Thomas Risse bewirbt sich beim GIGA in Hamburg

Ein kurzes Update vom Institutstag (ausführlicher Bericht folgt demnächst): Eine – bislang unbekannte – „Studentische Initiative für Transparenz am OSI“ hat heute beim Institutstag einen Flyer verteilt, der einige interessante Neuigkeiten beinhaltet.
Diese wollen wir euch natürlich nicht vorenthalten, daher dokumentieren wir hier den Flyer als PDF und unten als Text:

IB-Professor Risse bewirbt sich auf Präsidentenposten an Thinktank in Hamburg

Jahrelang hat er die Institutspolitik geprägt und laut Kritikern den Umbau des Otto-Suhr-Instituts in ein Governance-Zentrum vorangetrieben: Jetzt bewirbt sich Thomas Risse, Professor für Internationale Beziehungen, auf das Präsidentschaftsamt am Hamburger GIGA (German Institute of Global and Area Studies). Verlässt er gemeinsam mit seiner Frau und Strippenzieherin Tanja Börzel, Professorin für Europäische Integration, das OSI? Oder steckt hinter der Bewerbung der Versuch, über Bleibeverhandlungen den Bereich „Internationale Beziehungen“ am OSI weiter auszubauen?

Es ist ein attraktiver Posten: Wer GIGA-Präsident_in wird, erhält automatisch einen Professor_innenposten an der Hamburger Universität. Eine Stunde lang wird Thomas Risses Bewerbungsrede am Montag, 13. Dezember, dauern. Rückt er also womöglich bald an die Spitze des „Think Tank für die Zielgruppen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit“ (Eigenwerbung)? OSI-Angehörige rätseln, was Risse mit seiner Bewerbung bezweckt. Unklar ist, ob es sich um ein taktisches Manöver handelt oder ob er tatsächlich einen Wechsel nach Hamburg erwägt. Zwei mögliche Szenarien:

Szenario 1: Risse setzt darauf, dass ihn die Freie Universität auf jeden Fall halten will, schließlich wirbt er beträchtliche Drittmittel ein und wird in Zeitschriftenaufsätzen des Bereichs „Internationale Beziehungen“ inflationär zitiert. Er hofft auf eine gute Platzierung in Hamburg – ein erster oder zweiter Platz auf der Berufungsliste –, worauf er in Berlin „Bleibeverhandlungen“ führen kann. Wenn alles in seinem Sinne verläuft, werden ihm weitere Ressourcen zur Verfügung gestellt: Geld, Mitarbeiter_innen, Räume. Dies würde für das OSI bedeuten, dass der Einfluss des Risse/Börzel-Lagers weiter wächst und die Verengung des Profils auf Governance-Forschung und Internationale Beziehungen sich verschärft. Für Risse muss das Kalkül allerdings nicht aufgehen: Prof. Ursula Lehmkuhl, ehemalige FU-Vizepräsidentin und zusammen mit Risse Sprecherin des „Sonderforschungsbereichs (SFB) 700“, versuchte genau diesen Weg zu gehen – und scheiterte: Weil die FU ihre Forderungen nicht akzeptieren wollte, ist sie seit Oktober Professorin in Trier.

Szenario 2: Risse hat genug von misstrauischen Kolleg_innen und Studierenden, die entweder protestieren oder verlangen, dass er sich mehr um Lehre und Betreuung kümmert. Er bewirbt sich am GIGA, um dort in Ruhe forschen und sich selbst vermarkten zu können – an einem renommierten Institut der Leipnitz-Gesellschaft. Dafür nimmt er sogar in Kauf, dass die Stelle nur als W3-Professor ausgeschrieben ist. Im Erfolgsfall führt er „Dual Career“-Verhandlungen – es gelingt ihm, auch seine Frau Tanja Börzel, wie bereits am OSI, mit einem Posten zu versorgen. Die Folgen fürs OSI: Auf einen Schlag werden zwei C4-Professuren frei. Mittel für schlecht ausgestattete oder vakante Bereiche können umgeschichtet werden – etwa für Ideengeschichte, Rechtliche Grundlagen und Afrika.

