Geld oder Lehre?

Bisher: prekär, prekärer, am OSI lehrend

Die Lehre am OSI wird, vor allem in grundständigen Bereichen (Proseminare und „normale“ Hauptseminare), vielfach von Lehrbeauftragten geleistet. Dazu kommen Bereiche des Studiums, beispielsweise die Ideengeschichte oder die rechtlichen Grundlagen, die personell so schwach aufgestellt sind, dass ein Mindestmaß an Lehre in diesen Gebieten nur durch den „Zukauf“ von Angeboten von Externen gewährleistet werden kann. Gekauft im herkömmlichen Sinne wird dabei aber nur selten: zwei Drittel der vergebenen Lehraufträge sind unbezahlt. Das OSI vergibt bisher Lehraufträge im Umfang von ca. 140 Semesterwochenstunden, also etwa 70 Seminare, von denen gut 20 bezahlt werden. Ein Großteil der Dozent_innen, die am OSI lehren wollten, ging bisher also leer aus; viele beantragten erst gar keine Besoldung, immer wieder mussten aber auch einzelne Lehraufträge gestrichen werden, bei denen sich die Dozierenden unbezahlte Arbeit nicht leisten konnten oder zumuten wollten. Häufig ließ sich erst im Institutsrat (IR), der das Lehrangebot letztlich beschließen muss, eine Finanzierung für unverzichtbare Lehraufträge finden (vgl. den Bericht aus dem IR vom 19.1.). Damit ist nun anscheinend Schluss.

In Erwägung, es will euch nicht glücken…

uns zu zahlen ’nen gerechten Lohn – das dachte sich wohl auch der rot-rote Berliner Senat bei der Novellierung des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG; der AStA informierte) in den vergangenen 12 Monaten. Unbesoldete Lehraufträge gibt es nur noch, wenn die/der betreffende Dozent_in freiwillig, nach Erteilung eines besoldeten Lehrauftrags, auf das Geld verzichtet. Pro Semester sind das etwa 1000 € (30 €/Semesterwochenstunde). Das war bisher niemandem am OSI so richtig bewusst, und kam in der vergangenen Woche eher zufällig an’s Tageslicht. Auf eine Nachfrage beim Rechtsamt der FU bezüglich der Frage, ob Privatdozent_innen einen Lehrauftrag benötigten, wurde der Lehrplanung und der Ausbildungskommission eher nebenbei mitgeteilt, dass Lehraufträge gemäß dem neugefassten § 120, Abs. 4 des BerlHG nur noch besoldet vergeben werden dürfen.
Das betrifft im nächsten Wintersemester zunächst 47 Lehraufträge, deren Finanzierung bisher nicht vorhanden war, bei denen keine Besoldung angefragt wurde oder die bei einer ersten Durchsicht auf Grund einer „wenn, nur besoldet“-Ansage gestrichen wurden. Das bedeutet: für ein ohnehin schon knapp kalkuliertes Lehrangebot fehlen dem OSI knapp 50 000 Euro. Geld, das natürlich nicht da ist. Zudem sollen im nächsten Semester etwa 25% mehr Studierende als sonst am OSI ein Studium beginnen – damit soll der Ansturm, den doppelte Abiturjahrgänge und das Ende der Wehrpflicht verursachen, aufgefangen werden. Ohne die 47 Lehrveranstaltungen, deren Finanzierung derzeit noch nicht geklärt ist, müsste das OSI dagegen schätzungsweise 30-40% weniger Studierende als sonst aufnehmen. Andernfalls würden wohl selbst Seminare am Montagmorgen um 8:30 Uhr aus allen Nähten platzen.

Populismus des Berliner Senats oder handfeste Verbesserung für prekarisierte Wissenschaftler_innen?

Das OSI hat, soviel vorneweg, keine realistische Option, diese 47 Lehraufträge zu streichen. Nach einer solchen Streichung bliebe ein Rumpf-Lehrangebot übrig, das weder die derzeit Immatrikulierten noch die im Wintersemester neu anfangenden Studierenden verkraften könnte. Am OSI etatisiertes (=fest angestelltes) Personal kann die Situation nicht entschärfen – es sei denn, Profs und Mittelbau erklären sich bereit, im nächsten Semester auf ein Leben außerhalb von Seminarräumen zu verzichten. Und dass die Studis am OSI ungemütlich werden können, wenn die Lehrsituation völlig den Bach runtergeht, erkennt mittlerweile selbst Tanja Börzel an.
Gefragt ist nun zunächst die Universitätsleitung. Aus zentralen Haushaltsmitteln kann noch am wahrscheinlichsten Geld herbeigeschafft werden, wenn das Problem uni-intern gelöst werden soll. Hier stößt mensch allerdings ganz schnell auf ein weiteres Problem: Lehraufträge werden nicht nur am OSI vergeben, möglicherweise kommen nun FU-weit Forderungen (in welcher Höhe, können zumindest wir derzeit nicht überblicken) auf das Präsidium zu. Und dann ist es ganz schnell wieder vorbei mit einer – ohnehin unsicheren – Aufstockung aus dem zentralen Universitätshaushalt. Bleibt letztendlich nur, Druck auf den Berliner Senat auszuüben. Denn so begrüßenswert die Ausfinanzierung von Lehraufträgen auch ist, so wenig wurde bei der Durchsetzung offenbar nachgedacht. Das lässt den Verdacht aufkeimen, dass das Verbot von unbezahlten Lehraufträgen eine populistische Maßnahme ist, die zahlreichen prekär lebenden Wissenschaftler_innen eine Verbesserung ihrer Lage verspricht, dieses Versprechen aber nicht halten kann.

Für uns ist dabei ganz klar: Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen, weder gegen Studis an anderen Instituten, noch gegen zukünftige Studis, noch gegen die zahlreichen Nachwuchswissenschaftler_innen, die bis vor einem Jahr noch nicht mal eine Kopierkarte für ihr Lehrangebot bekamen. Der Berliner Senat muss den Unis die Mittel an die Hand geben, um seine Gesetzesänderungen auch umsetzen zu können. Sonst könnte der Herbst ganz schnell heißer werden, als ihnen lieb ist…

2 Gedanken zu „Geld oder Lehre?“

  1. Ach 1000€ pro Semester/Seminar? Also bei 30 Leuten sind das 33€ pro Semester/Seminar. Wenn ich mir dafür mal fähige Dozenten (also keine von diesen stromlinienförmigen Karrierlinken) aussuchen kann, würde ich das zahlen.

  2. @tkkg

    Ein platter Versuch hier über die Denunziation vorgeblicher „Karrieristen“ den Gang ins bezahlte Studium zu untermauern. Selbst wenn sich in Lehrveranstaltungen Einzelne kaprizieren sollten, so sollte das immer noch Aufschluss für einen selbst sein, das Studium kritisch zu hinterfragen, als über den Geldbeutel außerwissenschaftliche Kommandomanöver einzuführen.

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