene Berufungsverfahren und gegen das Prinzip der Bestenauslese im Grundgesetz.
Dass eine Methodenprofessur am OSI beziehungsweise am Fachbereich (zusammen mit der Entfristung soll die Stelle um Zuständigkeiten für die Soziologie und die Publizistik und Kommunikationswissenschaften erweitert werden) nötig ist, darüber waren sich zumindest alle IR-Mitglieder einig. Auch die Finanzierung aus Mitteln des Präsidiums steht. Differenzen gab es bei der Frage, wie diese Professur besetzt wird. Hier favorisieren die studentischen Vertreter_innen in IR und Fachbereichsrat (FBR) sowie die Frauenbeauftragte des Fachbereichs, Fr. Strobel, ein ordentliches Berufungsverfahren, das nach einer öffentlichen Ausschreibung den/die geeignetste_n Bewerber_in nominiert. Eine Entfristung, wie von professoraler Seite vorgeschlagen, stellt laut BerlHG eine „Ausnahme“ dar, die gesondert begründet werden muss. Ob in diesem Fall Gründe für eine Ausnahmeregelung vorliegen, wurde zumindest von studentischer Seite bezweifelt. Frau Strobel wies, unserer Ansicht nach zu Recht, darauf hin dass das Kandidat_innenprofil bei befristeten Stellenausschreibungen immer ein anderes sei als bei unbefristeten, folglich könne die Bestenauswahl bei der Berufung zu einer befristeten Stelle nicht das Verfahren bei einer Professur auf Lebenszeit ersetzen. Ein neues Berufungsverfahren sei also nötig.
Bernd Ladwig entgegnete, dass ein solches Verfahren erheblich länger dauert und auch kostspieliger sei – unserer Meinung nach ein Armutszeugnis für ein Institut wie das OSI, wenn demokratische und transparente Verfahren mittlerweile schon mit dem Hinweis auf Zeit- und Kostengründe umgangen werden. Eine Einschätzung, der sich im IR Hans-Joachim Mengel anschloss. Dazu kommt noch, dass die derzeitige Methodenprofessur erst in etwa einem Jahr ausläuft, mit ein wenig gutem Willen könnte bis dahin eine Berufungskommission ihre Arbeit durchaus abgeschlossen haben.
Da bei einem solchen Ausnahmeverfahren zudem immer die Möglichkeit einer Verwaltungsklage besteht, wiesen die studentischen Vertreter_innen auch darauf hin, dass es sowohl im Interesse des Lehrangebots als auch des Kandidaten ist, Rechtssicherheit zu haben. Susanne Lütz und Oskar Niedermayer versicherten, dass das auch im derzeitigen Verfahren möglich sei, und versuchten dabei die im Gesetz explizit als Ausnahme bezeichnete Möglichkeit der Entfristung als gleichberechtigtes Verfahren neben dem regulären Berufungsprozess hinzustellen.
Die Mehrheitsverhältnisse im IR sind bekanntlich ja eindeutig, daher gab es auch dieses Mal ein vorhersehbares Ergebnis: mit einer Enthaltung und einer Gegenstimme empfiehlt der Institutsrat des Otto-Suhr-Instituts dem Fachbereichsrat, über eine Entfristung zu beraten. Für einen konkreten Beschluss, der über diese Stellungnahme hinausgeht, ist der IR ohnehin nicht bevollmächtigt.
Der Ausnahmezustand wird zur Regel
Damit steht dem OSI, rechnet mensch S-Professur und die Entfristungsverfahren im Fall Chojnacki und Zürcher mit ein (Hintergründe), zum vierten Mal innerhalb von nur zwei Jahren eine Berufung ins Haus, die ohne ordentliche Ausschreibung und Bestenauslese vorgenommen wird. De facto wurde damit jede Berufung auf eine Vollprofessur am OSI in der letzten Zeit „ad personam“ vorgenommen. Die eigentlich als Ausnahme gedachten Möglichkeiten der Entfristung befristeter Stellen sind zur Regel geworden. Der höchst problematischen Praktik von Mauschelei und Geklüngel hinter den Kulissen der gewählten Gremien wird dieses gegenseitig-auf-Posten-hieven bestimmt keinen Abbruch tun.
Aber der Zweck heiligt ja bekanntlich die Mittel…