Weggang würde OSI verändern

Fest steht: Ein Weggang Thomas Risses – und in dessen Folge Tanja Börzels – würde das Otto-Suhr-Institut nachhaltig verändern. Der Name Risse steht für Mauscheleien um Stellen, die Bereicherung einzelner Personen (der ehemalige OSI-Professor Hajo Funke spricht von „Beutegemeinschaften“) und eine inhaltliche Verödung des Instituts.

Risse kam im Jahr 2001 als „Professor für transnationale Beziehungen, Außen- und Sicherheitspolitik“ ans OSI. Er verstand es, innerhalb von wenigen Jahren am Institut, Fachbereich und an der Freien Universität ein Netzwerk aufzubauen, das die wichtigsten Entscheidungen beeinflussen konnte. Geschickt nutzte Risse den Generationswechsel am Institut, der mit dem Abgang einer Reihe von Profs verbunden war. Während ganze Bereiche praktisch wegfielen – wie die Erwachsenenbildung, Rechtsextremismus-, Gewerkschafts- und Armutsforschung – oder wie die Ideengeschichte und die Rechtlichen Grundlagen akut bedroht sind, wurde der Bereich „Internationale Beziehungen“ immer weiter ausgedehnt. Im Präsidium hatte Risse jahrelang die direkte Unterstützung von FU-Präsident Dieter Lenzen, dessen Vize Prof. Ursula Lehmkuhl baute gemeinsam mit Risse den „Sonderforschungsbereich 700“ auf.

Börzel-Berufung als Meisterstück

In den Jahren 2003 bis 2005 war Risse Dekan des Fachbereichs Politik- und Sozialwissenschaften – und trieb den Umbau des Instituts zu seinen Gunsten voran: Seine Meisterleistung war im Jahr 2004 die Berufung seiner Frau Tanja Börzel als Professorin für Europäische Integration. In einem Interview mit dem FU-Studierendenmagazin „Furios“ prahlte Risse: „Wir hatten aber auch beide ein Angebot von der LSE (London School of Economics) – das hat ihrer Verhandlungsposition sicher nicht geschadet.“

Börzel erhielt wie Risse eine C4-Professor – diejenige mit der besten Bezahlung und personellen Ausstattung. Auch die Altvater-Professur für Internationale Politische Ökonomie wurde entsprechend besetzt: Professorin Susanne Lütz stimmt im Institutsrat zuverlässig ab wie ihre Nebensitzerin Tanja Börzel. Risse, Börzel und Lütz sind auch die entschiedensten Gegner_innen der Bachelor-Reform am OSI.

Mit tatkräftiger Unterstützung der autoritären Dekanin Prof. Barbara Riedmüller versuchten Risse und Börzel 2008 die Abwertung der Ideengeschichte zu einer Juniorprofessur durchzusetzen – und die direkte Vergabe zweier Sicherheitsprofessuren an die Mitarbeiter des „Sonderforschungsbereichs (SFB) 700“ Sven Chojnacki und Christoph Zürcher. Studentische Proteste und Klagen vor Gericht verhinderten die Zürcher-Professur und die Abwertung der Ideengeschichte.

Der drittmittelfinanzierte SFB „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“, dem Risse als Sprecher vorsteht, hat in den vergangenen Jahren immer wieder Versuche unternommen, die Struktur des OSI zu verändern. Zuletzt scheiterte der Plan, der SFB-Mitarbeiterin Beate Rudolf eine spezielle Professur zu verschaffen. Von Stellenbewerber_innen und Juniorprofessoren am OSI wird die Bereitschaft zur Mitarbeit am SFB erwartet. Dies hat auch Folgen für die inhaltliche Ausrichtung des Instituts: Risse hat den Governance-Ansatz zum zentralen Paradigma erhoben, von der OSI-Tradition der „kritischen Politikwissenschaft“ hält Risse nichts.

Risse lobt Bundeswehreinsatz

Der SFB setzt sich unter anderem mit der Legitimität von Militäreinsätzen in „Räumen begrenzter Staatlichkeit“ auseinander. Risses Position zum Afghanistan-Krieg ist kein Geheimnis: In einem Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ vom Februar 2008 behauptete er unter Verweis auf eine Studie seiner SFB-Kollegen Jan Koehler und Christoph Zürcher, die Bundeswehr sei in Afghanistan sehr beliebt. Risses Kommentar: „Das Bedrückende allerdings ist: So sehr die Afghanen das internationale Engagement begrüßen, so wenig findet es in Deutschland Unterstützung.“ Im November 2008 legten Antimilitarist_innen deshalb eine Pappfigur mit dem Gesicht Risses ins OSI-Foyer – der „embedded scientist“ war in tarnfarbene Kissen gepackt. Die Botschaft: „Wer sich einbettet, muss Federn lassen.“

Studentische Initiative für Transparenz am OSI, 1. Dezember 2010

9 Gedanken zu „Thomas Risse bewirbt sich beim GIGA in Hamburg“

  1. Sollte eine „Initiative für Transparenz“ nicht sagen, wer sie ist und woher sie diese Info hat? Find‘ ich etwas intransparent.

    Ob eine solche Personifikation von Problemen hilfreich ist oder nicht eher vereinfacht und mit Feindbildern arbeitet, ohne die dahinterstehenden Strukturen zu berücksichtigen, sei mal dahingestellt.

  2. Finde ich alles sehr amüsant: Kann mir vllcht. jemand sagen, wann Risse am Giga spricht? Bin Montag sowieso in HH..und finde die Info im Internet nicht… Danke!

  3. Hab mal ne Mail an meinen alten HH-Prof geschrieben, hier die Antwort:

    13.12.2010 13.00-14.00 Uhr Prof. Dr. Thomas Risse, Freie Universität Berlin, „Aneignung und Widerstand: Governance unter den Bedingungen begrenzter
    Staatlichkeit“
    13.12.2010 15.20-16.20 Uhr Prof. Dr. Claudia Derichs, Universität Marburg, „Comparative Area Studies: Eine Forschungsagenda“
    13.12.2010 17.40-18.40 Uhr Prof. Dr. Lukas Menkhoff, Leibniz Universität Hannover, „Anlagestrategien an internationalen Finanzmärkten und Länderrisiken“
    14.12.2010 10.15 -11.15 Uhr Prof. Dr. Wolfgang Merkel, Humboldt-Universität zu Berlin,„Huntingtons Law: Kehren die Diktaturen zurück?“

    Na, wenn ichs irgendwie schaffe geh ich applaudieren ^^ LG

  4. @ Carsten

    Wenn ich den Artikel hier richtig gelesen habe, dann erfährt man doch alles, was man wissen muss. Und es ist ja nicht so, dass es sich hierbei um besondere Neuigkeiten handelt. Überhaupt ist die Forderung nach Transparenz recht affirmativ. Die spannende inhaltliche Frage, die oben ja angedeutet worden ist (Umbau der Instiution zwecks inhaltlicher Verflachung bzw. Priorisierung von herrschaftsnahen Themen und Forschungen) muss sich sowieso jeder Studierende und Wissenschaftler vorhalten: ob das mit wissenschaftlicher Integrität oder gar nur Pluralismus am Fach überhaupt vereinbar ist und was man selbst von seiner eigenen Arbeit und seinem Studium erwartet.

    Amüsant wäre das Ganze, wenn es sich tatsächlich nur um Ränkespiele einzelner Indvidiuen handeln würde. Allerdings lässt das Downsizing der Ideengeschichte oder aber die Verweigerung einer BA-Strukturreform die handgreiflichen Auswirkungen erkennen. Hier muss man aufpassen, dass Amüsement nicht gleichbedeutend ist mir Affirmation und Ideologie.

    Allerdings: wenn man sich die Zielstellungen des SFB anschaut, dann braucht es dazu doch sowieso keine riesen Diskussion. Hier würde sich vielmehr die Frage nach dem Wechselverhältnis staatlicher Forschungsförderung, außerwissenschaftlichen Imperativen, die ans Fach herangetragen werden und Selbstverständnis sowohl des Fachs, als auch seiner Vertreter anbieten. Wissenschaftliche Autonomie setzt ja bereits bei jedem selbst an und nicht erst bei der Postdoc-Stelle in einem hochgradig integrierten SFB: „Wessen Brot ich ess‘, dessen Lied ich sing…“ sollte dabei nicht die Maßgabe sein.

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